Allmählich scheint sich ein Ende der längsten zusammenhängenden Hitzewelle seit dem Ausnahmesommer 2003 abzuzeichnen – allerdings kommt die Abkühlung in Raten und ist noch mit einigen Unsicherheiten verbunden. Das Interessante dabei ist für uns, dass mit diesem Abstottern anstelle eines einmaligen Ausräumens der Heissluft nun doch eine Serie von spannenden Gewitterlagen ansteht. Dabei ist ein bisschen von allem vorhanden: Dynamische Kaltfronten ebenso wie chaotische Entwicklungen in nahezu stehender Luft. Dabei gilt es allerdings schon zu beachten, dass nun mit jedem Schritt der Hochsommercharakter und somit die Heftigkeit etwas verloren geht. Der im August nun spürbare Rückgang von Tageslänge und Energieeintrag macht sich allmählich auch bei der „Qualität“ der Gewitter bemerkbar. Dieser Wermutstropfen wird dadurch wettgemacht, dass mit täglich anderen Ausgangsbedingungen viel Abwechslung und Spannung im Spiel ist.
Die Karte mit den grossräumigen Druckgebilden und Strömungen in etwa 5500 m Höhe (Titelbild) zeigt auf, dass der lange dominierende Hochdruckblock über Skandinavien wegerodiert wurde und sich nun doch eine allmähliche Zonalisierung – also eine Rückkehr zu westdominierter Zirkulation – einstellt. Allerdings steht die Westdrift noch auf schwachen Füssen: Vor den Westküsten Europas ist bereits der Beginn einer Austrogung zu sehen, begünstigt durch das starke Gefälle der Wassertemperatur zwischen zentralem Nordatlantik und den Randmeeren. Die noch schwache Westlage wird somit immer wieder durch Trog Westeuropa unterbrochen, wobei noch nicht so ganz klar ist, ob diese Tröge mit der Zeit auch nachhaltig auf den Kontinent übergreifen können – was die Voraussetzung für eine dauerhafte Abkühlung wäre. Wenden wir uns aber der etwas gesicherteren Kurzfrist zu:
Ebenfalls auf der Titelgrafik ist zu sehen, dass sich der Alpenraum am Montag direkt unter einer schwachwindigen Zone mit gleichzeitiger Ausbildung eines kleinen Höhentrögleins befindet. Am Boden verliert das Hoch über Zentraleuropa zum Abend allmählich den Einfluss auf die Schweiz. Weder am Boden, noch in mittleren und höheren Luftschichten ist nennenswerte Bewegung auszumachen. Bei gleichzeitig extrem energiereicher Luft ist das Pulverfass voll, fehlt also nur noch der sprichwörtliche Funke. Dieser ist heute mit der starken Sonneneinstrahlung gegeben, und als Zündschnur dienen die Gebirge, wo es als erstes auslöst. Ohne diese würde nämlich mit hoher Wahrscheinlichkeit überhaupt nichts passieren, zu stark ist die Lage gedeckelt. Nun könnte man meinen: typische Berg-Gewitterlage, im Flachland trocken – doch der Schein trügt. Die ersten Gewitter in den Alpen und Voralpen (ev. auch im Jura) können nämlich heftig genug sein, um kräftige Outflows auszulösen. Sofern diese die „richtigen“ Wege finden und im Mittelland aufeinander stossen, entstehen kräftige Konvergenzen, welche die aufgeheizte Suppe in die Höhe drücken. Damit entstehen scheinbar zufällig und chaotisch irgendwo im Flachland neue Gewitter, welche wiederum Outflows produzieren usw… Ein COSMO-Lauf vom Sonntagabend hat Kettenreaktionen gerechnet, die dem Szenario auf einem Billardtisch ähneln. Aufgrund der schwachen Verlagerung und geringen Scherung liegt die Hauptgefahr in lokalen Überflutungen und kräftigen Downbursts bis hin zu schweren Sturmböen. Hagel sollte unter diesen Bedingungen eher kleinkörnig bleiben, kann jedoch beachtliche Dichten erreichen.
Am Dienstag ändert sich insofern etwas, als dass sich über Frankreich mit der Entwicklung des Troges über dem nahen Atlantik am Boden das erste Randtief bildet. Somit kommt in der zweiten Tageshälfte in mittleren Lagen Südwestwind auf:
Ansonsten haben wir dieselbe Luftmasse wie am Montag, es braucht also wieder die Auslöse in den Bergen. Doch diesmal läuft es in geordneteren Bahnen ab: Zumindest im Jura werden die Zellen die klassische Südwestschiene fahren, also mit hoher Wahrscheinlichkeit in die Nordwestschweiz hinaus ziehen. Aus den Alpen und Voralpen heraus ist die Zuggeschwindigkeit deutlich geringer, hier werden Neuentwicklungen wahrscheinlich erneut hauptsächlich durch die Outflows aus den Tälern ins Mittelland geprägt sein. Die Gefahrenlage bleibt in Alpennähe gleich wie am Montag, in Juranähe ist hingegen auch grösserer Hagel möglich.
An dieser Situation ändert sich am Mittwoch vorerst noch nichts, der westeuropäische Trog rückt allerdings langsam näher und damit nimmt in der Höhe auch der Südwest- bis Südwind zu. Abzuwarten bleibt, was aus Südwesten eventuell an Clustern importiert wird, welche die klassischen tageszeitlichen Abläufe etwas durcheinander bringen können. In den Ostalpen kann es allmählich leicht föhnig werden.
Richtig spannend wird es am Donnerstag mit der aufrückenden Kaltfront:
Für Details ist es auf drei Tage hinaus noch zu früh: Zu sehr können Föhneinfluss, Wellenbildungen in der Front und Verzögerungen das Timing beeinflussen. Jedenfalls muss hier das Augenmerk auf potenziell heftige Entwicklungen gerichtet werden. Je nachdem zu welcher Tageszeit und mit welcher Geschwindigkeit die Front vorankommt, ist die Sturmgefahr durch eine vorauseilende Druckwelle hervorzuheben. Dass ein derartiger Luftmassenwechsel allgemein mit heftigen Gewittern und Hagel einhergehen kann, ist wahrscheinlich bekannt. Wir empfehlen die zeitnahe Konsultation des Donnerradars mit bei Bedarf laufend aktualisierten Kurzwetterberichten bzw. Unwetterwarnungen.
Am Freitag ist dann mal durchlüften und durchschnaufen angesagt. Erstmals seit fast zwei Wochen bleibt die Temperatur in weiten Teilen der Schweiz unter 25 Grad. Die Reste der Front ziehen wahrscheinlich im Tagesverlauf nach Osten ab und es wird im Mittelland rasch wieder trocken und zeitweise sonnig, entlang des zentralen und östlichen Alpennordhangs halten sich noch länger Wolken mit etwas Regen.
Die Abkühlung ist allerdings nicht von langer Dauer. Nach den aktuellen Unterlagen stellt sich am Samstag ruhiges Hochdruckwetter mit erneut hochsommerlichen Temperaturen ein. Am Sonntag ist bereits wieder die 30-Grad-Marke in Reichweite, bei den wärmsten Modellberechnungen mit 18-20 Grad in 850 hPa kann sie auch wieder überschritten werden:
Ob bereits im Lauf des Sonntags oder erst am Montag die nächste Kaltfront folgt, schauen wir uns dann besser zeitnah an.