Über fotometeo

Fabienne Muriset hat seit 2004 internationale Erfahrungen als Medienmeteorologin bei Wetterdiensten im deutschsprachigen Raum gesammelt und bietet seit 2011 ihre Dienstleistungen als selbstständige Meteorologin und Fotografin auf dem freien Markt an. http://www.fotometeo.ch

Gewittervorschau 18.-24.07.2014

Dürfte ab Sonntag ein täglicher Anblick werden: Kräftige Einzelzelle mit ansatzweisen Organisationsstrukturen

Dürfte ab Sonntag ein täglicher Anblick werden: Kräftige Einzelzelle mit ansatzweisen Organisationsstrukturen

Die schwache Westwindzirkulation beschert uns einmal mehr in diesem Sommer ein heftiges Wechselbad. Nach einer Woche Kälte und Regen dreht die Windströmung jetzt wieder auf Südwest bis Süd und sorgt für eine kurze Hitzewelle. Der Trog über Westeuropa tropft am Sonntag ab und bildet wie schon vor zwei Wochen ein CutOff-Tief, womit sich die Lage mit einigen Abweichungen im Detail wiederholt. Allerdings wird die Zugbahn dieses Tiefs von den Wettermodellen bereits seit Tagen immer wieder unterschiedlich berechnet, sodass einige Unsicherheiten vor allem betreffend Schwerpunkt der zu erwartenden Niederschläge bestehen bleiben. Sicher ist jedoch: Die Lage ist brisant und bedarf in den nächsten Tagen einer gründlichen Überwachung und Neueinschätzung, das Unwetterpotenzial ist hoch.

Am Freitag befindet sich der Höhenkeil genau über der Schweiz und unterdrückt die Gewitterneigung trotz bodennaher Überhitzung. Vereinzelte Hitzegewitter sind über dem Relief (Jura, Schwarzwald, Alpen) nicht ganz ausgeschlossen. Trockene Luft in mittleren bis höheren Schichten lassen die Entwicklungen jedoch rasch verhungern und schränken die Lebensdauer stark ein. Zudem erreicht bei diesen Verhältnissen nur ein geringer Teil des Niederschlags den Boden, der Rest verdunstet vorher.

Am Samstag nähert sich der Trog aus Westen langsam der Schweiz, der Höhenwind zieht an und es wird gegen Abend föhnig. Damit steigt das Gewitterrisiko am Jura und in den Südalpen an, dürfte sich aber nach wie vor auf einzelne lokale, womöglich aber doch heftige Entwicklungen beschränken.

Der Sonntag beginnt unter Föhneinfluss in der Osthälfte der Schweiz trotz hohen Wolkenfeldern sonnig, es wird aber zunehmend schwül. Im Westen können sich schon früh erste Gewitter bemerkbar machen, die dem Jura entlang nach Nord bis Nordost ziehen und bald auch ins Mittelland übergreifen. Nach den aktuellen Karten (haupts. GFS 12z-Lauf vom Donnerstag) zieht das Höhentief mit seiner Kaltluft südlich der Alpen vorbei und sorgt somit für die stärkste Labilität im Westen und Süden des Landes. Wenn sich an dieser Konstellation nicht mehr allzu viel ändert, könnte der Nordosten vorerst ausgespart werden. Mit Föhnzusammenbruch stösst allerdings bodennahe Kaltluft seicht ins Mittelland vor, ein kräftiges Joran-Ereignis am Jurasüdfuss ist in Betracht zu ziehen. Nicht auszuschliessen ist, dass der Föhn trügt und durch das Höhentief genügend Feuchte aus Südosten über die Alpen verfrachtet wird, welche die Nahrung für heftige Gewitter in den Abendstunden liefern. Gleichzeitig soll ein Bodentief über Bayern sehr energiereiche Luft von Norden her gegen die Alpennordseite steuern, die wiederum auf den Kaltluftblast aus Westen aufgleitet.

Luftmassenverteilung in der Nacht auf Montag. Die dünnen Pfeile (rot: warm, blau: kalt) stellen die bodennahe Strömung dar, der dicke Pfeil die Hauptstossrichtung der Höhenkaltluft

Luftmassenverteilung in der Nacht auf Montag. Die dünnen Pfeile (rot = warm, blau = kalt) stellen die bodennahe Strömung dar, der dicke Pfeil die Hauptstossrichtung der Höhenkaltluft

Diese Konstellation ist die Ursache für den (gewittrig durchsetzten) Starkregen, der momentan für Montag auf der Alpennordseite gerechnet wird. Egal, wo die 100 bis 200 mm Regen innerhalb von 36 Stunden herunterkommen, sie werden in dieser Intensität auf jeden Fall für Probleme sorgen. Eine genaue Lokalisation wird aller Voraussicht nach allerdings erst kurz vor dem Ereignis möglich sein. Die laufende Diskussion kann in den nächsten Tagen im Sturmforum mitverfolgt werden.

