Gewittervorschau 21.-26.06.2022

Der berüchtigte Hagelzug, der am 20.06.2021 fast durch die ganze Schweiz zog, hier südlich von Bern

Nachdem am Wochenende der bisherige Hitzerekord für Juni von 36.9 °C egalisiert wurde (allerdings acht Tage früher als damals 1947), sorgt jetzt eine Anfeuchtung der Luftmasse für zwar etwas niedrigere Tageshöchstwerte, dafür steigt der Schwülefaktor und Restwolken von Gewittern verhindern die nächtliche Abkühlung. Wirklich angenehmer wird es also nicht und mit der zunehmenden Feuchte steigt auch das Risiko von heftigen Gewittern, die anders als noch am Sonntag und Montag auch vermehrt das Flachland betreffen werden. Wann dieses Saunawetter ein Ende haben wird, ist derzeit noch nicht ganz sicher. Am wahrscheinlichsten ist aus heutiger Sicht ein Kaltfrontdurchgang am Freitag oder Samstag. So einen hätte es allerdings bereits letzten Sonntag geben sollen, gekommen ist er am Montagabend ganz seicht und fast unbemerkt, weil trocken und eigentlich nur an der Winddrehung auf Nordwest und einem leichten Temperaturrückgang in der Nordschweiz feststellbar. Es wäre also nicht überraschend, wenn auch die nächste Abkühlung bis zum Wochenende noch verschoben wird. Bis dahin ist weiterhin schwitzen angesagt.

Die grossräumige Wetterlage präsentiert sich heute Dienstag wie folgt:

Wir sehen eine weit nach Norden verschobene atlantische Westwindzone, deren Austrogung über Nordost-Mitteleuropa nur marginalen Einfluss auf unser Wetter hat. Vielmehr für uns bestimmend ist das Höhentief vor Portugal, das sich dort hartnäckig seit einer Woche hält und beständig mal mehr, mal weniger feuchte Subtropikluft aus süd-südwestlicher Richtung zu den Alpen schaufelt. Diese Lage bleibt mit nur unwesentlichen Änderungen bis mindestens Donnerstag bestehen.

Leider bieten uns auch heute die bereits während der ganzen bisherigen Saison unstetigen Modelle mehr Rätsel als Lösungen an. Während Arome und Cosmo für Dienstagabend recht konstant zwei Gewitterzüge auf der Jura- und der Voralpenschiene präsentieren, hüpft ICON-D2 hin und her und ist aktuell wieder der Meinung, dass in weiten Teilen der Schweiz gar nichts passiert – ausser einem kleinen Cluster ziemlich tief in den Alpen drin. In der Tat ist es möglich, dass die heute Mittag in Juranähe durchziehenden Schauer (es sind Reste von morgendlichen Gewittern in Frankreich) der Atmosphäre den nötigen Saft rausnehmen, darauf verlassen sollte man sich aber nicht. Warm und feucht genug ist die Luftmasse, und wenn am Nachmittag die Sonne noch genügend aufheizt, ist die Suppe rasch aufgekocht. Zudem besteht durch die starke Windzunahme in der Höhe ein Potenzial für mittelgrossen Hagel. Die recht schnell ziehenden Gewitter dürften zudem für Sturmböen sorgen. Dieses Szenario ist zumindest für mich das plausiblere, wobei ich das Potenzial für Unwetter am ehesten in Voralpennähe bzw. im südlichen Mittelland sehe.

Der Mittwoch zeigt sich eher durchzogen und wird daher mit nur wenig über 25 Grad wohl der „kühlste“ Tag der Woche. Am Morgen zieht ein massiveres Feuchtepaket mit Regen und eingelagerten Gewittern von Südwest nach Nordost und wird wohl weite Teile der Alpennordseite mal etwas bewässern. Am frühen Nachmittag soll es aber aufreissen und so kann die Sonne die abgelagerte Feuchtigkeit gleich wieder in die Atmosphäre hochsaugen, erneute Gewitterentwicklungen werden also nicht ausbleiben. Da die Modelle für einmal recht einig sind, sei die mögliche Verteilung hier gezeigt:

Das sieht aufgrund der tageszeitlichen Vorgeschichte und weil der Höhenwind deutlich abschwächt eher nach gemässigten Gewittern denn nach Unwettern aus, Vorsicht ist allerdings trotzdem angebracht.

Am Donnerstag ist die Lage unverändert mit dem kleinen Unterschied, dass die Luftmasse wieder etwas wärmer und somit energiereicher wird. Wahrscheinlich hängen am Morgen noch Reste der Gewitter vom Vorabend herum bzw. ziehen allmählich nach Osten ab, danach wird es tagsüber recht sonnig und drückend schwül bei Höchstwerten um 30 Grad. Der Höhenwind steilt etwas auf und somit werden Gewitter aus den Alpen ins Mittelland hinaus ziehen. Wie produktiv auch der Jura für die Region Basel sein wird, ist noch unsicher: Bekanntlich ist das Feuchteangebot des Bodens dort derzeit äusserst bescheiden und inwiefern sich das in den nächsten Tagen ändert, ist noch offen.

