Seltsame Blüten treibt er, dieser Frühling 2018. Wollte er im März gar nicht in die Gänge kommen, beeindruckte er im April durch häufige Süd- und Hochdrucklagen. Die nordhemisphärische Zirkulation bleibt auch im Mai massiv gestört. Meridionale Zirkulationsmuster treten Frühling zwar am häufigsten auf, doch die andauernde Blockade ist dieses Jahr doch sehr aussergewöhnlich. Der im April noch häufig über Mittel- und Osteuropa herrschende Hochdruckblock hat sich langsam nach Norden verschoben und sitzt nun festgetackert über Skandinavien, wo fast täglich neue Mai-Rekorde bei den Höchstwerten gemeldet werden. Und bei uns hat sich ganz schleichend, durch eine bisige Hochnebellage ganz untypisch für den Frühling durch die Hintertür eine permanente Gewitterlage eingerichtet, deren Ende nicht absehbar ist.
Schauen wir uns die Grosswetterlage am besten anhand der Verteilung der Druckgebiete und der Winde in rund 5500 m Höhe in Europa an:
Zwischen dem bereits erwähnten Skandinavienhoch und dem Azorenhoch bildet sich eine Hochdruckbrücke über die britischen Inseln hinweg, welche die atlantischen Strömungen blockieren. Europa bleibt damit auch in den nächsten Tagen von jeglichen Angriffen der Westwindzirkulation abgeriegelt. Hin und wieder weist diese Brücke eine Schwachstelle auf, was es einem kleinen Tief erlaubt, nach Süden in Richtung westliches Mittelmeer abzutropfen. Diese „Eier“ irren in der Folge orientierungslos, da von Höhenströmungen abgeschnürt, irgendwo über Süd- und Mitteleuropa herum und sorgen mal für mehr, mal für weniger Labilität, bringen aber auch immer wieder genug Feuchte mit sich. Ein Ende des daraus resultierenden gepflegten Waschküchenwetters könnte allenfalls von Nordosten her drohen, wenn kontinentale Polarluft bis nach Mitteleuropa vordringt. Diese aktuell vom GFS-Hauptlauf bevorzugte Variante ist allerdings in den Ensembles und der globalen Modellwelt in der deutlichen Minderheit. Was bedeutet, dass wir noch einige Zeit mit der vorherrschenden Nordostlage mit zyklonalem Einschlag leben müssen. Wir verbleiben in recht warmen, mässig feuchten und ausreichend labilen Luftmassen:
Die Ensembles für den Gitterpunkt im Berner Seeland zeigen einen Anstieg der Temperaturen in rund 1500 m Höhe auf jahreszeitlich überdurchschnittliches Niveau, zudem wird das Tagesgangwetter mit Niederschlägen jeweils in der zweiten Tageshälfte gut abgebildet. Erst zum Ende der Woche nimmt die Unsicherheit mit der bereits oben erwähnten Möglichkeit des Einfliessens kühlerer und trockenerer Luftmassen aus Nordosten etwas zu:
Für Samstag bis Donnerstag bleiben die Bedingungen für Gewitterbildungen somit im groben Muster gleich: Die im Mittelland lagernde mässige Feuchte (Nebel/Hochnebel in den Morgenstunden!) wird durch die starke Sonneneinstrahlung und somit einsetzender Thermik im Lauf des Vormittags in die Voralpen reingezogen, unterstützt durch etwas Bise. Bereits um die Mittagszeit bilden sich die ersten kleinräumigen Schauer und Gewitter über dem schneebefreiten Relief (niedrigere Voralpenhügel und besonnte Südhänge der höheren Voralpen), die sich aufgrund der nahezu fehlenden Höhenströmung kaum von der Stelle bewegen. Somit sind die vom Niederschlag betroffenen Gebiete zwar sehr eng begrenzt, doch können während der ungefähr einstündigen Lebensdauer einer Gewitterzelle durchaus schadenträchtige Niederschlagsmengen inklusive kleinkörnigem Hagel auftreten. Kommt hinzu, dass sich bei solchen Lagen die Zellen an immer derselben Stelle wieder neu bilden können, man also lokal durchaus von drei Gewittern in Folge getroffen werden kann, während es wenige Kilometer abseits ganztags trocken bleibt.
Am späteren Nachmittag können die Voralpen-Gewitter etwas verclustern, womit eine Eigendynamik in Gang kommt. Ist nämlich mal genug kalter Outflow vorhanden, können auch im zentralen Mittelland Konvergenzen mit der Bise und in der Nordschweiz welche mit dem durch den Oberrheingraben vorherrschenden Nordwind sowie Outflow von Schwarzwald-Gewittern entstehen. Es würde daher nicht erstaunen, wenn am Abend der Aargau und die Nordwestschweiz zu einem neuen Hotspot werden.
Diese Szenarien werden sich von Tag zu Tag ein wenig ändern, weshalb es völlig unsinnig wäre, hier zu sehr über die Abläufe der folgenden Tage zu spekulieren. Durch herumziehende schwache Höhen- und Bodentiefs verändern sich sowohl Höhen- wie Bodenströmungen täglich, wenn nicht sogar im Verlauf eines Tages stetig und lassen Gewitterschwerpunkte und -zugbahnen recht willkürlich erscheinen. So ist zum Beispiel am Montag schwacher Föhneinfluss möglich, am Dienstag ein wenig Westwind, bevor sich die Bisenlage wieder zurückmeldet. Was sich allerdings ändert, ist der Energiegehalt der Luftmasse. Durch die starke Sonneneinstrahlung (wir befinden uns nur noch einen Monat vor dem jährlichen Sonnenhöchststand!) erwärmt sich die Luftmasse von Tag zu Tag. Da sich Boden- und Höhenluft etwa in gleichem Mass erwärmen, bleibt die Labilität über den gesamten Zeitraum ungefähr gleich. Auf die Enstehungsbedingungen von Gewittern hat dies wenig Auswirkungen, allerdings können sie heftiger (stärkerer Niederschlag, mehr Hagel, stärkere Windböen, blitzintensiver) und langlebiger werden. Und sollte sich nicht die derzeit noch unwahrscheinlichere Variante der Abkühlung aus Nordosten durchsetzen, geht das auch zum nächsten Wochenende einfach so weiter… Warm-feuchte Ostlage open end? Das Thema Trockenheit im Alpenvorland ist jedenfalls mal vom Tisch…