Prognostizierte Niederschlagssumme bis Montagnacht. Der Hauptanteil fällt innerhalb von 36 Stunden

Prognostizierte Niederschlagssumme bis Montagnacht. Der Hauptanteil fällt innerhalb von 36 Stunden

Das CutOff-Tief soll sich in der Folge irgendwo zwischen Italien und dem Balkan langsam auffüllen. Zwischen ihm und einem Hoch über Skandinavien stellt sich eine gradientschwache Ostlage ein, dabei gewinnt die feucht-warme Luft auch in der Schweiz wieder an Terrain. Somit ist auch von Dienstag bis Donnerstag mit verbreiteten Regengüssen und Gewittern zu rechnen. Die (eher langsame) Zugrichtung der Zellen kann sich täglich ändern, da kleinräumige Tiefs in den unteren Schichten herumwabern. Man muss sich auf jeden Fall auf schwierig zu prognostizierende Verhältnisse einstellen, nicht zuletzt da viele Modelle mit feucht-warmen Ostlagen erfahrungsgemäss Probleme bekunden.

Gewittervorschau 11.-17.07.2014

Höhenwetterkarte für die Nacht auf Samstag mit hervorgehobenen wetterbestimmenden Tiefs (Erläuterungen dazu im Text)

Höhenwetterkarte für die Nacht auf Samstag mit hervorgehobenen wetterbestimmenden Tiefs (Erläuterungen dazu im Text)

Beim vor einer Woche angekündigten Wettbewerb der beiden Wettermodell-Riesen EZ und GFS hat das amerikanische Modell das Rennen gemacht. Es hat als erstes auf der Grosswetterlage „Tief Mitteleuropa“ mit der Option der um das Tief herumgeholten Warmluft beharrt, die uns ab der Nacht auf Freitag erreicht und für eine weitere Gewitterphase besorgt sein wird. Die bisher gefallenen Niederschläge konnten von den Seen und Flüssen gerade geschluckt werden, ohne über die Ufer zu treten. Mit den nun folgenden konvektiven Niederschlägen mit steigender Schneefallgrenze verschärft sich die Lage, sollte aber nur lokal an den Oberläufen unseres Gewässersystems für gröbere Probleme sorgen. Im Unterland muss die Lage trotzdem im Auge behalten werden.

Die Höhenkarte (500 hPa) im Titelbild zeigt uns die für die niederschlagsreiche Phase verantwortliche Wetterlage auf. Erkennbar sind die Höhentiefs und die damit verbundenen Strömungen in rund 5000 m Höhe. Z bezeichnet das aktuell steuernde Zentraltief, um das sich die Teiltiefs im Gegenuhrzeigersinn bewegen. Das am Samstag nach Osten abziehende Tief Nr. 1 ist für die Niederschläge in der ersten Tageshälfte des Freitags verantwortlich, Nr. 2 beschäftigt uns am Samstag, während Nr. 3 sich erst noch entwickeln muss und von Sonntagnachmittag bis Montag die vorerst letzte Unwetterphase bringt. Nr. 4 an der Stelle, wo zu dieser Jahreszeit eigentlich das Azorenhoch sein sollte, wird sich langsam vor die Küste Portugals begeben und sich mit einem von Island her vorstossenden Trog verbinden. Es sorgt von Dienstag bis Freitag nächster Woche für eine Vorderseite (Südwestlage) und stützt damit einen Hochdruckkeil über Mitteleuropa – eine hoch willkommene Wetterberuhigung und hochsommerliche Phase zumindest für ein paar Tage steht somit in Aussicht.

In der Nacht zum Freitag erreicht uns von Norden her eine Warmfront und bringt zunächst flächigen Regen, der im Tagesverlauf mit der bodennahen Erwärmung zunehmend konvektiv wird. Dabei handelt es sich um kräftige Regengüsse, teils von Blitz und Donner begleitet. Mit der strammen Nordströmung stauen sich diese am Alpennordhang und können dort für weiteren, recht kräftigen Dauerregen sorgen, was Grund zur Sorge für die Oberläufe der betroffenen Einzugsgebiete gibt. Eine regionale Hochstufung der aktuellen Gefahrenstufe 2 wäre keine Überraschung. Weitere Gefahr geht von Erdrutschen Murabgängen in den mittlerweile stark gesättigten Steillagen aus. In Lagen oberhalb von 2000 m ist zudem mit Nassschneelawinen zu rechnen, da die Schneefallgrenze rasch auf über 3000 m ansteigt.

In der Nacht auf Samstag geht die Schauerneigung tagesgangbedingt zurück, um am Samstag unter dem nächsten Höhentief erneut aufzuflammen. Nach den heutigen Unterlagen befindet sich die energiereichste (d.h. bodennah wärmste) Luft in der Ostschweiz, sodass der Schwerpunkt der Gewittertätigkeit dort zu liegen kommen dürfte. Die Gefahr geht wieder hauptsächlich von Starkregen aus, doch auch kleinkörniger Hagel ist örtlich nicht ausgeschlossen.