Am Freitag gibt es eine nicht unwesentliche Änderung der Wetterlage:

Das alte Höhentief über der Biskaya wird von einem neuen Trog über der Irischen See einverleibt, aus dem bisherigen Trog Westeuropa wird ein Tief Britische Inseln. Das Ganze bringt etwas Schwung in die festgefahrene Lage, wahrscheinlich aber auch nur, um die nächste festgefahrene Situation einzuleiten – man beachte das blockierende Hoch über Osteuropa… Das Problem bei dieser Wetterlage: Recht zuverlässig stellt sich eine markante Luftmassengrenze irgendwo über Frankreich oder der Schweiz und Westdeutschland ein – man weiss leider nur nicht wo genau und wenige 100 km können zwischen Hitze und Kühle entscheiden. Entsprechend tischen die Modelle auch allerlei Lösungen auf: Die aktuell wahrscheinlichste Variante ist ein Kaltfrontdurchgang am Freitag mit viel (gewittrigem) Regen und deutlicher Abkühlung. Es gibt aber auch Rechnungen, die uns auf der schwülen Vorderseite mit hohem Unwetterpotenzial belassen und die Südströmung am Wochenende noch mal verstärken, es stünde also die nächste Hitzeschlacht an, Föhneinschübe inklusive. Es ist müssig, weiter darüber zu spekulieren und so verweise ich einmal mehr auf die kurzfristigen Aktualisierungen des Wetterberichts auf meteoradar.ch

Zum Schluss noch etwas in eigener Sache: Mit diesem 142. Beitrag im Wetterblog von meteoradar ist es für mich Zeit, Abschied zu nehmen; in Zukunft übernimmt das Team von Meteotest. Ich möchte an dieser Stelle der Leserschaft für elf Jahre Treue und die vielen wohlwollenden Kommentare danken. Ein ganz besonderer Dank geht an den Gründer und bisherigen Geschäftsführer von meteoradar, Willi Schmid, der mit seinen Aufträgen und der Vermittlung von weiteren Kunden einen wichtigen Anteil zu meiner Selbstständigkeit als Meteorologin beigetragen hat. Ich wünsche ihm von Herzen alles Gute für seinen wohlverdienten Ruhestand, vor allem beste Gesundheit und viel Musse, um seiner Passion – der Fotografie – noch möglichst lange frönen zu können.

Gewittervorschau Pfingsten 2022

Das Potenzial für mittelgrossen Hagel ist an diesem Pfingstwochenende gegeben

Das Wetter an Pfingsten macht seltsamerweise weniger Schlagzeilen als etwa jenes an Weihnachten oder Ostern – vielleicht weil mit diesem Fest einfach weniger Bräuche verbunden sind, für die unbedingt das Wetter für passende Stimmung zu sorgen hat. Dabei ist es nicht weniger interessant: Blicke ich bis in meine Jugend zurück, dann kommen unzählige Erinnerungen an völlig verschiffte Pfingsten auf. Alle, die in irgend einer Form an den jährlichen Pfingstlagern teilgenommen haben oder Eltern von solchen Kindern und Jugendlichen sind, können wahrscheinlich Anekdoten über Schlammschlachten in den Zeltlagern zum Besten geben. Egal ob mit Eisheiligen oder Schafskälte verbunden oder mit der ersten hochsommerlichen Gewitterlage – nass ist es eigentlich fast immer an mindestens einem der drei Tage dieses verlängerten Wochenendes. Das soll auch im Jahr 2022 nicht anders sein, schliesslich ist Frühsommer, die niederschlagsreichste Jahreszeit in unseren Gefilden.

Blicken wir zunächst auf die grossräumige Ausgangslage:

Wir befinden uns im Übergang zwischen einer zyklonalen Westlage (beeinflusst durch den Tiefdruckkomplex über Nordeuropa) zu einer Südlage (beeinflusst durch den Trog über Westeuropa). Wir sehen eine antizyklonal gekrümmte südwestliche Höhenströmung über dem Alpenraum. Da diese jedoch nur vorübergehender Natur ist, reicht es nicht für die Kategorisierung einer GWL Südwest antizyklonal, da eine Grosswetterlage mindestens drei Tage dauern muss. Für Freitag und Samstag ist aber der Wettercharakter ähnlich einer SWa-Lage. Darin eingelagert sehen wir in rötlichen Tönen ein Hebungsgebiet, das im Lauf des Freitagnachmittags über die Schweiz zieht. Diese Randstörung ist einer der Gründe, die für unwetterartige Entwicklungen spricht, der zweite ist die energiereiche Luftmasse, warm und vor allem feucht. Und der dritte im Bunde ist die starke Scherung (Richtungswechsel des Windes von Süd/Südost am Boden zu Südwest in der Höhe einerseits und starke Windzunahme in der Höhe andererseits), die für langlebige Gewitter inkl. Superzellen spricht:

