Seit Tagen spukte der Titel für den heutigen Blogbeitrag im Kopf herum: Sturm- und Schneevorschau. Der Sturm ist geblieben, das mit dem Schnee dürfte man – wenn überhaupt – nur noch mit einem Fragezeichen versehen, zumindest wenn wir über die Niederungen sprechen wollen. Einmal mehr haben uns die Modelle über eine Woche hinweg einen satten Wintereinbruch vorgegaukelt, der sich nun – schwuppdiwupps! – ins Nichts aufgelöst hat. In Wetterforen werden solche Lagen, die immer nur in den Mittelfristmodellen zu sehen sind, aber nie wirklich oder höchstens in abgeschwächter Form eintreffen, als Möhren oder Rüebli bezeichnet – analog zum Bild mit dem Esel, der dem Rüebli hinterherläuft, das vor seiner Nase baumelt und doch unerreichbar bleibt. Nun ist klar: Das neueste Winter-Rüebli wird als Suppe serviert: flüssig und lauwarm. Freuen können sich hingegen die östlichen Nachbarn und in der Schweiz zumindest die höheren Lagen, wo doch einiges an Schnee zu erwarten ist. Für die Flachlandbewohner bleiben der lange ersehnte Regen, um endlich die Flusspegel wieder auf Normalniveau zu bringen, und ein paar stürmische Nächte.
Um zu verstehen, was sich in den nächsten Tagen in Mitteleuropa abspielt, ist ein Blick aus der Distanz auf das Grosse und Ganze hilfreich. Schauen wir mal von oben auf den Nordpol, wie sich die aktuelle Lage präsentiert:
Noch vor zwei Wochen hätte ihm das kaum jemand zugetraut: Der Polarwirbel präsentiert sich kugelrund und wohlgenährt, ein echter Wonneproppen, als hätte es Frühling/Sommer/Herbst 2018 nie gegeben. Zu sehen ist der Wind in rund 9000 m Höhe mit dem Jetstream (rot), der sich über dem Atlantik so gesund wie lange nicht mehr zeigt. Wir haben die für uns relevanten Teile numeriert: 1) die Westwindlage des kommenden Wochenendes; 2) die Bruchstelle, die uns den Wintereinbruch hätte bescheren sollen und 3) der nächste, inzwischen noch viel stärkere Abschnitt des Jetstreams, der nächste Woche unser Winter-Rüebli überfahren und zur Suppe pürieren wird. Zoomen wir rein auf Atlantik und Europa, um die Details zu betrachten:
Um deutlich zu machen, wo unser Wetter herkommt, ist die Abfolge der Luftmassen eingetragen, die uns in den nächsten Tagen erreichen. Den Anfang macht heute Freitagnacht eine Kaltfront (Grenze von grün zu blau), die nachfolgende kühle Luftmasse prägt den Samstag mit Schauern in fester Form bis etwa 500 Meter. Der Warmsektor des nächsten Tiefs rauscht bereits in der Nacht auf Sonntag heran. Er wird auf dem Weg zu uns zwar zusehends schmaler, reicht aber aus, um die Schneefallgrenze am Sonntagmorgen noch mal kurz gegen 1500 m steigen zu lassen. Der vereinigte Tiefdruckkomplex über der Nordsee zapft dann die Polarluft östlich von Grönland an (unser berühmtes Rüebli), doch zieht das Tief so weit nach Osten, dass die kälteste Luft östlich an uns vorbeirauscht. Nach aktuellem Stand liegt die Zone mit Schnee bis in die tiefsten Lagen am Montag und Dienstag ab ungefähr Salzburg ostwärts. Zu dieser Zeit rückt von Westen bereits der von Höhenwarmluft gestützte Hochdruckkeil auf (auf der Karte ganz im Westen zu sehen). Dieser wird – statt sich zum Blockadehoch über dem Ostatlantik aufzuplustern – vom nachfolgenden Tiefdruckkomplex zerquetscht und aufgerieben. Es bleibt ein kleines, für Mitteleuropa unwichtiges Hoch, das sich rasch über Skandinavien hinweg nach Nordrussland vertschüsst und den Weg für die nächste Westlage frei macht.