Am Sonntag wiederholt sich das Spiel mit dem dritten Höhentief von neuem. In der ersten Tageshälfte werden längere sonnige Abschnitte für die notwendige Erwärmung sorgen, ab den Mittagsstunden steigt die Gewittergefahr verbreitet an. Der Höhenwind dreht allerdings auf westliche Richtungen, sodass zumindest die Gebiete am Alpennordrand etwas entlastet werden. Dennoch ist wieder mit lokalen Überflutungen zu rechnen, auch Hagel und Sturmböen sind zu erwarten. Organisierte Gewitterverbände sind weniger ein Thema, da keine Front und auch keine markanten Konvergenzlinien mit im Spiel sind. Die geringe Deckelung spricht für zahlreiche und verbreitete Einzel- und Multizellen.

Im Lauf des Montags sickert bodennah etwas kühlere Luft ein, während die Höhenkaltluft nach Südosten abzieht. Damit setzt eine langsame Stabilisierung der Atmosphäre ein: Zu nur noch vereinzelt gewittrigen Schauern kommt es bevorzugt entlang der Berge, insbesondere in den zentralen und östlichen Regionen.

Ab Dienstag setzt sich Hochdruckeinfluss durch und beruhigt die Lage nachhaltig. Mit der Zufuhr von zunehmend wärmeren Luftmassen aus Südwest kann es ab Mittwoch aber wieder vereinzelt zu Hitzegewittern über den Bergen kommen. Neuralgische Punkte sind wie so oft der Jura, der Schwarzwald und die Voralpen, aber auch die Südalpen. Das Flachland sollte noch weitgehend verschont werden. Eine erhöhte Gewitterneigung aufgrund von jetzt noch unvorhersehbaren Randtrogentwicklungen in der Südwestströmung ist jedoch nicht ganz auszuschliessen.

Eine antizyklonale Südwestlage sorgt ab Mittwoch für hochsommerliche Temperaturen, eine Hitzewelle mit über 30 Grad liegt durchaus im Bereich der Möglichkeiten

Eine antizyklonale Südwestlage sorgt ab Mittwoch für hochsommerliche Temperaturen, eine Hitzewelle mit über 30 Grad liegt durchaus im Bereich der Möglichkeiten (hier abgebildet die Temperaturen in rund 1500 m Höhe)

Gewittervorschau 04.-10.07.2014

Die bevorstehende Lage verspricht nach dem vielerorts zu trockenen Juni mehrfach den Vollwaschgang

Die bevorstehende Lage verspricht nach dem vielerorts zu trockenen Juni mehrfach den Vollwaschgang

Die vor einer Woche erörterte, für die Jahreszeit ungewöhnlich südlich verlaufende Frontalzone macht uns auch in den kommenden Tagen zu schaffen. Ein weit nach Süden vorstossender Trog über Westeuropa beschert uns eine im Hochsommer selten auftretende Südlage, wobei auf der Vorderseite des Troges sich bildende Teiltiefs für viel Dynamik in unserem Wetterablauf sorgen. Die Unwettergefahr ist potenziell hoch, aber in ihrem zeitlichen Ablauf leider nicht einfach abzuschätzen, zumal uns auch immer wieder der Föhn dazwischen funkt. Sehr spannend ist auch die weitere Entwicklung der Wetterlage von Dienstag bis Donnerstag kommender Woche, wo uns insbesondere das amerikanische Modell GFS, teilweise unterstützt vom kanadischen GEM immer wieder extreme Lösungen auftischt.

Für die erste knifflige Lage ist bereits der Freitag besorgt. Zwischen einem nach Osten abziehenden Höhenrücken und dem im Westen aufrückenden Trog baut sich eine stramme Südströmung über die Alpen auf. Der Föhn wird nach dem Warmfrontdurchgang des Vormittags (mit durchziehendem, eher schwachem Niederschlag) um die Mittagszeit seinen Höhepunkt erreichen und in den Alpentälern für Sturmböen von bis zu 100 km/h besorgt sein. Jahreszeitbedingt muss man damit rechnen, dass der Föhn auch weit ins Mittelland und bis an den Bodensee ausgreift. Damit ist für eine trockene Grundschicht in der Ostschweiz sowie eine starke Deckelung der ansonsten hochgradig labilen Luftschichtung gesorgt. Erwartungsgemäss bei solchen Lagen wird der Deckel nur entlang des Juras sowie in den westlichen Voralpen bis maximal zum Napf durchbrochen. Die dabei entstehenden Gewitter sind heftig, oft von Hagel und Sturm- bis Orkanböen begleitet (vergleichbare Lage mit dem 20. Juni 2013, Stichwort Eidg. Turnfest Biel). Die Zugrichtung aus SSW lässt bis in die Abendstunden Gewitter im westlichen und zentralen Mittelland, im Jura und am Juranordfuss erwarten. Normalerweise verdursten diese beim Eindringen in die Föhnluft weiter östlich, mit dem Zusammenbrechen des Föhns am Abend sind aber Gewitter auch hier nicht ausgeschlossen. Ziemlich sicher dürfte aber die rasche Verlagerung der Druckgegensätze zu einer Druckwelle durch das ganze Mittelland und in der Folge auch in die Alpentäler führen. Es ist somit ratsam, auch abseits der klassischen Föhngebiete alles sturmsicher zu machen.

