Gewittervorschau Pfingsten 2022

Das Potenzial für mittelgrossen Hagel ist an diesem Pfingstwochenende gegeben

Das Wetter an Pfingsten macht seltsamerweise weniger Schlagzeilen als etwa jenes an Weihnachten oder Ostern – vielleicht weil mit diesem Fest einfach weniger Bräuche verbunden sind, für die unbedingt das Wetter für passende Stimmung zu sorgen hat. Dabei ist es nicht weniger interessant: Blicke ich bis in meine Jugend zurück, dann kommen unzählige Erinnerungen an völlig verschiffte Pfingsten auf. Alle, die in irgend einer Form an den jährlichen Pfingstlagern teilgenommen haben oder Eltern von solchen Kindern und Jugendlichen sind, können wahrscheinlich Anekdoten über Schlammschlachten in den Zeltlagern zum Besten geben. Egal ob mit Eisheiligen oder Schafskälte verbunden oder mit der ersten hochsommerlichen Gewitterlage – nass ist es eigentlich fast immer an mindestens einem der drei Tage dieses verlängerten Wochenendes. Das soll auch im Jahr 2022 nicht anders sein, schliesslich ist Frühsommer, die niederschlagsreichste Jahreszeit in unseren Gefilden.

Blicken wir zunächst auf die grossräumige Ausgangslage:

Wir befinden uns im Übergang zwischen einer zyklonalen Westlage (beeinflusst durch den Tiefdruckkomplex über Nordeuropa) zu einer Südlage (beeinflusst durch den Trog über Westeuropa). Wir sehen eine antizyklonal gekrümmte südwestliche Höhenströmung über dem Alpenraum. Da diese jedoch nur vorübergehender Natur ist, reicht es nicht für die Kategorisierung einer GWL Südwest antizyklonal, da eine Grosswetterlage mindestens drei Tage dauern muss. Für Freitag und Samstag ist aber der Wettercharakter ähnlich einer SWa-Lage. Darin eingelagert sehen wir in rötlichen Tönen ein Hebungsgebiet, das im Lauf des Freitagnachmittags über die Schweiz zieht. Diese Randstörung ist einer der Gründe, die für unwetterartige Entwicklungen spricht, der zweite ist die energiereiche Luftmasse, warm und vor allem feucht. Und der dritte im Bunde ist die starke Scherung (Richtungswechsel des Windes von Süd/Südost am Boden zu Südwest in der Höhe einerseits und starke Windzunahme in der Höhe andererseits), die für langlebige Gewitter inkl. Superzellen spricht:

Quelle: meteociel.fr, Modell Arome 03.06.2022 00z, Gitterpunkt zentrales Mittelland für Freitag 17 Uhr MESZ

Es gibt aber auch hemmende Faktoren: Trockenere Luftschichten in rund 1500 m als Folge von leichtem Föhneinfluss und vor allem oberhalb von 6000 m. Entsprechend tun sich die Modelle schwer und zeigen mit jedem Lauf eine völlig andere Variante. Wenig Verständnis bei dieser Lage habe ich für jene Rechnungen, die starke Entwicklungen aus den zentralen Alpen heraus nach Nordosten sehen. Da sind aus Erfahrung jene Varianten mit Entwicklungen im Jura, westlichen Mittelland und den westlichen Voralpen plausibler, die nach Nordosten ziehen und dann stellt sich die Frage: Wie weit kommen sie? Bei stärkerem Föhn würde ich sagen: Die gehen irgendwo im östlichen Mittelland ein, doch heute scheint der Föhn zu schwach um dort die Luftmasse genug auszutrocknen. Also dürfte die Konvergenz zwischen Föhn und Südwestwind an den östlichen Voralpen die Sache wohl eher noch verstärken. Das grösste Potenzial für Unwetter mit Sturmböen und mittelgrossem Hagel ist somit wohl nebst der Juraschiene und den westlichen Voralpen bis zum Napfgebiet vor allem in der Nordostschweiz vorhanden. Am Abend soll es sich rasch beruhigen, allerdings können in der Nacht noch Gewitterreste aus Frankreich durchziehen.

Am Samstag sieht die Sache relativ entspannt aus: Der Höhenrücken verstärkt sich noch mal, und ohne Randstörung fällt auch der wichtigste Trigger weg. Meist ist es sonnig, auch wenn Schleierwolken mit etwas Saharastaub nicht gerade einen blankgeputzen Himmel erwarten lassen. Allenfalls können in den Bergen durch orographische Effekte einzelne kurze Schauer und Gewitter entstehen, aber selbst das ist nicht sicher.

Am Sonntag zieht das Tief über Westeuropa über die BeNeLux-Staaten hinweg nach Nordosten, der Höhenrücken über den Alpen wird etwas nach Osten abgedrängt und bereits um die Mittagszeit steht die Kaltfront des Tiefs am Jura:

Das riecht nach Joran und stablisierendem Nordwestwind im Mittelland. Dieser Wind drückt allerdings die noch vorhandene schwüle Luftmasse an den Voralpen nach oben und dürfte somit verbreitet Gewitter am gesamten Alpennordhang auslösen. Da der Höhenwind immer noch aus Südwest weht, können somit auf immer derselben Zugbahn mehrere Gewitter dieselben Regionen treffen. Nebst Hagel ist dann auch der wiederholte Starkregen ein Problem, vor allem in den östlichen Voralpen. Der aus Westen steigende Bodendruck sollte hingegen die Lage in der westlichen Landeshälfte rasch beruhigen.

Am Montag bleibt die Luftmassengrenze in den unteren Luftschichten an den Alpen stehen. Weil aber gleichzeitig die Höhenkaltluft im Nordwesten nicht näher rücken soll, ist die Labilität nur noch mässig. Will heissen: Dort, wo noch schwüle Luftmassen lagern (also inneralpin und im Süden) können noch mal Gewitter entstehen, auf der Alpennordseite sollte sich die Aktivität mit gemässigten Schauern in Grenzen halten. Da das mit der Luftmassengrenze aber auf Kante genäht ist und man nie genau weiss, ob CutOff-Tiefs es sich nicht plötzlich bezüglich der Zugbahn noch anders überlegen, kann sich die Sache bis in drei Tagen auch noch etwas anders entwickeln. Man muss die Lage also im Auge behalten.

Bis zur Wochenmitte schwenkt dann die Kaltluft dieses Tiefs über uns hinweg und sorgt für eine „Schafskälte light“ mit unbeständigem Schauerwetter. Am Donnerstag und Freitag soll sich allmählich wieder mehr Hochdruckeinfluss bei gemässigten Sommertemperaturen durchsetzen. Und weil es im Frühsommer eigentlich fast nie lange stabil bleiben kann, ist die nächste Gewitterlage genau aufs Wochenende recht wahrscheinlich. Also auch wenn Pfingsten in diesem Jahr eine Woche später wäre: Die Schütte wäre dennoch vorprogrammiert.

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