Der September ist der April des Herbstes – man weiss nie was man bekommt, oft auch wenige Tage zuvor nicht. Zwischen spätsommerlichen, in Ausnahmefällen sogar hochsommerlichen Phasen und frühen Wintereinbrüchen liegen oft nur wenige Tage. Vermeintlich beständige Grosswetterlagen können innerhalb kürzester Zeit völlig umschlagen, sicher geglaubte Mittelfristprognosen am nächsten Tag bereits wieder Makulatur sein. Nicht selten haben dabei ehemalige Tropenstürme ihre Hand im Spiel. Nämlich dann, wenn sie über dem Atlantik in die Westwinddrift aufgenommen werden und zwar als normale Tiefs, oft aber mit einem Rest tropischer Luftmasse im Schlepptau die Temperaturgegensätze auf geringer Distanz verstärken und damit eine schwierig zu prognostizierende Kettenreaktion in Gang setzen. Ein solches Szenario, verursacht durch den ehemaligen Tropensturm „Henri“ (der entgegen anders lautenden Berichten nie ein Hurrikan war), bestimmt in den nächsten Tagen unser Wettergeschehen.
Das seit Tagen stationär über den Britischen Inseln rotierende Zentraltief bindet den ehemaligen Tropensturm „Henri“ in der Nacht auf Mittwoch in seine zyklonale Strömung (gegen den Uhrzeigersinn) ein. Man erkennt in der Karte oben gut die tropische Luftmasse, die als rote Schleppe in das Tief gesogen wird, während auf der Rückseite des Zentraltiefs polare Luftmassen (blau) aus Norden einfliessen. Die dadurch entstehenden markanten Temperaturgegensätze von über 15 Grad auf engem Raum lassen das Tief erneut erstarken. Sobald es auf die Trogvorderseite gelangt, befindet es sich zusätzlich unter dem divergierenden Jetstream. Vereinfacht gesagt, strömt dort in rund 9 km Höhe die Luft auseinander und saugt Luft von unten nach, am Boden vertieft sich der Druck weiter. GFS zeigt für Mittwochnachmittag einen Kerndruck von 982 hPa über dem Ärmelkanal, die meisten anderen Modelle gehen sogar leicht unter 980 hPa. Bei gleichzeitig hohem Druck südöstlich der Alpen entsteht ein starkes Luftdruckgefälle: Föhn stellt sich ein.
Die Windkarte vom Mittwochnachmittag zeigt die Südströmung in rund 1400 m Höhe über die Alpen sehr deutlich. Der Modellwind wird zu schwach dargestellt, weil das Gebirge in die modellierte Fläche hineinragt. Die gezeigten Windstärken westlich und östlich der Alpen geben die realen Verhältnisse wider, die auch über den Alpen herrschen, ja dort durch Überströmungs- und Kanalisierungseffekte lokal sogar stärker sein können. Mit orkanartigen Böen (um 110 km/h) ist in den typischen Föhntälern zu rechnen, gegen Abend kann der Föhn stellenweise sogar ins benachbarte Mittelland bzw. Alpenvorland ausgreifen. Die Temperaturen steigen dabei lokal bis maximal 28 Grad. Durch den starken Höhenwind und die feuchte Luftmasse ist damit zu rechnen, dass sich kein „sauberer“ Föhn einstellt, also immer wieder dichte Wolkenpakete über die Alpen geblasen werden und Regen zeitweise über den Alpenhauptkamm drüber schwappt.
Am Donnerstagmittag erreicht die Kaltfront die Schweiz und der Föhn bricht hier am Nachmittag zusammen. Bodennah ist mit starkem Westwind zu rechnen, dabei werden stürmische Böen bis in die Niederungen gemischt:
Die Bodenkaltfront eilt dabei der Höhenkaltluft weit voraus, diese erreicht die Schweiz erst in der Nacht auf Freitag. Somit wird es nur schwer zu konvektiven Umlagerungen kommen, gewittrige Einsprengsel in den durchaus kräftigen Regen bilden also die Ausnahme. Da sich das Zentraltief über den Britischen Inseln nur sehr langsam nach Osten bewegt und der jetzt als Randtief agierende „Henri“ nach Norden zieht, bleibt die Front über der Schweiz und Westösterreich stehen. Die Druckwelle am Boden beendet zwar im bayerisch-österreichischen Alpenvorland die kurze Hitzewelle (im Raum Wien bis zu 33 Grad), Niederschlag kommt hier aber nur wenig an.
Die Niederschlagssummenkarte bis Freitagnacht zeigt eine für die Grosswetterlage „Tief Britische Inseln“ typische Verteilung mit nach Nord bis Nordost ziehenden Fronten und einem trockenen Osten. Erst mit der langsamen Verlagerung des Trogs nach Mitteleuropa wird es am Wochenende auch im Osten nass, während der Westen dann bereits unter steigendem Bodendruck in eine trockenere und deutlich kühlere Nordwest- bis Nordströmung gelangt und bei nächtlichem Aufklaren mit dem ersten Bodenfrost auch in tieferen Lagen rechnen muss. Wie schnell sich das sich über Mitteleuropa einnistende Tief auffüllt, ist derzeit noch nicht klar. Die Temperaturverhältnisse über dem Atlantik lassen aber eine rasche Regenerierung der alten Grosswetterlage als wahrscheinlich erscheinen. Möglicherweise spielt sich das Szenario also bereits in einer Woche nochmal ziemlich ähnlich ab – diesmal allerdings ohne tropischen Einfluss und daher auch etwas weniger turbulent.