Windverhältnisse in rund 3000 m am Freitagabend. Zu sehen ist die Föhnströmung sowie eine auf die Westschweiz übergreifende Konvergenz

Windverhältnisse in rund 3000 m am Freitagabend. Zu sehen ist die Föhnströmung sowie eine auf die Westschweiz übergreifende Konvergenz und der „Knick“ an der Kaltfront über Zentralfrankreich

In der Nacht auf Samstag ist mit weiteren gewittrigen Schauern zu rechnen, länger anhaltender und gewittrig durchsetzer Regen greift wahrscheinlich von der Alpensüdseite über das Gotthardgebiet und Nordbünden in die Ostschweiz über. Die eigentliche und wahrscheinlich nur noch schwach aktive Kaltfront zieht in den frühen Morgenstunden durch, danach stellt sich eine kurze Wetterberuhigung ein (postfrontale Subsidenz am Samstagvormittag). Am Samstagnachmittag sind aufgrund der in der Höhe vorhandenen Kaltluft und der bodennahen Aufheizung durch den hohen Sonnenstand weitere Gewitter möglich, sie dürften sich aber weitgehend auf die Berge beschränken und nicht besonders kräftig sein.

Am Sonntag steilt die Höhenströmung wieder auf Südwest bis Süd auf und leitet die nächste Föhnphase ein, die bis mindestens in die Nacht auf Dienstag anhält. Dabei wird aufgrund der Nähe zum westeuropäischen Trog nicht nur warme, sondern auch sehr feuchte Luft zu uns geführt. Der hemmende Einfluss des Föhns ist am Sonntag noch gering, sodass verbreitet mit der Auslöse von kräftigen Gewittern gerechnet werden muss.

Am Montag ist die Lage wieder ähnlich zu jener vom Freitag, wobei diesmal im Westen eine extrem scharfe Kaltfront lauert (Temperaturdifferenz Ostschweiz-Zentralfrankreich ca. 15 Grad). Das mehr oder weniger langsame Vorankommen dieser bestimmt über die Dauer einer Unwetterlage, die sich im wahrsten Sinne des Wortes gewaschen hat. Insbesondere im Jura und in der Westhälfte des Landes können immer wieder durchziehende Gewitter für enorme Regenmengen sorgen. Ob diese Lage am Dienstag endet und von einer kühlen Witterungsphase mit allmählicher Wetterberuhigung (allerdings mit noch länger anhaltendem Regen bzw. Schnee bis gegen 1500 m in den Nordalpen) abgelöst wird, ist derzeit noch nicht sicher. Diese Variante wird vom europäischen Modell EZ bevorzugt:

Luftmassenverteilung mit eingezeichneten Strömungen (blau = kalt, schwarz = warm) am Mittwoch, 9. Juli nach dem europäischen Modell EZ

Luftmassenverteilung mit eingezeichneten Strömungen (blau = kalt, schwarz = warm) am Mittwoch, 9. Juli nach dem europäischen Modell EZ

Hingegen rechnet das amerikanische Modell GFS immer wieder mit einer neuen Teiltiefbildung irgendwo über Mitteleuropa. Das kann einerseits das Vorankommen der Kaltfront weiter verzögern und uns auch am Dienstag noch in der feucht-warmen und sehr gewitterträchtigen Luftmasse verbleiben lassen, andererseits besteht auch die Gefahr, dass uns nach einer kurzen Abkühlung aus Norden die über Osteuropa um das Tief herumgeführte feuchte Warmluft erreicht und für weiteres Ungemach sorgt:

Luftmassenverteilung mit eingezeichneten Strömungen (blau = kalt, schwarz = warm) am Mittwoch, 9. Juli nach dem amerikanischen Modell GFS

Luftmassenverteilung mit eingezeichneten Strömungen (blau = kalt, schwarz = warm) am Mittwoch, 9. Juli nach dem amerikanischen Modell GFS

Je nach Entwicklung der Lage werden wir an dieser Stelle mit einer Sonderausgabe informieren.