Quelle: meteociel.fr, Modell Arome 03.06.2022 00z, Gitterpunkt zentrales Mittelland für Freitag 17 Uhr MESZ

Es gibt aber auch hemmende Faktoren: Trockenere Luftschichten in rund 1500 m als Folge von leichtem Föhneinfluss und vor allem oberhalb von 6000 m. Entsprechend tun sich die Modelle schwer und zeigen mit jedem Lauf eine völlig andere Variante. Wenig Verständnis bei dieser Lage habe ich für jene Rechnungen, die starke Entwicklungen aus den zentralen Alpen heraus nach Nordosten sehen. Da sind aus Erfahrung jene Varianten mit Entwicklungen im Jura, westlichen Mittelland und den westlichen Voralpen plausibler, die nach Nordosten ziehen und dann stellt sich die Frage: Wie weit kommen sie? Bei stärkerem Föhn würde ich sagen: Die gehen irgendwo im östlichen Mittelland ein, doch heute scheint der Föhn zu schwach um dort die Luftmasse genug auszutrocknen. Also dürfte die Konvergenz zwischen Föhn und Südwestwind an den östlichen Voralpen die Sache wohl eher noch verstärken. Das grösste Potenzial für Unwetter mit Sturmböen und mittelgrossem Hagel ist somit wohl nebst der Juraschiene und den westlichen Voralpen bis zum Napfgebiet vor allem in der Nordostschweiz vorhanden. Am Abend soll es sich rasch beruhigen, allerdings können in der Nacht noch Gewitterreste aus Frankreich durchziehen.

Am Samstag sieht die Sache relativ entspannt aus: Der Höhenrücken verstärkt sich noch mal, und ohne Randstörung fällt auch der wichtigste Trigger weg. Meist ist es sonnig, auch wenn Schleierwolken mit etwas Saharastaub nicht gerade einen blankgeputzen Himmel erwarten lassen. Allenfalls können in den Bergen durch orographische Effekte einzelne kurze Schauer und Gewitter entstehen, aber selbst das ist nicht sicher.

Am Sonntag zieht das Tief über Westeuropa über die BeNeLux-Staaten hinweg nach Nordosten, der Höhenrücken über den Alpen wird etwas nach Osten abgedrängt und bereits um die Mittagszeit steht die Kaltfront des Tiefs am Jura:

Das riecht nach Joran und stablisierendem Nordwestwind im Mittelland. Dieser Wind drückt allerdings die noch vorhandene schwüle Luftmasse an den Voralpen nach oben und dürfte somit verbreitet Gewitter am gesamten Alpennordhang auslösen. Da der Höhenwind immer noch aus Südwest weht, können somit auf immer derselben Zugbahn mehrere Gewitter dieselben Regionen treffen. Nebst Hagel ist dann auch der wiederholte Starkregen ein Problem, vor allem in den östlichen Voralpen. Der aus Westen steigende Bodendruck sollte hingegen die Lage in der westlichen Landeshälfte rasch beruhigen.

Am Montag bleibt die Luftmassengrenze in den unteren Luftschichten an den Alpen stehen. Weil aber gleichzeitig die Höhenkaltluft im Nordwesten nicht näher rücken soll, ist die Labilität nur noch mässig. Will heissen: Dort, wo noch schwüle Luftmassen lagern (also inneralpin und im Süden) können noch mal Gewitter entstehen, auf der Alpennordseite sollte sich die Aktivität mit gemässigten Schauern in Grenzen halten. Da das mit der Luftmassengrenze aber auf Kante genäht ist und man nie genau weiss, ob CutOff-Tiefs es sich nicht plötzlich bezüglich der Zugbahn noch anders überlegen, kann sich die Sache bis in drei Tagen auch noch etwas anders entwickeln. Man muss die Lage also im Auge behalten.

Bis zur Wochenmitte schwenkt dann die Kaltluft dieses Tiefs über uns hinweg und sorgt für eine „Schafskälte light“ mit unbeständigem Schauerwetter. Am Donnerstag und Freitag soll sich allmählich wieder mehr Hochdruckeinfluss bei gemässigten Sommertemperaturen durchsetzen. Und weil es im Frühsommer eigentlich fast nie lange stabil bleiben kann, ist die nächste Gewitterlage genau aufs Wochenende recht wahrscheinlich. Also auch wenn Pfingsten in diesem Jahr eine Woche später wäre: Die Schütte wäre dennoch vorprogrammiert.