Die Schafskälte ist über Nordosteuropa stecken geblieben. So gab es letzten Dienstag in Estland den ersten Schneefall in einem Juni seit über 30 Jahren. Der Kältepool über Nordeuropa bleibt auch während den nächsten Tagen erhalten, während von Nordafrika sehr heisse Luft in den Mittelmeerraum vordringt. Der Alpenraum liegt zwischen diesen gegensätzlichen Luftmassen und wird je nach Stärke oder Schwäche und Verlagerung der bestimmenden Druckzentren mal mehr von Norden, mal von Süden beeinflusst. Diese Einleitung stellt schon mal klar, dass die Prognose für die nächsten Tage eine Herausforderung darstellt und viele Unsicherheiten beinhaltet.
Zum grossen Glück für uns Meteorologen ist das Wochenende noch am sichersten zu prognostizieren. Am Samstag erstreckt sich ein Hochdruckkeil von Irland bis zu den Alpen und trocknet die eingeflossene kühle Nordseeluft ab, der maximale Sonnenstand tut sein Übriges dazu. Nach kühlem Start steigen die Temperaturen am Nachmittag in den sommerlichen Bereich und es bleibt bei ein paar harmlosen Quellwolken über den Bergen. Am Sonntag reicht die starke Erwärmung der bodennahen Luftschichten hingegen bereits für lokale Gewitterbildungen vornehmlich im Hochjura sowie in den West- und Südalpen aus, sie dürften aber noch lokal begrenzt und kurzlebig bleiben.
Am Montag nähert sich aus Südwesten ein kleines Hitzetief, das an einen schwachen Höhentrog über Frankreich gebunden ist. Es steuert sehr warme und zunehmend schwüle Luft in die Westschweiz, sodass im Tagesverlauf die Gewitterneigung markant zunimmt. Die heute in den Karten gezeigten Labilitäts- und Hebungswerte sind in der zweiten Tageshälfte markant, hinzu kommt eine Verstärkung der Höhenströmung sowie eine Konvergenz in mittleren Luftschichten. Eine Luftmassengrenze knapp nördlich der Schweiz kann zusätzlich dafür sorgen, dass die schwüle Luft zwischen der Kaltluft im Norden und den Alpen gehoben wird. Eine delikate Mischung mit besten Voraussetzungen für heftige Unwetter, mitunter auch für grossen Hagel und Clusterbildung, welche die Schweiz und nördlich angrenzende Gebiete mit Starkregen bis weit in die Nacht hinein überziehen kann. Viel wird vom tageszeitlichen Timing und der genauen Position des kleinen Höhentiefs abhängen, auf jeden Fall gilt es die Lage zeitnah genau im Auge zu behalten!
Je nach Eigendynamik zieht sich die potenzielle Unwetterlage vom Montag bis in den Dienstag hinein, zumindest wird die warm-feuchte Luft aus heutiger Sicht am Dienstag noch nicht ausgeräumt. Tendenziell wird sich die heftigste Gewittertätigkeit aber nach Osten verlagern.
Über die Entwicklung von Mittwoch bis Freitag lässt sich derzeit keine seriöse Aussage machen. Dazu sind einerseits die Temperaturgegensätze zwischen Nord und Süd zu gross, andererseits lassen die verschiedenen Wettermodelle von Lauf zu Lauf die wetterbestimmenden Druckgebiete anders ziehen, was folgende Darstellung verdeutlichen soll:
Dabei stellen sich viele Fragen, die sich auf das Wetter im Alpenraum auswirken: Wie verhält sich der nordeuropäische Trog? Entwickelt er sich eher nach Süden oder Südosten? Macht er dem Hochdruckkeil bei Irland den Weg nach Mitteleuropa frei oder drängt er ihn ins Nordmeer ab (was für uns mit einer Nordlage die kälteste Lösung darstellen würde)? Hier hat auch der Trog an der Südspitze Grönlands ein Wörtchen mitzureden: Trogt er weiter nach Süden in den Atlantik aus oder bewegt er sich nach Osten, um bei uns eine Westlage einzuleiten? Und nicht zuletzt ist das Verhalten des Höhentiefs über Portugal entscheidend: Füllt es sich an Ort und Stelle auf, bewegt es sich auf südlicher Zugbahn ins Mittelmeer oder verbindet es sich gar über Mitteleuropa hinweg mit dem Skandinavien-Trog? Derzeit kann man nur die vorsichtige Aussage wagen, dass die Mehrheit der Möglichkeiten für eine nass-kühle Witterungsphase spricht, allerdings nicht über deren Details und zeitlichen Abläufe.