Zwei lange Monate der Ereignislosigkeit in der Wetterküche (nimmt man den lästigen Kaltlufttropfen Mitte Oktober mal aus) neigen sich dem Ende zu – höchste Zeit also, die Meteorologen aus den wohlverdienten Herbstferien zurückzurufen! 😉 Längere Hochdruckphasen gehören zwar zum normalen Repertoire eines Herbstes, eine derart lange und vor allem extrem milde Hochdruckphase – zuletzt unterstützt durch zunehmenden Westwind – kommt jedoch selten vor. Umso interessanter ist die nun bevorstehende Umstellung der Grosswetterlage, markiert sie doch einen extremen Wechsel von der herbstlichen zur winterlichen Zirkulation der Nordhemisphäre. Hier sei allerdings gleich vorausgeschickt, dass die Nachhaltigkeit dieser Umstellung noch sehr umstritten ist. Zeigen doch die beiden führenden Modelle EZ und GFS völlig unterschiedliche Lösungen zum Ende der nächsten Woche, was die Entwicklung über dem Nordatlantik betrifft und somit auch, ob die Nordlage bei uns länger anhält oder ob sich der milde Westwind schon bald wieder zurück meldet.
Um die markante Umstellung der Wetterlage nachvollziehen zu können, lohnt sich ein Blick in die Höhenwind-Karten des Nordatlantiks vom Freitag:
Aktuell liegt Europa immer noch im seit bald zwei Wochen bestehenden Westwindgürtel, der sich allerdings in den letzten Tagen kontinuierlich nach Süden verschoben und zunehmend das ruhige Hochdruckwetter im Alpenraum verdrängt hat. Der über den zentralen Nordatlantik direkt auf Europa gerichtete Jetstream sieht völlig gesund aus und würde eine Fortsetzung des wechselhaften und milden Westwindwetters erwarten lassen. Das kleine, unscheinbare Hoch zwischen Neufundland und Grönland hat allerdings etwas dagegen: Es ist das Produkt der sehr milden Vorderseite eines markanten Ausbruchs von Polarluft auf den amerikanischen Kontinent. Es nimmt in der Folge eine Verbindung mit dem Azorenhoch auf und kappt somit die direkte Westwindzirkulation über den Nordatlantik. Der Jetstream muss sich einen neuen, viel weiter nördlich liegenden Weg suchen und bricht dann über Island nach Süden aus: Unsere Nordlage und somit der Wintereinbruch ist geboren.
Bevor der Nordwind jedoch die Oberhand gewinnt, dreht der Westwind bei uns noch mal richtig auf:
An der ersten Luftmassengrenze, welche die sehr milde Subtropenluft (gelb-hellgrün) von gemässigter Polarluft (hellblau) trennt, entwickelt sich über Nordfrankreich eine Welle, die seit Tagen je nach Modell und Lauf mal schwächer, mal stärker als eigenständiges Randtief gerechnet wird. Die oben gezeigte Version gehört zu den moderateren, bei welcher der Kerndruck über Süddeutschland am Freitagnachmittag 1005 hPa betragen soll. Andere Modelle wie etwa das englische UKMO gehen von einem Kerndruck von 1002 hPa aus, das deutsche ICON sieht ebenfalls 1002 hPa, aber noch deutlich südlicher direkt am Alpenrand. Die exakten Auswirkungen bezüglich Positionierung, Stärke und Dauer des Sturmfeldes sind daher auch zwei Tage vor dem Ereignis noch nicht restlos geklärt. Sicher ist, dass auf den Bergen verbreitet mit Orkanböen über 120 km/h zu rechnen ist, die exponiertesten Gipfel können durchaus auch 150 km/h und mehr aufweisen. Die Windspitzen in den Niederungen dürften zwischen 70 und 90 km/h liegen, was zugegebenermassen eine grosse Spannweite darstellt. Jedenfalls liegt man auf der sicheren Seite, wenn man zuvor lose Gegenstände sichert und sich am Freitag von Wäldern und morschen Bäumen fernhält.
Nicht zu vernachlässigen ist der Niederschlag, der aufgrund der schleifenden Front und den Weststau-Effekten sowie der Tatsache, dass wir wahrscheinlich bis Samstag früh auf der warmen Seite verbleiben werden, recht ergiebig ausfällt. Die ersten 50 bis 80 mm werden bis Freitagnacht unterhalb von 1800 bis 2000 m als Regen fallen, erst ab Samstagmorgen sinkt die Schneefallgrenze dann allerdings recht rasch bis in tiefe Lagen, wobei die Intensität des Niederschlags vor allem im Mittelland deutlich nachlässt.
Im Lauf des Samstags bildet sich über Norditalien ein Leetief, das die Bodendruck-Differenz zwischen Nord und Süd markant vertieft. Unterstützt von dem auf Nordwest drehenden Höhenwind wird in den Tälern der Alpensüdseite stürmischer Nordföhn auftreten. Auch nördlich der Alpen bringt das zweite Randtief am Abend noch mal stürmische Böen aus Nordwest. Im Nordstau der Alpen schneit es jetzt bis in die Niederungen, wenn auch mit nachlassender Intensität. Im Flachland ist bis Sonntagabend immer wieder mit kräftigen Schneeregen- und Graupelschauern zu rechnen, auch Gewitter liegen im Bereich des Möglichen.
In der Folge drehen weitere Randtiefs ihre Runden um den mitteleuropäischen Trog und bringen uns am Montag und Dienstag abwechslungsreiches, winterliches und zeitweise windiges Winterwetter. Genaue zeitliche Abläufe sind aufgrund der kleinen Strukturen in der Tiefabfolge noch nicht festzulegen. Sollte eine ruhigere Phase auf die Nachtstunden fallen, kann es zu den ersten empfindlichen Frösten der Saison kommen.