Manch einer mag sich jetzt wundern, warum der Titel dieses Blogs nicht wie im Sommer üblich eine Gewittervorschau für eine ganze Woche ankündigt. Nun, wenn noch nicht mal die Grosswetterlage für Anfang nächster Woche bestimmt werden kann, ist es wenig sinnvoll sich über Gewitterwahrscheinlichkeiten den Kopf zu zerbrechen. Doch eines steht fest: Wir verabschieden uns wie fast alljährlich pünktlich zu Mitte August vom Hochsommer. Bereits in den letzten Tagen konnte man feststellen, dass sich das Licht verändert. Und trotz schwüler Luftmasse geschieht verhältnismässig wenig. Beim Sonnenstand von Anfang Juli wäre da ein ganz anderes Orchester aufgezogen als die paar wenigen Zellen, die zwar punktuell ordentlich geschüttet haben, aber bezüglich Blitzintensität in der Schwachstromliga spielten. Der Boden erwärmt sich aufgrund der schwächeren Sonneneinstrahlung bereits deutlich weniger stark, gleichzeitig ist die Höhenluft relativ warm. Da kann noch so viel Energie vorhanden sein, ohne Labilität zündet es eben nur punktuell und hauptsächlich orographisch unterstützt. Oder es braucht eine starke Front, die sich nicht am hohen Geopotenzial totläuft. Eine solche erreicht uns am Freitagabend.
Die Karte mit der Übersicht auf die europäische Wetterküche in rund 5500 m Höhe zeigt viele interessante Details:
Da wäre – dem Muster des Hochsommers 2017 treu bleibend – wieder mal eine Südwestlage, wobei sich deren Ende soeben abzeichnet. Das kräftige Tief bei Schottland steuert zwei rasch aufeinander folgende aktive Kaltfronten nach Mitteleuropa, dahinter wird es auf dem Atlantik chaotisch. Einerseits ist am Nordrand des Höhenrückens der Rest des Hurricanes GERT eingebettet, andererseits entwickelt sich inmitten des Azorenhochs ein subtropisches Tief. Dazu später mehr, denn es ist für die mittelfristige Entwicklung interessant, was dort genau geschieht.
Konzentrieren wir uns zunächst auf das, was in der Kurzfrist als gesichert gilt: Die Kaltfronten am Freitagabend und in der Nacht auf Samstag. In der folgenden Karte kann man die beiden Fronten anhand der Luftmassen-Klassifikation gut identifizieren:
Die erste Front steht am Freitagabend genau über der Alpennordseite und trennt sehr energiereiche Subtropenluft (rot) von gemässigter Atlantikluft (gelb). Die zweite Front, welche Polarluft (grün) nach sich zieht, folgt nur etwa 6 Stunden später. Erst mit ihr erreicht uns auch Höhenkaltluft, was bedeutet, dass die Labilität in allen Phasen ungefähr dieselbe bleibt. Vom Energiepotenzial ist die erste Front wie üblich die gefährlichere, das zeigt der Blick auf die Karte mit dem ausfällbaren Wasser:
Über 40 Liter pro Quadratmeter stehen in der Luftsäule bereit. Wenn sich das auf mehrere Stunden verteilt, ist das schon ordentlich viel. Bei einem dynamischen Kaltfrontdurchgang kann das aber in viel kürzerer Zeit runterkommen. Somit geht die Hauptgefahr am Freitagabend von Sturzfluten aus, die lokal wahrscheinlich wieder grössere Schäden anrichten dürften. Es spielt aber noch ein zweiter Faktor mit, nämlich der Wind:
Der Wind in mittleren Höhen ist nicht aussergewöhnlich stark, doch die Gesamtsituation mit auf Nordwest drehendem Wind riecht stark nach einem heftigen Kaltfront-Joran am Jurasüdfuss. Eilt die Druckwelle der Front voraus, kann dies bedeuten dass die Gewitter in Juranähe und im nördlichen Mittelland gar nicht mal so heftig ausfallen, sondern einfach im Nachgefolge der Front kräftiger Regen begleitet von starkem Wind aufzieht. Bei solchen Lagen zündet es, wo die energiereiche Luft durch den Schub aus Nordwesten in Richtung Alpen gehoben wird. Das beginnt in der Regel bereits dort, wo das Mittelland in die höhere Hügelzone übergeht. Mit Südwestwind von 80-90 km/h in 3000 m Höhe ziehen die dort entstehenden Zellen sehr rasch; dass diese Windstärke böig zum Boden runtergemischt wird, ist zu erwarten. Auch ist die Hagelgefahr aufgrund der starken Scherung nicht zu unterschätzen. Wir haben es also mit einer potenziell sehr gefährlichen Lage zu tun, zumal das tageszeitliche Timing stimmt. Wobei diesmal die Sonneneinstrahlung (möglicherweise am Nachmittag bereits viel hohes Gewölk) gar nicht mal so sehr entscheidend ist: Die Luft vor der Front ist energiereich genug und braucht nicht noch zusätzlichen Treibstoff. Die zweite Kaltfront in der Nacht bringt tagesgangbedingt wahrscheinlich nur vereinzelt in den Dauerregen eingebettete Blitze, die Niederschlagsmengen dürften aber am Alpennordhang beträchtlich sein. Die Schneefallgrenze sinkt zum Samstagmorgen auf etwa 2500 m.
Der Vorteil dieses dynamischen Frontdurchgangs ist, dass es entgegen früherer Prognosen nicht das ganze Wochenende nass bleibt. Am Samstag hängen noch viele Restwolken rum und in den zentralen und östlichen Bergen regnet und schneit es noch länger, sonst trocknet es von Westen her bald ab. Am Sonntag wirkt bereits das nachrückende Hoch. Nach recht frischem Start erwärmt die Sonne tagsüber die eingeflossene Kaltluft bereits wieder auf über 20 Grad und der Montag dürfte der stabilste und sonnigste Tag mit angenehmen Sommertemperaturen werden.
Und danach? Schaut und urteilt selbst:
Wie soll man bei solch völlig gegensätzlichen Druckmustern eine Prognose erstellen? Dienstag und Mittwoch ist von stabilem, sehr warmem Spätsommerwetter über schwachem Kaltfrontdurchgang bis zu einer nachfolgend kühlen Nordstaulage alles möglich. Es zeigt sich einmal mehr: Sobald der Hochsommer vorbei ist, kann man keiner Mittelfristprognose mehr trauen. Dazu trägt nicht nur die Unsicherheit der eingangs erwähnten Ex-Hurricanes bei. In diesem Jahr ist die Konstellation mit den Wassertemperaturen im Nordatlantik speziell:
Südwestlich der Azoren liegt eine sehr warme Wasserblase mit 28 Grad, während die Wassertemperatur rund um die Kanaren nur etwa 22 Grad beträgt. Ein gewisses West-Ost-Gefälle ist dort zwar normal, doch aktuell ist es gegenüber dem langjährigen Mittel besonders ausgeprägt:
Südwestlich der Azoren ist das Wasser derzeit etwa 2 Grad wärmer als normal, östlich davon um den selben Betrag kälter. Solche Temperaturdifferenzen auf relativ engem Raum sind nicht gerade zuträglich für das Azorenhoch. Wir haben in der Übersichtskarte am Anfang des Beitrags auf das Tief hingewiesen, das sich inmitten des Azorenhochs entwickelt. Je nach Modell schwächt dies das Azorenhoch nachhaltig, indem an dieser Stelle regelmässig neue Tiefs entstehen, oder das Azorenhoch verlagert sich nach Norden um sich dort zu ungewohnter Stärke aufzuplustern. Der Unterschied der Auswirkungen dieser beiden Szenarien für Europa ist gewaltig: Relativ ruhige, spätsommerliche Flachdruck- oder sogar Hochdrucklage vs. unbeständige und kühle Nordwest- und Troglagen. Was sich schlussendlich durchsetzen wird, hängt wohl von den zahlreichen tropischen Tiefdrucksystemen ab, die sich derzeit bereitmachen und das Zünglein an der Waage spielen könnten…