Bitterkalter Februar 2012?

Ensemble-Vorhersage des GFS-Modells, Quelle: wetterzentrale.de

Der im letzten Blog kommentierte mögliche Vorstoss sibirischer Kaltluft wird immer wahrscheinlicher. In den letzten 24 Stunden ist nun auch das EZ-Modell in seinem Hauptlauf auf  die Kaltvariante eingeschwenkt. Die Abkühlung scheint weiterhin schleichend vor sich zu gehen. Die Ensembles des GFS-Modells deuten an, dass die in den kommenden 5-6 Tagen erwartete Abkühlung von ca. 5-10 Grad in 1500m Höhe gut gesichert ist. Die (nicht sehr intensiven) Niederschläge am Wochenende werden allmählich bis ins Flachland in Schnee übergehen. Damit könnte sich, zumindest in leicht erhöhten Lagen, seit längerem wieder eine geschlossene Schneedecke bilden.

Naturgemäss ist dann die Vorhersage für den Rest der kommenden Woche immer noch unsicher. Sehr viel wird davon abhängen, wohin die vom sibirischen Reservoir abgespaltene Kaltluftblase ziehen wird. In zahlreichen Ensemble-Varianten kommt die Blase mindestens in die Nähe des Alpenraumes. Da wären dann die Temperaturen auf 1’500m im Tagesmittel um -15 Grad oder gar deutlich darunter. Auch im Mittelland wären Temperaturen unter -10 Grad zu erwarten. Und wenn die Blase liegenbleibt? Naja, dann können wir hoffen, dass die langsam steigende Sonne die Blase vom Boden her aufheizt, spätestens im März…

So schlimm wie im Februar 1956 wird es mit der Kälte wohl kaum werden. Wer will, kann im Schweizer Sturmforum nachlesen, wie sich damals die Wetterlage präsentierte und welche Temperaturen gemessen worden sind. Wetten, dass die -25.5 Grad in St. Gallen am 11.2.1956 nicht geknackt werden.

Link zum Thread „Winter 1955/1956“ im Schweizer Sturmforum (Angaben von Kurt Jordi):
http://www.meteoradar.ch/forum/viewtopic.php?f=3&t=4638

Die sibirische Kaltluft rückt vor

Wetterkarten des GFS Modells, Quelle: wetter3.de

Der Winter 2011/2012 war bisher durch milde Temperaturen und zahlreiche Westwindlagen mit unruhiger Witterung geprägt. Mehrere NW-Staulagen brachten den Alpen z.T. gewaltige Neuschneemengen. Nun scheint sich die Wetterlage schleichend umzustellen. Die atlantischen Fronten werden schwächer, und aus Osten sickert zunehmend kalte Bodenluft ein und lässt die Temperaturen im Flachland allmählich wieder in den Negativbereich absinken.

Treibende Kraft der Umstellung scheint das Vorrücken der sibirischen Kaltluft gegen Westen zu sein. Das erkennt man sehr gut an einem Vergleich von zwei Karten des globalen Vorhersagemodells GFS, eine gültig für heute, die zweite gültig für den Donnerstag der nächsten Woche (siehe beigefügte Grafik). Diese Karten zeigen den Bodendruck, das Höhenfeld 500 hPa und die sog. relative Topographie 1000/500 hPa in Farbabstufungen. Diese letzte Grösse ist, anschaulich betrachtet, ein Mass für die mittlere Temperatur der Luftschicht vom Boden bis ca. 5 km Höhe. Orange-gelbe Farbtöne sind warme Luftmassen. Diese werden über grün-blau-violett bis dunkelviolett immer kälter.

Der Kartenausschnitt zeigt fast die gesamte Nordhemisphäre. Der Nordpol ist in der Kartenmitte, Europa liegt im unteren Kartenbereich, Nordamerika links, der Pazifik oben und Asien rechts. Vergleicht man die beiden Karten, dann erkennt man, wie sich vom sibirischen Kältepol ein schönes Stück ablöst und gegen Europa vorankommt. Dieser Kältepool ist mit einem massiven Bodenhoch verknüpft, dessen Bodendruck im Zentrum 1055 hPa überschreitet. Die Ostströmung an der Südflanke des Bodenhochs ist die treibende Kraft, welche die Kaltluft immer weiter gegen Westen vorankommen lässt.