Gewittervorschau 28.06.-04.07.2014

Die Luftmassenverteilung vom Montag zeigt den Vorstoss von Polarluft (blau bis grün) bis weit nach Süden auf breiter Front über dem Atlantik und Westeuropa

Die Luftmassenverteilung vom Montag zeigt den Vorstoss von Polarluft (blau bis grün) bis weit nach Süden auf breiter Front über dem Atlantik und Westeuropa

Das bisher verrückte Wetterjahr 2014 wird auch zu Beginn des Hochsommers nicht müde, uns weiterhin mit ungewöhnlichen Entwicklungen zu überraschen. Die vor einer Woche angekündigten Unsicherheiten bei der Entwicklung der Grosswetterlage mündet nun in eine südliche Westlage. Sie ist charakterisiert durch eine südlich des 50. Breitengrades verschobene Frontalzone – eigentlich ein typisches Muster des Winterhalbjahres. Dass eine solche Lage zum höchsten Sonnenstand des Jahres nicht nur die Modelle an die Grenzen, sondern auch mangels Erfahrung mit solcher Konstellation die Köpfe der Meteorologen zum rauchen bringt, erstaunt nicht. Es sei daher auch diese Woche wieder vorausgeschickt, dass bereits in der Kurzfrist, aber noch mehr in der Mittelfrist völlig unerwartete Entwicklungen eintreffen können.

Die erste Knacknuss erwartet uns bereits am Samstag, sie liess sich auch nicht dadurch umgehen, indem die Erstellung dieser Gewittervorschau Lauf für Lauf nach hinten geschoben wurde 😉 Eine schleifende Kaltfront erstreckt sich nordwestlich der Schweiz von der Biskaya über das südliche Pariser Becken bis nach Mitteldeutschland. Auf der Vorderseite wird mit südwestlicher Strömung warme und zunehmend feuchte Luft in die Schweiz geführt. Gleichzeitig erfolgt aber auch in der Höhe Warmluftzufuhr, sodass im 500 hPa-Niveau die Temperatur im Tagesverlauf von -16 auf -13 Grad steigt. Das reicht aus, um die Labilität im Verhältnis zur Erwärmung der bodennahen Luftschichten weitgehend zu neutralisieren. Es bildet sich ein so genannter Deckel, der am Nachmittag und frühen Abend noch schwer zu durchbrechen sein dürfte. Wo es aber geschieht, können sich explosionsartig heftige Zellen entwickeln, wobei die durch den zunehmenden Höhenwind aus Südwest verursachte Scherung durchaus mittelgrossen Hagel produzieren kann. Diese Gefahr dürfte am ehesten entlang der klassischen Voralpenschiene sowie in der Burgunderpforte und am Juranordfuss gegeben sein. Sich allenfalls daraus ergebende Eigendynamik ist selbst 24 Stunden vor dem Ereignis kaum abschätzbar. Somit gilt es die Lage im Nowcasting laufend neu zu beurteilen.

Druckverteilung und Lufttemperatur in rund 5500 m Höhe am Samstag. Die ergänzten Pfeile zeigen die Strömungsverhältnisse von warmer und kalter Luft an

Druckverteilung und Lufttemperatur in rund 5500 m Höhe am Samstag. Die ergänzten Pfeile zeigen die Strömungsverhältnisse von warmer und kalter Luft an

Erst in der Nacht auf Sonntag bekommt die Kaltfront Schwung und greift auf die Schweiz über. Sie bringt verbreitet ergiebigen Regen, der vor allem zu Beginn noch gewittrig durchsetzt sein dürfte. Am Sonntag selbst verlagert sich das Starkregenband langsam nach Osten, während sich im Lauf des Nachmittags im Westen erste Aufhellungen zeigen. Da am Abend die Höhenkaltluft in der Westschweiz eintrifft, können sich bei ausreichender Sonneneinstrahlung mitunter kräftige Rückseitengewitter bilden.

Am Montag und Dienstag gerät die eingeflossene Polarluft unter Zwischenhocheinfluss, mit der kräftigen Sonneneinstrahlung erwärmt sich diese aber vom Boden her rasch und so sind lokale Regengüsse vor allem über den Bergen nicht ganz auszuschliessen. Am Dienstagnachmittag stabilisiert aber bereits die Warmfront eines von Südwesten her aufziehenden Tiefs die Luftschichtung. Ob es bei dichter hoher Bewölkung bleibt oder gar etwas Regen fällt (am ehesten südlich der Alpen), bleibt noch offen.

Mit dem Mittwoch beginnt die Zeitspanne des zunehmend unsicheren Fahrplans. Wahrscheinlich wird der Tag mit Warmfrontbewölkung und gelegentlich ein paar Tropfen eingeleitet, wenn das Timing stimmt sind gegen Abend im Warmsektor bereits wieder erste Gewitter möglich. So richtig labil wird es aber am Donnerstag und Freitag, wenn sich gleichzeitig ein Höhentief von Südwest nach Nordost über die Alpen hinweg verlagert. Die Modelle bieten aber auch hier bereits wieder eine reich garnierte Palette an Lösungen an, sodass sich das Diskutieren über Einzelheiten zum jetzigen Zeitpunkt erübrigt.

Das bestehende Zirkulationsmuster macht die Hoffnung auf stabilere Zeiten zunichte. Der fotometeo-Blog wagt mittels der Siebenschläfer-Regel einen Ausblick auf den bevorstehenden Hochsommer.

