In den vergangenen Tagen war es wieder häufiger ein Thema: Die in den Prognosen versprochenen Frühlingstemperaturen werden häufig bei weitem nicht oder erst deutlich verzögert erreicht. Die fürs Mittelland prognostizierten Tageshöchstwerte von 15 Grad werden oft nur knapp zweistellig – wenn überhaupt. Prognosen müssen immer wieder nach unten korrigiert werden. Nicht wenige fragen sich durchaus begründet, was mit den Wetterfröschen los ist.
Auch bei Tauwetterphasen im Winter ist die Diskussion um zu hohe Temperaturprognosen immer wieder entbrannt. Viele Wetterberichte versprechen mittelfristig flächendeckend milde Temperaturen, die dann meist nur an exponierten oder von Föhneffekten begünstigten Lagen erreicht werden. Die Bevölkerung in den Ballungsgebieten merkt davon aber nur selten etwas und ist zu Recht enttäuscht. Wie kann es immer wieder zu solchen Fehlprognosen kommen?
Zunächst muss auf die Gründe eingegangen werden, warum die Temperatur in den Niederungen trotz markanter Erwärmung in der Höhe nur sehr zögerlich ansteigt:
- Kaltluft ist dichter und schwerer als Warmluft und sammelt sich daher in Tälern, Mulden und Becken. Erwärmung in der Höhe bei Hochdrucklagen führt daher im Winterhalbjahr in der Regel zu einer Temperaturinversion, es bleiben Kaltluftseen liegen. An der Grenze zwischen warmer Luft in der Höhe und Kaltluft am Boden bildet sich Hochnebel, der die Sonneneinstrahlung stark einschränkt und die Erwärmung des Bodens verzögert. Das Schweizer Mittelland zwischen Jura und Alpen bildet einen solchen Kaltluftsee und ist daher besonders anfällig.
- Weiter spielt die Trägheit der Luft, Energie aufzunehmen, eine wichtige Rolle. Die Sonne erwärmt nämlich nicht die Luft direkt, sondern gibt die Energie in erster Linie an den Boden ab, welcher wiederum von unten die Luft erwärmt. Wird die Sonneneinstrahlung durch Wolken oder Nebel verringert, kann sich der Boden nur langsam erwärmen. Weiter ist die Bodenbeschaffenheit massgebend: Dunkle und trockene Flächen erwärmen sich rascher als helle und nasse. Schnee und Wasser reflektieren das Sonnenlicht (Albedo), ein Grossteil der Energie wird ins Weltall zurückgeworfen.
- Schmelz- und Verdunstungsprozesse entziehen der Umgebungsluft Energie. Wo Schnee liegt und erst geschmolzen werden muss, wo gefrorene Böden und Gewässer auftauen müssen und wo nasse Böden erst getrocknet werden müssen, wird die Energieabgabe vom Boden an die Luft stark verringert. Wenn die Luft über dem Boden mangels Wind nicht ausgetauscht wird, können diese Prozesse die Luft sogar weiter auskühlen und anfeuchten, im Extremfall bildet sich Nebel – womit wir wieder bei Punkt 1 wären.
- Ende Februar / Anfang März ist die Energiebilanz in unseren Breiten immer noch negativ. Nachts wird mehr Energie ins All abgestrahlt, als tagsüber von der Sonne aufgenommen wird, insbesondere in klaren Nächten. Die bodennahe Kaltluftproduktion findet daher immer noch statt, besonders ausgeprägt in Alpennähe, wo zusätzlich Kaltluft aus den höheren Tälern zuströmen kann.
Die heutigen, weit entwickelten Wettermodelle berücksichtigen all diese Faktoren zwar. Probleme gibt es aber offenbar in der Auflösung: Die Topografie zwischen Jura und Alpen, aber auch im Alpenvorland Bayerns und Österreichs wird von den Globalmodellen, welche für die Mittelfristprognose (3-10 Tage) herangezogen werden, unterschätzt. Viele Modelle rechnen den Bodenwind häufig zu stark, womit ein Ausräumen der bodennahen Kaltluft simuliert wird. In der Tat können wir beobachten, dass es an Tagen mit Hochdruck oder bei Tiefrandlagen im Mittelland nahezu windstill ist. Nebel löst sich nur verzögert auf oder es bleibt eine feuchte Dunstschicht zurück, die durch Schmelz- und Verdunstungsprozesse weiter angereichert wird. Die Temperaturen bleiben weit unter den Erwartungen, was meist erst in der Kurzfrist von den höher auflösenden Modellen erkannt wird.
Dieses Phänomen ist alle Jahre wieder zu beobachten, daher wäre es wichtig, wenn die Wettermodelle gerade in diese Richtung verbessert würden. Bis dahin dürfen Meteorologen nicht der Modellgläubigkeit verfallen und die prognostizierten Werte eins zu eins an die Kunden weitergeben, ansonsten wiederholte Enttäuschungen vorprogrammiert sind und die Glaubwürdigkeit leidet.
Interessanter Nebenaspekt dazu: Schnee reflektiert fast alles sichtbare Licht. Im nahen Infrarot absorbiert er aber sehr stark. Deshalb schmilzt Schnee durch direktes Sonnenlicht langsam. Wenn er aber zB. in der Nähe einer Wand liegt die sich erwärmt hat schmilzt er sehr schnell.
In der Zwischenzeit ist zwar der ganze Schnee im Mittelland geschmolzen, und noch immer werden die Frühlingsversprechen enttäuscht. Auffällig ist, dass die mittelfristigen Höchsttemperaturen von den hiesigen Wetterdiensten stets zu hoch prognostiziert werden. Tatsächlich ist der diesjährige März termperaturmässig vollkommen aus der Statistik gefallen. Da die Wettermodelle in der Regel eine statistische Komponente in die Prognosen miteinbeziehen, resultiert eine weitere Fehlerquelle. Tendenziell werden die Bodentemperaturen bei Wetterlagen, die jenen aus Märzmonaten früherer Jahre ähnlich sind, somit zu hoch geschätzt. Dieses Jahr liegt jedoch die Luftmassengrenze, die kalte Polarluft im Nordosten von feuchtmilder Meeresluft aus Südwesten trennt, hartnäckig über dem Alpenraum. Dies hat nicht zuletzt auch vermehrt Hochnebelbildung zur Folge, was zwar für den März eher ungewöhnlich ist. Damit wären wir auch ohne Schnee wieder bei Punkt 1 angelangt, und der Frühling lässt weiterhin auf sich warten.