Wie wirkt sich diese Konstellation auf unser Wetter aus? Nun, vorläufig sind wir noch in gebührender Distanz vom Kaltluftzentrum. Mit dem Näherrücken des asiatischen Bodenhochs wird sich bei uns allmählich eine südöstliche Bodenströmung aufbauen. Wir verbleiben in einem Mix aus einsickernder Bisenluft aus Osten, und feuchteren Luftmassen aus dem Atlantik und dem Mittelmeerraum. Bei langsam sinkenden Temperaturen gibt das ein eher trüber Wolkenmix mit gelegentlichen schwachen Niederschlägen. Ob die kälteste Sibirienluft es dann im Februar bis zu uns schafft ist zur Zeit sehr ungewiss. Wenn sie es schafft, dann sind auch im Flachland frostige Temperaturen unter -10 Grad zu erwarten.

Winter oder Frühling?

Zwei Ensemble-Prognosen des GFS Modells. Quelle: wetterzentrale.de

Oder wie Ensemble Prognosen ändern können.

Modellprognosen bis 5 Tage werden gemeinhin als recht zuverlässig angesehen. Längerfristige Modellprognosen streuen immer mehr, je grösser der Vorhersagezeitraum wird. Sogenannte Ensemble-Prognosen sind ein Mittel, um die mögliche Variabilität der gerechneten Vorhersage abzuschätzen. Man erstellt nicht nur eine Modellprognose, sondern typischerweise deren 20, wobei die Anfangsbedingungen immer wieder zufällig etwas geändert werden. Die Streuung dieser 20 Prognosen sollte dann einen Hinweis geben, wie der Trend etwa liegt. Wenn die 20 Modellprognosen auch bei einer 6-Tagesprognose noch eng beisammen sind, dann spricht man von einer „guten“ Prognosequalität. Wenn die Streuung gross ist, dann ist eben die Prognosequalität schlecht.

Soweit so gut. Aber was ist, wenn die Ensemble-Prognosen insgesamt danebenliegen? Daran wird im Zeitalter der Modellvergötterung meistens nicht gedacht. Vergleichen wir mal die Ensemble-Prognosen der Temperatur auf 850 hPa (ca. 1’500m Höhe) des GFS-Modells (eines der ganz grossen globalen Modelle) von gestern abend 18 Uhr und von heute 00 Uhr (siehe beigefügte Grafik). Die beiden Ensembles wurden im Abstand von nur 6 Stunden gerechnet. Das erste Ensemble suggeriert einen markanten und länger dauernden Wintereinbruch um den 20.1., welcher mindestens etwa 5 Tage andauern sollte. Für den 23.1. umfasst die Spannweite der vorhergesagten Temperatur den Bereich von -5 … -12 Grad. Im 2. Ensemble ist zwar der Wintereinbruch noch deutlich erkennbar, aber er wird viel kürzer, am 23.1. ist der vorhergesagte Temperaturbereich zwischen +1 und -12 Grad. In anderen Worten: am 23.1. könnte es alles sein zwischen Hochwinter und Frühling!

Woher kommt dieser plötzliche Sinneswandel der Modellprognose? Ehrlich gesagt, ich weiss es nicht. Offenbar weiss es das Modell selbst auch nicht. Aber solche Modellaunen sollten den Modellschreibern zu denken geben. Offenbar wird die Natur auch von den allerbesten Modellcodes, der allerhöchsten Modellaufllösung und den allerschnellsten Hochleistungsrechnern weiterhin nicht immer verstanden. Das ist eigentlich beruhigend, wie sollte man sonst die Forschungsmillionen für die weitere Modellentwicklung begründen?

In Kürze: trau keiner Ensemble-Prognose!

Referenzen:

– Ensemble Prognose GFS bei wetterzentrale.de: http://www.wetterzentrale.de/pics/MS_847_ens.png
– Weiterführende Diskussion im Schweizer Sturmforum: http://www.meteoradar.ch/forum/viewtopic.php?f=2&t=7935&p=144918#p144918

Sturmtief „Andrea“ vom 05.01.2012

Erste Aufhellungen hinter der Kaltfront von "Joachim" am 16.12.2011 (Foto: Fabienne Muriset)

Erste Aufhellungen hinter der Kaltfront von "Joachim" am 16.12.2011 (Foto: Fabienne Muriset)

Der Atlantik-Winter in Mitteleuropa wartet mit einer weiteren Sturmserie auf. Während in der Nacht auf Mittwoch Sturm „Ulli“ bereits verbreitet Sturmböen brachte, wird am Donnerstag „Andrea“ noch weiter zulegen. Erneut muss man auch im Flachland mit orkanartigen Böen rechnen, für die Nordalpen sind weitere ergiebige Schneefälle angesagt.