Nach diesem Exkurs zur Grosswetterlage können wir uns den Details und dem eigentlichen Thema zuwenden:
Sturm Nr. 1, Freitagabend: Auf der Vorderseite der Kaltfront legt der Südwestwind immer mehr zu und beschert uns noch einmal sehr milde Verhältnisse. Am späten Abend erreicht uns die Höhenkaltluft, sodass sich an der Kaltfront kurz vor Mitternacht durchaus Gewitter bilden können – so linienhaft organisiert wie am vergangenen Montag wird es aber wahrscheinlich nicht. Trotzdem ist wieder mit ähnlich starken Böen zu rechnen: 60-75 km/h werden es wohl verbreitet. Von Basel dem Hochrhein entlang bis zum Bodensee können mit Kanalisierungseffekten und an exponierten Stellen durchaus lokal Böen von 100 km/h auftreten, im Mittelland werden solche Spitzen wahrscheinlich nur auf den höheren Hügeln erreicht. Die Schneefallgrenze sinkt in der Nacht rasch ab, die nachfolgenden Schauer können durchaus auch in tiefen Lagen mal etwas Pflotsch liegenlassen. Bereits im Lauf des Samstags zieht die Höhenkaltluft nach Osten weiter und die Schauer werden weniger, die Schneefallgrenze steigt dabei schon wieder etwas an. Dabei bleibt es aber ganztags windig, in Schauernähe liegt noch die eine oder andere Sturmböe drin.
Sturm Nr. 2, Nacht auf Sonntag:
Wir sehen hier einen noch etwas stärkeren Höhenwind als Freitagnacht. Da es sich aber um einen Warmsektorsturm handelt, lässt vor allem der „ungünstige“ Zeitpunkt in den kühleren Nachtstunden noch einige Fragezeichen offen. Bei etwas Sonnenschein und guter Durchmischung tagsüber müsste man von einem schweren Sturm ausgehen. Es wird vor allem davon abhängen, ob sich am Vorabend bei vorübergehendem Aufklaren im Mittelland eine Kaltluftschicht ausbilden kann. Falls ja, wird es der Höhenwind schwer haben, bis zum Boden durchzugreifen. Auch Regen (der momentan allerdings nur schwach gerechnet wird) wirkt auf die Durchmischung bremsend. Momentan würde ich von einem schwereren Sturmereignis vor allem auf den Bergen und Hügeln ausgehen, doch erfordert die Lage eine genauere Beurteilung kurz vor dem Eintreffen: Also allfällige Sturmwarnung am Samstagabend beachten! Was die Kaltfront am Sonntagmorgen bringen wird, muss man ebenfalls noch abwarten. Wie organisiert ist die Linie, vertieft sich die Welle unter Umständen oder gibt es eine Verzögerung? Jedenfalls bleibt der Sonntag spannend und mit -30° in 500 hPa zieht eine Luftmasse über uns, die in jedem Fall für musikalische Überraschungen sorgen kann, zumal es am Boden gar nicht mal so stark auskühlt. Die Schneefallgrenze wird in der zweiten Tageshälfte auf etwa 800 m zu liegen kommen.
Der Montag bringt mit Winddrehung auf Nordwest permanenten Feuchtenachschub. Für den Alpennordhang bedeutet dies Dauerregen oder besser gesagt Dauerschneefall, wobei es in den Tälern mit Niederschlagsabkühlung wahrscheinlich bald einmal bis ganz runter schneit. Im Mittelland sieht es etwas anders aus:
Wir sehen die 18er-Linie, welche eine Schneefallgrenze bei etwa 500 m erwarten lässt, komplett ausserhalb der Schweiz, wahrscheinlich kommt sie also bei etwa 700 m zu liegen – im Westen möglicherweise noch höher. Das letzte Wort ist hier aber wohl noch nicht gesprochen, wenn man sich den recht deutlichen Gradienten nordwestlich von uns vor Augen hält. Rückt das Hoch etwas näher auf, ist es im Mittelland endgültig aus mit den Winterträumen. Mit etwas mehr Tiefdruckeinfluss kann die kühlere und feuchtere Luftmasse aber durchaus noch ein paar Kilometer nach Westen gutmachen (die Hoffnung stirbt zuletzt). Allerdings gilt es festzuhalten: Es wäre so oder so nur ein kurzes Vergnügen. Der nachrückende Hochdruckkeil (die Warmfront ist ganz im Westen bereits zu erkennen) wird die Schneefallgrenze bereits im Lauf des Mittwochs wieder auf 1000 m oder sogar höher steigen lassen – sofern denn überhaupt nennenswerter Niederschlag fällt. Klart es wegen des Warmfront-Wolkenschirms nicht auf, liegt nicht mal ein ordentlicher Nachtfrost drin. Und dann heisst es: Überraschen lassen, was die nächste Westwindlage bringt.