Gewittervorschau 21.-27.06.2014

Abendliches Multizellen-Gewitter am 13.06.2014 über den Freiburger/Berner Voralpen

Abendliches Multizellen-Gewitter am 13.06.2014 über den Freiburger/Berner Voralpen

Die Schafskälte ist über Nordosteuropa stecken geblieben. So gab es letzten Dienstag in Estland den ersten Schneefall in einem Juni seit über 30 Jahren. Der Kältepool über Nordeuropa bleibt auch während den nächsten Tagen erhalten, während von Nordafrika sehr heisse Luft in den Mittelmeerraum vordringt. Der Alpenraum liegt zwischen diesen gegensätzlichen Luftmassen und wird je nach Stärke oder Schwäche und Verlagerung der bestimmenden Druckzentren mal mehr von Norden, mal von Süden beeinflusst. Diese Einleitung stellt schon mal klar, dass die Prognose für die nächsten Tage eine Herausforderung darstellt und viele Unsicherheiten beinhaltet.

Zum grossen Glück für uns Meteorologen ist das Wochenende noch am sichersten zu prognostizieren. Am Samstag erstreckt sich ein Hochdruckkeil von Irland bis zu den Alpen und trocknet die eingeflossene kühle Nordseeluft ab, der maximale Sonnenstand tut sein Übriges dazu. Nach kühlem Start steigen die Temperaturen am Nachmittag in den sommerlichen Bereich und es bleibt bei ein paar harmlosen Quellwolken über den Bergen. Am Sonntag reicht die starke Erwärmung der bodennahen Luftschichten hingegen bereits für lokale Gewitterbildungen vornehmlich im Hochjura sowie in den West- und Südalpen aus, sie dürften aber noch lokal begrenzt und kurzlebig bleiben.

Am Montag nähert sich aus Südwesten ein kleines Hitzetief, das an einen schwachen Höhentrog über Frankreich gebunden ist. Es steuert sehr warme und zunehmend schwüle Luft in die Westschweiz, sodass im Tagesverlauf die Gewitterneigung markant zunimmt. Die heute in den Karten gezeigten Labilitäts- und Hebungswerte sind in der zweiten Tageshälfte markant, hinzu kommt eine Verstärkung der Höhenströmung sowie eine Konvergenz in mittleren Luftschichten. Eine Luftmassengrenze knapp nördlich der Schweiz kann zusätzlich dafür sorgen, dass die schwüle Luft zwischen der Kaltluft im Norden und den Alpen gehoben wird. Eine delikate Mischung mit besten Voraussetzungen für heftige Unwetter, mitunter auch für grossen Hagel und Clusterbildung, welche die Schweiz und nördlich angrenzende Gebiete mit Starkregen bis weit in die Nacht hinein überziehen kann. Viel wird vom tageszeitlichen Timing und der genauen Position des kleinen Höhentiefs abhängen, auf jeden Fall gilt es die Lage zeitnah genau im Auge zu behalten!

Situation am Montagabend, 23.06.2014 mit der Luftmassengrenze knapp nördlich der Schweiz und energiereichen Luftmassen über den Alpen

Situation am Montagabend, 23.06.2014 mit der Luftmassengrenze knapp nördlich der Schweiz und energiereichen Luftmassen über den Alpen

Je nach Eigendynamik zieht sich die potenzielle Unwetterlage vom Montag bis in den Dienstag hinein, zumindest wird die warm-feuchte Luft aus heutiger Sicht am Dienstag noch nicht ausgeräumt. Tendenziell wird sich die heftigste Gewittertätigkeit aber nach Osten verlagern.

Über die Entwicklung von Mittwoch bis Freitag lässt sich derzeit keine seriöse Aussage machen. Dazu sind einerseits die Temperaturgegensätze zwischen Nord und Süd zu gross, andererseits lassen die verschiedenen Wettermodelle von Lauf zu Lauf die wetterbestimmenden Druckgebiete anders ziehen, was folgende Darstellung verdeutlichen soll:

Die Ausgangslage vom Dienstag, 24.06.2014 und die möglichen Entwicklungen

Die Ausgangslage vom Dienstag, 24.06.2014 und die möglichen Entwicklungen

Dabei stellen sich viele Fragen, die sich auf das Wetter im Alpenraum auswirken: Wie verhält sich der nordeuropäische Trog? Entwickelt er sich eher nach Süden oder Südosten? Macht er dem Hochdruckkeil bei Irland den Weg nach Mitteleuropa frei oder drängt er ihn ins Nordmeer ab (was für uns mit einer Nordlage die kälteste Lösung darstellen würde)? Hier hat auch der Trog an der Südspitze Grönlands ein Wörtchen mitzureden: Trogt er weiter nach Süden in den Atlantik aus oder bewegt er sich nach Osten, um bei uns eine Westlage einzuleiten? Und nicht zuletzt ist das Verhalten des Höhentiefs über Portugal entscheidend: Füllt es sich an Ort und Stelle auf, bewegt es sich auf südlicher Zugbahn ins Mittelmeer oder verbindet es sich gar über Mitteleuropa hinweg mit dem Skandinavien-Trog? Derzeit kann man nur die vorsichtige Aussage wagen, dass die Mehrheit der Möglichkeiten für eine nass-kühle Witterungsphase spricht, allerdings nicht über deren Details und zeitlichen Abläufe.

