An dieser Stelle wollen wir ab sofort auch im Winterhalbjahr über interessante Wetterentwicklungen in unserer Umgebung informieren, analog zu den Gewittervorschauen im Sommer. Allerdings liegt das letzte flächendeckende Sturmereignis inzwischen genau einen Monat zurück. Seither sorgten nördlich des Alpenbogens nur noch lokale Föhnereignisse für etwas Action. Was ist der Grund für das Ausbleiben der Herbststürme und was dürfen wir in der mittelfristigen Zukunft erwarten?
Die Grosswetterlage ist seit einem Monat völlig festgefahren. Mit nur seltenen und sehr kurzen Unterbrechungen dominieren Luftströmungen aus dem Südsektor, was nicht zuletzt für die Rekordniederschläge an der Alpensüdseite verantwortlich war. Seit einigen Tagen war die Tendenz zu einer Ostströmung auszumachen, doch das dafür zuständige Hoch über Skandinavien zieht sich bereits wieder nach Süden zurück. Die Folge: Die Strömung im Alpenraum dreht erneut auf südliche Richtungen. Dem Vordringen kälterer Luftmassen aus nördlichen bis östlichen Regionen nach Mitteleuropa wird damit gleich wieder ein starker Riegel geschoben.
Obige Karte zeigt die Temperaturverteilung in rund 1500 m Höhe am kommenden Sonntag. Man kann weit im Osten einen scheuen Versuch eines Kaltluftvorstosses erkennen, der jedoch in Richtung Südosteuropa zielt. Der westliche und zentrale Alpenraum bildet in der Südströmung und unter zusätzlichem Hochruckeinfluss quasi den Wärmepol Europas. Allerdings ist der Wind zu schwach, um bis in die Niederungen durchzugreifen und die Kaltluft auszuräumen, hier wird sich der Nebel in den dafür bekannten Regionen meist zäh halten.
Zu Beginn der kommenden Woche dreht die Höhenströmung im Zuge eines nordwestlich der Schweiz durchziehenden Randtiefs auf West und bringt kühlere Atlantikluft, wobei sich „kühler“ in Relation zur vorangehenden Luftmasse bezieht. Die Frischluft aus Westen ist gemessen am jahreszeitlichen Standard immer noch sehr mild, in den Niederungen dürfte sie durch das Ausräumen des Nebels sogar für eine Erwärmung sorgen (sogenannte maskierte Kaltfront, nach heutigem Stand irgendwann im Lauf des Mittwochs). Nach kurzem Zwischenhocheinfluss am Donnerstag soll sich danach – man ahnt es schon – die nächste Südlage einstellen. Aus Westen also nichts Neues?
Um die festgefahrene Situation zu verstehen, muss man das Gesamtsystem der nordhemisphärischen Zirkulation betrachten. Wir tun dies anhand einer Karte, welche von oben auf den Nordpol blickt. Europa befindet sich unten, Amerika links, Asien rechts:
Dargestellt ist die Lufttemperatur und das Geopotenzial der 850-hPa-Druckfläche, die sich zwischen 1200 und 1600 m Höhe befindet. Dabei fällt auf, dass die grossen Kontinente bereits riesige Kältereservoirs ausgebildet haben. Die Kaltluftkörper bilden zwei Schwerpunkte über Sibirien und Nordamerika, so wie sich das im frühen Winterhalbjahr gehört (die noch nicht völlig zugefrorene Arktis gibt zwischen Skandinavien und Spitzbergen immer noch Wärme an die Atmosphäre ab). Interessant für uns ist vor allem der Kaltluftstrom, der von Kanada nach Osten auf den Nordatlantik geblasen wird und dort über dem relativ warmen Wasser die Tiefdruckbildung in den nächsten Tagen allmählich befeuert. Ebenfalls für uns von Bedeutung ist, dass sich das Azorenhoch derzeit etwas südwestlicher als üblich befindet. Damit kommt über dem Nordatlantik eine ordentliche Westdüse zustande, die jedoch im östlichen Teil, also noch bevor sie Europa erreicht, nach Süden ausbricht. Diese Tröge sind dafür verantwortlich, dass sich als Ausgleich auf deren Vorderseite immer wieder eine warme Südströmung nach Europa etablieren kann. Die nächste Karte soll dies verdeutlichen:
Hier ist der prognostizierte mittlere Bodendruck (schwarze Isobaren) für den Donnerstag, 27.11.2014 des GFS-Ensembles dargestellt. Blaue bis grüne Flächen bezeichnen die Regionen, wo die Prognose als recht sicher gilt. Gelbe bis rote Flächen deuten auf Unsicherheiten hin, wobei diese im nordatlantischen Tiefdruckgürtel nicht etwa in Frage stellen, ob dort überhaupt Tiefdruckgebiete durchziehen, sondern lediglich zu welchem Zeitpunkt und wie stark diese sein werden.
Klar ist, dass der Westwind in der nächsten Woche stärker wird, er wird jedoch kaum etwas gegen den Hochdruckblock über Mittel- und Osteuropa ausrichten können. Der Westwindstrom wird vor den Küsten Europas zum Ausweichen in zwei Richtungen – nämlich nach Norden und Süden – gezwungen. Der Grund für das südliche Ausweichen in Richtung westliches Mittelmeer wurde bereits oben erwähnt und er ist die Wurzel des Übels der immer wiederkehrenden Südströmungen in Richtung Europa, wo die Warmluft das blockerende Hoch weiter stützt. Dieses wiederum sorgt dafür, dass uns der sibirische Kaltluftkörper bis auf Weiteres in Ruhe lässt.
Ein Wintereinbruch ist bei solcher Konstellation in weiter Ferne. Um noch etwas in die Glaskugel zu blicken: Ein Ausweg aus dieser festgefahrenen Situation hängt vom Verhalten des Azorenhochs ab. Erst wenn es sich nach Osten verschiebt und den Austrogungen der atlantischen Tiefs einen Riegel schiebt bzw. diese nach Mittel- und Osteuropa zwingt, kann die Luftströmung bei uns zwischenzeitlich auf Nordwest bis Nord drehen und zumindest den Bergen den erhofften Schneezuwachs bringen. Für die Niederungen würde dies etwa der Jahreszeit entsprechende Verhältnisse versprechen, mit anderen Worten: Es könnte mal kurz anzuckern. Die Modelle deuten so etwas für den Monatswechsel an, doch ist dies bei dieser Zeitspanne wie immer mit Vorsicht zu geniessen.