Wetter-Webcams gibt es wie Sand am Meer. In der Schweiz allein findet man mehrere hundert, wenn nicht über tausend Standorte, an welchen das lokale Wetter anhand eines Webcam-Bildes oder eines Zeitraffer-Filmes beurteilt werden kann. Bei den allermeisten Kameras gibt es jedoch Einschränkungen. Je nach Sonnenstand wird ein Teil des Bildes vom Sonnenlicht überstrahlt und erscheint weiss. Und in der Nacht sieht man kein vernünftiges Bild, sondern nur schwarz oder Rauschen. Aber die Bildqualität von modernen Webcams hat dank Verbesserungen der Bildsensoren und Software deutliche Fortschritte erzielt. Somit stellt sich folgende Frage: gibt es die universelle, kostengünstige Wetter-Webcam, welche
1. auch in der Nacht ein gutes Wolkenbild liefert?
2. in der Lage ist, die Überstrahlung durch das Sonnenlicht effektiv zu korrigieren?
Nach dem Defekt einer alten Kamera haben wir uns entschlossen, die Webcams in Stallikon und Aeugst zu ersetzen. Unsere Wahl fiel dabei auf die 180 Grad Panorama Cam von Milesight. Der Werbeprospekt des Modells verspricht einiges, unter anderem:
– eine gute Pixel-Auflösung (2560×1440 Pixel)
– ein verzerrungs-korrigiertes Bild
– eine Korrektur der Überstrahlung durch helle Lichtquellen
– eine hohe Empfindlichkeit bei Nachtaufnahmen
Nach der Installation wurde schnell klar, dass die beiden letztgenannten Eigenschaften – die Überstrahlungs-Korrektur und der Nachtbildmodus – die Bildqualität gegenüber den Vorgängermodellen markant verbessern. In dieser Rezension konzentrieren wir uns auf diese beiden Eigenschaften.
Überstrahlungs-Korrektur
Webcams haben in der Regel Mühe, die Details der hellsten und dunkelsten Bildstellen wiederzugeben. Zur Verbesserung der Wiedergabe stehen u.a. Techniken zur Verfügung, welche mit den Abkürzungen BLC, HLC und WDR bezeichnet werden. Wir verweisen auf die Google-Suche für eine Beschreibung dieser Techniken. Alle drei Verfahren können in der neuen Kamera konfiguriert werden. Interessant ist vor allem der Modus HLC, welcher die durch die Sonne überstrahlten Bereiche dunkler macht und so die Wolkenstrukturen in der Nachbarschaft der Sonne sichtbar machen kann. Dieser Modus bietet zwei Optionen: „General“ und „Enhanced“ sowie einen Schiebebalken. Für die Korrektur des Sonnenlichts empfehlen sich die Einstellungen „General“ und „0“ (Position ganz links) des Schiebebalkens. Wir zeigen einen Vergleich der drei Modi anhand von Bildern der Webcam Sellenbüren:
Insgesamt überzeugt der Modus HLC am meisten, was die Ausgewogenheit der Helligkeitsabstufung und die Darstellung der Feinstrukturen im Nachbarbereich der Sonne angeht. Auf der Negativseite steht eine manchmal etwas unnatürliche Veränderung des Farbspektrums, welche mehr oder weniger grosse Bildteile erfassen kann. Bei sehr niederem Sonnenstand kann ein gelblicher Farbstich auftreten, und bei höherem Sonnenstand kann die Farbgebung in Sonnennähe ins Gräuliche mutieren. Der am Wetter interessierte Betrachter wird sich an diesen Effekten kaum gross stören.
