Eines fällt in diesem Sommer auf: Immer, wenn wir von potenziell gefährlichen Gewitterlagen schreiben, dann hat der Jetstream seine Finger im Spiel. In diesem Jahr ist er ein besonders launischer Geselle: Er kann sich nicht entscheiden, ob er schwach oder stark sein und ob er sich in nördlicheren oder südlicheren Gefilden wohl fühlen möchte. Was zur Folge hat, dass sämtliche Versuche, den Trend über mehr als eine Woche vorhersagen zu wollen, kläglich scheitern lässt. Also lassen wir diesmal das Spekulieren über die Mittelfrist und konzentrieren uns auf die nächsten Tage, die bringen nämlich durchaus genug Spannung in die Wetterküche. Oder sollten wir besser Waschküche sagen? Sauna wäre auch kein unpassender Begriff für das, was uns erwartet. Einzig ob und wann der Sprung ins kalte Wasser folgt, ist diesmal noch völlig offen. Jedenfalls sollte man jene Prognosen, die eine stabile Hochsommerphase für die nächsten Wochen herbeireden, mit einer gesunden Portion Skepsis betrachten.
Schauen wir auf die grossräumigen Strömungen in den höheren Luftschichten, so fällt uns einmal mehr ein scharfer Trog auf. Diesmal bildet er sich über Westeuropa aus, sodass wir am Freitag auf seiner Vorderseite in eine sehr warme und zunehmend feuchte Süd- bis Südwestströmung geraten:
Zuvor erholt sich jedoch am Donnerstagabend hinter der Okklusion vom Morgen noch mal der Hochdruckrücken. Auf der folgenden Karte ist die Trog-Keil-Trog-Abfolge gut zu erkennen (schwarze Linien):
Über dem Dreiländereck DE/AT/CZ ist der Knick im Hochdruckrücken zu sehen, der in der Nacht auf Donnerstag über uns hinweg gezogen ist, begleitet von einer Okklusion, die einen Luftmassenwechsel brachte. Zwar haben sich die bodennahen Luftschichten etwas abgekühlt, ausgeglichen wird der Energiegehalt aber durch die höhere Feuchtigkeit gegenüber Mittwoch. Warm-feucht statt trocken-heiss sieht auf den Theta-e-Karten nahezu gleich aus, das Verhalten dieser unterschiedlichen Charaktere ist aber derart verschieden, dass sie bei der Prognose der zu erwartenden Gewittertypen eine Rolle spielen. Waren am Mittwochabend vereinzelt sehr explosive, überraschend auftretende, aber kurzlebige Hitzegewitter ein Thema, rücken nun mesoskalige Systeme mit gemächlicherem Aufbau und höherem Potenzial für Überflutungen in den Vordergrund.
Die Erholung des Hochdruckrückens sorgt nun aber im Lauf des Donnerstags dazu, dass die Gewitterneigung gegen Abend allmählich abnimmt. Dazu trägt auch die von -12 auf -10 Grad steigende Temperatur im 500 hPa-Niveau bei. Die etwas stabilere Schichtung bewirkt, dass sich Gewitter am Abend nur noch mit orographischer Unterstützung über den Bergen bilden. Die WSW-Strömung sorgt zudem dafür, dass über den Voralpen entstehende Zellen nicht ins Mittelland hinaus laufen können.
Wie schon eingangs erwähnt, dreht die Höhenströmung im Lauf des Freitags auf Südwest bis Süd, ist aber eher schwach ausgeprägt, da der Trog im Westen sich bereits anschickt, abzutropfen. Damit kommt er auch nicht richtig nach Osten voran, sondern zieht sich zunehmend in südlicher Richtung in die Länge. Eine aus Westen aufziehende Kaltfront verliert somit an Schwung und kommt am Abend direkt über der Schweiz zum Stillstand:
Rückseitig kann bodennah etwas kühlere Luft über den Jura ins Mittelland einfliessen, doch in der Höhe bleibt uns die sehr warme und feuchte Südwestströmung erhalten. Darin eingebettet ziehen immer wieder Gewittercluster aus den Alpen und aus Südfrankreich nach Nordosten. Zeitliche Abfolge und genaue Zugbahnen sind mehr als sechs Stunden im Voraus so gut wie unprognostizierbar. Die Hauptgefahr liegt in relativ grossen und intensiven Niederschlagsgebieten, die sich über ein paar Stunden hinweg über derselben Region austoben können, da die Höhenströmung als folge des sich abzeichnenden CutOff-Prozesses relativ schwach ist und die Systeme nur langsam ziehen.
Auf den Samstag ändert sich die Situation kaum:
Die schwach ausgeprägten Bodendruckfelder mit einem schwachen Tief über Deutschland bringen kaum Bewegung in den Sumpf. Inneralpin halten sich die energiereichen Luftmassen besonders hartnäckig, sodass sich hier nach wie vor kräftige Gewitter bilden können. Die Trogachse kommt in der zweiten Tageshälfte genau über der Schweiz zu liegen, sodass Gewitter in der Ostschweiz nach Norden, in der Westschweiz hingegen nach Süden ziehen können. Dazwischen herrscht so gut wie Stillstand, was stationäre Zellen mit ortsfestem Starkregen hervorbringen kann. Kaum nötig zu erwähnen, dass eine nur geringfügige Verschiebung der Trogachse die lokalen Strömungsverhältnisse völlig auf den Kopf stellen kann. Die perfekte Fettnäpfchen-Wetterlage für Meteorologen, und das ausgerechnet am Wochenende in der Ferienzeit mit zahlreichen Freilichtanlässen!
Die in den letzten Tagen versprochene Wetterberuhigung ab Sonntag steht auf wackligen Füssen, da der Trog über der Schweiz liegenbleibt und sich das Abtropftief nur langsam nach Süden verlagert:
Man sieht zwar von Westen ein sich zögerlich nähernder Hochdruckkeil und wieder eine langsame Stabilisierung der Atmosphäre, doch die feucht-warme Luftmasse im Alpenraum bleibt liegen und erwärmt sich bei zunehmendem Sonnenschein. Sollte sich also nicht noch etwas Unvorhergesehenes entwickeln, so bleibt es in der ersten Wochenhälfte gewitteranfällig. Wobei das Mittelland wohl unter etwas Hochdruckeinfluss eher verschont bliebe, doch in den Bergen ist der tägliche Regenguss mit „Musik“ wohl ein Muss. Extreme Hitze entwickelt sich daraus zwar nicht, doch aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit ist das Schwüle-Empfinden trotzdem eher unangenehm.
Ein Ende könnte diesem Zustand ein Luftmassenwechsel zum Donnerstag mit kühlerer Atlantikluft aus Nordwesten bereiten. Doch eingangs wurde dargelegt, weshalb Spekulationen über eine Woche hinweg derzeit wenig sinnvoll sind.