Gewittervorschau 14.-20.06.2014

Luftmassenverteilung am Samstag, 14.06.2014: orange: (sub-)tropische Luft, gelb: gemässigte Luft, grün: Polarluft

Luftmassenverteilung am Samstag, 14.06.2014:
orange: subtropische Luft, gelb: gemässigte Luft, grün bis blau: Polarluft

Nach einer turbulenten Woche in einer energiereichen Luftmasse kehrt nun wieder Ruhe ein. Nicht untypisch für den Juni folgt auf eine Südlage das Gegenteil: Eher kühle und trockene Luft gelangt aus Norden in unser Land. Damit wird die Gewitterneigung stark unterdrückt, einzig die Kaltfront am Samstag und eventuell ein Einschub etwas feuchterer und wärmerer Luft zur Wochenmitte könnten für etwas Spannung sorgen.

Am Samstag befindet sich die tropische Luftmasse, welche für die zahlreichen und teils heftigen Gewitter in dieser Woche verantwortlich war, bereits südlich der Alpen. Sie wurde am Freitagabend von einer mässig warmen und feuchten Luftmasse verdrängt, die nun wiederum durch ebenso kühle, aber trockenere Polarluft ersetzt wird. Dieser Verdrängungsprozess zwingt die im Mittelland liegende Luft an den Voralpen zum Aufsteigen und produziert noch mal einige Schauer und Gewitter, das Unwetterpotenzial der vergangenen Tage wird jedoch nicht mehr erreicht.

Ab Sonntag gerät diese Polarluft unter den Einfluss eines Hochs bei den Britischen Inseln, weitere trockene Luft wird mit der Bise ins Land geführt. Einzig inneralpin und auf der Alpensüdseite können sich dank eines Italientiefs Reste der feuchten Warmluft halten und regnen sich aus, mitunter örtlich gewittrig verstärkt.

Am Dienstag und Mittwoch kommt es auf die Lage des Hochs an, ob die Strömung vorübergehend auf Ost dreht und sich wieder feuchtere Luft in den nördlichen Alpenraum schleichen kann. Sie kann das Risiko für Schauer und Gewitter wieder anheben, in der nur mässig warmen Luft sind allerdings keine spektakulären oder gar gefährliche Entwicklungen zu erwarten.

Die weitere Lage ab Donnerstag ist noch unsicher, der Trend geht aber mehrheitlich in Richtung einer kühlen Nordwestlage. Sie kann allenfalls Kaltluftschauer bringen, sommerlich fühlt sich das jedoch nicht an. Eine weitere Hitzewelle mit hohem Gewitterpotenzial ist vorerst nicht in Sicht.

Zum Schluss noch ein Rückblick auf die Lage am Donnerstag, 12.06.2014 mit der chaotischen Entwicklung im Schnelldurchlauf:

Film aus dem kostenpflichtigen 3D-Radar von meteoradar, 12.06.2014 12-24 Uhr

Film aus dem kostenpflichtigen 3D-Radar von meteoradar, 12.06.2014 12-24 Uhr

Erkennbar ist die zunächst generelle Verlagerung von WNW nach ESE mit der Höhenströmung in ca. 5000 m Höhe. Sobald die Voralpengewitter Überhand nehmen, wird die Entwicklung in der West- und Nordschweiz unterdrückt (Subsidenzzonen). Das bodennahe Ausfliessen der durch die Gewitter ausgekühlten Luft von den Voralpen weg ins Mittelland sorgt dann dort durch das Anheben noch „unverbrauchter“ schwüler Luft für gewaltige Neuentwicklungen (Emmental-Olten-Basebiet und Zürich/Winterthur bis St. Gallen).

Gewittervorschau 07.-13.06.2014

Die Lage über Pfingsten ist ideal für freie Sicht vom Mittelland auf einzelne fotogene Zellen in den Alpen.

Die Lage über Pfingsten ist ideal für freie Sicht vom Mittelland auf einzelne fotogene Zellen in den Alpen.

Nachdem der Mai verhältnismässig ruhig verlaufen ist, wird nun der Juni als Monat mit dem gefährlichsten Gewitterpotenzial wahrscheinlich seinem Namen gerecht. Erstmals in diesem Jahr gelangen in der nächsten Woche hochgradig energiereiche Luftmassen in unsere Region. Passen alle Puzzleteile zusammen, kann daraus eine unwetterträchtige Lage entstehen.