Nachtbild
Sobald die Lichtstärke einen gewissen Schwellenwert unterschreitet, wechselt der Bildmodus automatisch auf ein Graustufenbild. Bei Tagesanbruch wird wieder auf ein Farbbild umgestellt. Leider lässt sich der massgebende Schwellenwert für die Umstellung nicht einstellen, obwohl diese Option im Handbuch dokumentiert ist. Wir haben wiederum getestet, welcher der drei Bildmodi (BLC, HLC und WDR) das bestmögliche Nachtbild liefert und haben eine klare Antwort gefunden: es ist der Modus BLC, verwendet mit der Einstellung „Minimum Shutter = 1“ im Menu „Image –> Day/Night Mode“. Mit dieser Einstellung wird die maximale Belichtungszeit auf eine Sekunde eingestellt. Die beiden anderen Modi kann man vergessen, entweder ist das Bild verrauscht oder zu dunkel.
Die Bildqualität des so konfigurierten Nachtbildes ist erstaunlich stabil. Auch wenn das Mondlicht fehlt, ist kaum ein Abfall der Bildqualität auszumachen. Der folgende Zeitraffervideo zeigt die nächtliche Bildung von Bodennebel, die Umstellung von Graustufen zu Farbbildern in der Morgendämmerung und die Auflösung des Nebels am Vormittag.
Installation
Die Kamera wird via PoE mit einem Router verbunden und so ins lokale Netzwerk eingebettet. Die Montage ist einfach, die Ausrichtung mit einem wenig griffigen schwarzen Drehring etwas knifflig. Wenn man diesen Ring zudreht, bewegt sich die Kamera mit, es braucht also beide Hände und etwas Fummelarbeit, auch Kontrollblicke auf das Webcam-Bild, um die gewünschte Position der Kamera zu fixieren. Am besten stellt man die Kamera so ein, dass der imaginäre Horizont auf Standorthöhe in der Bildmitte liegt. Dann erscheint er auf dem Bild gerade. Ist die Kamera schräg nach oben oder nach unten gerichtet, dann wird der imaginäre Horizont gekrümmt, was bei einem Bildwinkel von 180 Grad nicht weiter erstaunt.
Zeitrafferfilme
Ein Kleincomputer (Raspberry Pi) greift sich das Webcambild alle 10 Sekunden und erstellt aus der Bildsequenz Zeitrafferfilme, welche online auf der Webseite https://www.meteoradar.ch/webcam
angeschaut werden können. Bis anhin wurde die Anzeige des Webcambildes und der Filme eine Stunde vor Sonnenaufgang bis eine Stunde nach Sonnenuntergang aktiviert. Die aktive Aufnahmeperiode der Webcam Sellenbüren (Panorama-Modus) wurde nun auf 22 Stunden pro Tag verlängert: von 01 Uhr morgens bis 23 Uhr abends, so dass der grösste Teil der Nacht auf den Bildern und den Zeitrafferfilmen eingesehen werden kann.
Fazit
Unsere Erwartungen an die neue Webcam werden deutlich übertroffen. Die Nachtbilder und Filme geben praxisrelevante meteorologische Zusatzinformationen zur Bewölkung und zur Nebelbildung. Tagsüber kann die Bewölkung auch in Sonnenähe praktisch ungestört verfolgt werden. Damit mausert sich der Gerätetyp zu einer universellen, Tag und Nacht aktiven Beobachtungsstation des Lokalwetters. Die Möglichkeiten zur automatisierten Bildverarbeitung (z.B. Nebelerkennung) eröffnen interessante Perspektiven für die Zukunft.
Bravo, sieht ganz toll aus! Es würde mich interessieren, mit welchem Programm auf dem Raspberry Pi aufgenommen wird und wie die Zeitraffer-Aufnahmen ins Web eingebunden werden. Selbst programmiert? PHP 7.3 fähig?
Viel Erfolg!!!
Mit wget wird alle 10 Sekunden ein Webcam-Bild abgelegt. Aus der Bildserie werden dann mit ffmpeg die Zeitraffer-Filme (.mp4, h.264) erstellt und mit rsync auf den Webserver kopiert. Zur Steuerung dieser Tools werden PHP-Skripts verwendet, welche mit crontab zeitgerecht gestartet werden. Die Skripts wurden typischerweise mit PHP 5.6 erstellt und laufen schon einige Jahre. Die Migration auf PHP 7.3 sollte eigentlich ohne fundamentale Fallstricke möglich sein.