Der Ablauf und die Stärke des aufziehenden Sturms ist jenem von „Joachim“ Mitte Dezember ähnlich, dennoch gibt es im Detail einige Unterschiede. Die Warmfront ist nicht so stark ausgeprägt und niederschlagsärmer, der Warmsektor weniger stark geöffnet als beim Ereignis vor drei Wochen. Zudem kann sich im Mittelland zuvor kein so ausgeprägter Kaltluftsee ausbilden, viele Wolken verhindern die nächtliche Abkühlung. Somit wird der Sturm in den frühen Morgenstunden nicht nur auf den Jurahöhen zulegen, sondern sich auch bereits im Mittelland mit Böen von 60 bis 80 km/h bemerkbar machen. Die Schneefallgrenze steigt mit der Warmfront auf Höhen bis etwa 1000 Meter, am Jura und in den Westalpen auch etwas höher. Der Druckgradient ist mehr SW-NE gerichtet und nicht S-N, daher bleibt ein Föhnsturm in den Alpentälern wie bei „Joachim“ am 16. Dezember diesmal aus.

Mit der Kaltfront, welche die Nordschweiz Mitte Nachmittag erreicht, werden erneut Böen in knapp Orkanstärke bis in die Niederungen durchgreifen. 90 bis 110 km/h werden verbreitet erreicht, am frühen Abend mit Kanalisierungseffekten in den Alpentälern sind auch 120 bis 130 km/h nicht ausgeschlossen. Die stärksten Böen werden aber auch diesmal mit 140 bis 170 km/h auf den Bergen erreicht.

Mit dem markanten Druckanstieg hinter der Kaltfront stellt sich in der Nacht und am Freitag eine kräftige Nordwestströmung über den Alpen ein, somit muss man noch bis weit in den Freitag hinein mit Sturm im Bergland sowie mit heftigem Nordföhn auf der Alpensüdseite rechnen. Auch stürmische Böen im Mittelland sind vor allem als Begleiterscheinung von Schauern zu erwarten. Dabei fällt Schnee bis in die Niederungen, der aber aufgrund knapp positiver Temperaturen in den tiefsten Lagen kaum liegen bleiben dürfte. In den Alpen ist bei einem Neuschneezuwachs von bis zu einem Meter und massiven Verfrachtungen durch den Sturm erneut mit einer prekären Lawinensituation zu rechnen.

Turbulente Neujahrswoche 2012

Niederschlags-Summenkarte Montag, 2.1. bis Montag, 9.1.2011. Quelle: GFS-Modell, wetter3.de

Die Wetteraussichten für die kommende erste Woche des neuen Jahres sind mehr als strub. Die Fronten folgen sich Schlag auf Schlag und bringen immer wieder Niederschläge, z.T. Schnee bis in tiefe Lagen, und vor allem am Donnerstag auch wieder Sturmböen. Bis am Montag der kommenden Woche werden in den Bergen zum Teil über 100mm Niederschlag erwartet, siehe Grafik. Das bedeutet in den höheren Lagen 1-2m Neuschneezuwachs und ein erneutes Ansteigen der Lawinengefahr. Längerfristig sind infolge der massiven Schneedecke dann eher günstige Lawinenverhältnisse zu erwarten, aber selbstverständlich erst, wenn sich die Schneeschichten verfestigt haben und nicht immer wieder durch neue Starkschneefälle belastet werden.

Im Einzelnen ist der folgende Wochenfahrplan des Wetters zu erwarten:

Dienstag: freundlich und eher mild, wohl der ruhigste Tag der Woche.
Mittwoch: am Morgen früh Kaltfront mit Regen, später noch einigen Schnee- oder Graupelschauern bis in tiefe Lagen.
Donnerstag: zunehmend stürmischer Westwind, Regen, und am Nachmittag dann Kaltfront mit Sturmböen und Schneefall bis in tiefe Lagen. In den Bergen markanter Neuschneezuwachs.
Freitag: langsames Nachlassen der Schneefälle, dann aufgehellt.
Wochenende: Aus Norden neue Kaltfront mit Schneefall bis ins Flachland.