Nun ist sie also definitiv da, die erste längere Hitzewelle des Jahres. Angesichts der Temperaturen von 35 Grad und mehr fragt sich mancher Laie, wo denn die Gewitter bleiben. Nun, Wärme ist nur eine Form von Energie, die für Gewitterbildung benötigt wird. Der zweite sehr wichtige Teil ist die Feuchte, und die hat bisher weitgehend gefehlt. Doch damit nicht genug: Wird die Luftmasse nicht durch Labilität (z.B. kältere Luft in der Höhe), die Orographie (Berge) oder aufeinander zuströmende Luftmassen (Konvergenzen) gehoben, passiert ebenfalls nichts. Während der nächsten Tage findet ein lebhafter Wechsel dieser Voraussetzungen statt. Mal fehlt der eine, mal der andere Antrieb. Und gelegentlich passt dann mal alles zusammen, fragt sich nur: wann und wo?
Etwas Feuchte ist im Lauf des Donnerstags bereits zu uns vorgedrungen, was prompt zu zwei Zellenbildungen über dem Berner Jura und in der Grimselregion geführt hat. Diese Feuchte manifestiert sich durch mittelhohe (Altocumulus) und hohe (Cirrus) Wolkenfelder sowie regionale Quellwolkenbildung über dem Relief. Nun kommt Freitag früh und dann wieder Freitagabend noch etwas erhöhte Labilität hinzu. Folgende Karte soll das veranschaulichen:
Gezeigt sind das Druckfeld (500 hPa) und die Temperaturverhältnisse in rund 5900 Meter Höhe am Freitagmorgen. Kältere und wärmere Schlieren sind mit K und W gekennzeichnet, den Verlauf erkennt man an der -12°-Isotherme, als grau-weiss gestrichelte Linie zu erkennen. Wir haben es zwischen den kälteren und wärmeren Regionen nur mit einer Temperaturdifferenz von 2 Grad zu tun, doch dieser Unterschied kann ausreichen, um die Luftmasse zu labilisieren. Eine erste Labilisierungszone streift den Norden der Schweiz am frühen Freitagmorgen, eine zweite zieht am Freitagabend über uns hinweg. Dies sind die beiden Termine, an denen Gewitterbildungen zu erwarten sind. Jene am Morgen sind nicht an die Berge gebunden und können auch im Flachland auftreten, in der zweiten Tageshälfte ist die Orographie wieder bestimmend: Schwerpunkte dürften der Alpenhauptkamm, der Hochjura und der Schwarzwald bilden. Die Gewitter entstehen als lokal begrenzte Einzelzellen, die jedoch enorm heftige Begleiterscheinungen wie grösseren Hagel, eng eingegrenzte Sturmböen in Form von Downbursts sowie enorme Regenmengen in sehr kurzer Zeit hervorbringen. Da die Gewitter zudem langsam ziehen, ist die Gefahr von lokalen Überflutungen erhöht. In den meisten Regionen bleibt es jedoch trocken.
Am Samstag stabilisiert sich die Atmosphäre wieder: In der Höhe fliesst trockenere und im 500-hPa-Niveau wärmere (-10 bis -9 °C) Luft ein. Auch der Bodendruck steigt, und damit ist die Gewittergefahr wieder stark reduziert und beschränkt sich auf vereinzelte kurze Entladungen hauptsächlich in den Hochalpen.
Die nächste feuchtere Phase bahnt sich im Lauf des Sonntags an, es wird aber wahrscheinlich Abend oder sogar Nacht, bis sie sich bei uns auswirkt:
Zu sehen ist eine Tiefdruckrinne im Bodendruckfeld, die sich von Ostdeutschland über das Elsass bis zum Rhonetal erstreckt, gekoppelt an sehr energiereiche, sprich schwüle Luft (dunkelrot). Noch ist nicht ganz klar, ob dies für verbreitete Auslöse reicht, denn der nach wie vor starke Höhenrücken liegt genau über der Schweiz und deckelt die Atmosphäre. Dort, wo der Deckel durchbrochen wird, ist jedoch mit sehr heftigen Entwicklungen und hohem Unwetterpotenzial zu rechnen.
Am Montag stabilisiert sich die Lage, indem in den unteren Luftschichten etwas „kühlere“ Luft einsickert (Höchstwerte etwa 32 statt wie zuvor 35-38 Grad) und der Bodendruck von Westen her wieder steigt. Im Lauf des Dienstags wird es wahrscheinlich wieder kritischer, da heisser, feuchter und mit Annäherung einer Kaltfront von Westen her mit auffrischendem Südwestwind in der Höhe gescherter. Der genaue zeitliche Ablauf ist allerdings noch sehr unsicher, die Kaltfrontpassage wird wohl irgendwann zwischen Dienstagnacht und Donnerstag früh erfolgen. Je nach tageszeitlichem Timing ist auch hier wieder mit Unwettern zu rechnen. Folgende Karte zeigt aber auch die Möglichkeit einer im Flachland weitgehend trockenen Kaltfrontpassage mit viel Wind und gewittrigem Stauregen am Alpennordhang, da sich am Boden bereits wieder ein Hochdruckkeil von Westen her reinschiebt:
Gut möglich also, dass der Mittwochabend mal so richtig zum Durchlüften einlädt. Allzu sehr darauf verlassen sollte man sich jedoch angesichts der noch langen Prognosezeitspanne allerdings nicht.
Hi Fabienne!
Danke einmal mehr für die regelmässige Gewittervorschau!
Es gibt jedoch etwas, das ich nicht wirklich begreife: Wenn ich mir die GEFS-Ensembles ansehe, ist durchgehend (ausser Mo.) mindestens 30 K Unterschied 850…500 hPA vorhanden, damit sollte die Labilität doch stets ausreichend sein?
Grüsse – Microwave
Du hast natürlich recht. Die Sache mit der Convective inhibition (CIN) aufzurechnen und hier darzulegen, wäre aber des Guten zu viel. Der Blog richtet sich ja nicht nur an Spezialisten 😉