Zunächst stehen aber die Pfingstfeiertage an. Ein Hochdruckrücken meint es extrem gut mit den Schweizern und legt sich an allen drei Tagen (Samstag bis Montag) genau über uns. Aus Südwesten gelangt Saharaluft aus dem Raum Marokko mit etwas Saharastaub im Gepäck zu uns. Die Temperaturen steigen von Tag zu Tag an und erreichen je nach Höhenlage und Sonnenscheindauer bis zu maximal 35 Grad. Da die Luft aber recht trocken ist, halten sich sowohl das Hitzeempfinden wie auch die Gewitterneigung in Grenzen. Einzelne Gewitter können nur über den Bergen entstehen, wo der stabile Deckel des Hochdruckrückens durchbrochen werden kann. Am ehesten ist dies am Samstag in der Südostschweiz und auf der Alpensüdseite möglich, am Montag dann entlang des gesamten Alpenbogens sowohl im Norden wie im Süden. Am Sonntag ist die Lage am stabilsten. Ob am Montag allenfalls auch im Hochjura einzelne Zellen entstehen können, ist noch unsicher. Jedenfalls hängt die Entwicklungsmöglichkeit stark vom Feuchteangebot am Boden ab und es werden lokale Bodenwindfelder z.B. an Bergketten benötigt, wo der Talwind aus verschiedenen Richtungen zusammenfliessen kann (etwa das Gebiet Saaneland-Les Diablerets, der Klausenpass oder die Region Davos). An solchen Stellen können einzelne, womöglich aber sehr heftige Hitzegewitter entstehen. Die Verlagerung ist aufgrund fehlenden Höhenwindes gering, es muss also mit sehr lokal begrenzten hohen Niederschlagsmengen gerechnet werden.

Erst am Dienstag fliesst aber genügend feuchte Luft in unsere Gegend ein, damit Gewitter verbreitet entstehen können. Der Höhenrücken verschiebt sich langsam nach Osten, womit die leicht divergente Höhenströmung aus Süd bis Südwest am Ostrand des Troges über Frankreich über uns zu liegen kommt. Die Labilität ist mit über 30 Grad zwischen 850 und 500 hPa sehr hoch. Hinzu kommt eine ordentliche Windscherung mit zusätzlich rückdrehender Windrichtung (in der Höhe Südwestwind, bodennah auf West bis Nordwest drehend). Vorausgesetzt, die bodennahe Luft wurde zuvor von Gewittern über Frankreich nicht zu sehr ausgekühlt, wären nicht nur die Grundvoraussetzungen, sondern auch das tageszeitliche Timing für Schwergewitter mit Grosshagel und heftigen Sturmböen perfekt.

Lage am Dienstag: Energiereichste Luftmasse genau über der Schweiz, dazu eine Tiefdruckrinne von der Nordsee bis zu den Alpen

Lage am Dienstag: Energiereichste Luftmasse genau über der Schweiz, dazu eine Tiefdruckrinne von der Nordsee bis zu den Alpen

Zwar kühlt die Luft auf Mittwoch etwas ab, die eigentliche Kaltfront soll aber nach den jetzigen Unterlagen nordwestlich der Schweiz verbleiben. Damit wären am Mittwoch und womöglich auch am Donnerstag noch gute Bedingungen für verbreitete Gewitterentwicklungen gegeben, wenn auch nicht mehr in der Heftigkeit vom Dienstag. Am Donnerstag und Freitag macht sich allerdings von Westen her allmählich Hochdruckeinfluss bemerkbar, sodass sich die Lage von Tag zu Tag stabilisiert. Details sind aber eine Woche im voraus kaum zu prognostizieren.

Gewittervorschau 02.-06.06.2014

Wetterlage am Mittwoch, 04.06.2014. Die vom Tief bei Schottland aus Westen herangeführte Kaltluft wird vom Hoch im Osten nach Norden umgelenkt (= winkelförmige Westlage)

Wetterlage am Mittwoch, 04.06.2014. Die vom Tief bei Schottland aus Westen herangeführte Kaltluft wird vom Hoch im Osten nach Norden umgelenkt (= winkelförmige Westlage)

Die Gewittersaison 2014 geht es weiterhin ruhig an. Waren vor wenigen Tagen die Karten mit der Grosswetterlage „Tief Britische Inseln“ für die kommende Woche noch vielversprechend, muss man inzwischen einmal mehr ernüchtert feststellen, dass weiterhin nur Geplänkel zu erwarten ist. Einzig eine Kaltfront am Mittwochabend bringt etwas mehr Potenzial, eine Schwergewitterlage wird es trotzdem nach den heutigen Erkenntnissen nicht.

Vorerst beschäftigt uns am Montag und Dienstag aber ein gealterter Kaltlufttropfen, der in den Karten kaum noch erkennbar ist und sich von den Benelux-Ländern bis zum Balkan erstreckt. Die Druckverhältnisse am Boden sind flach und die Luftmasse ist nur mässig warm, sodass zwar viel Labilität, aber nur wenig Energie zur Verfügung steht. An beiden Tagen ist in der zweiten Tageshälfte mit Schauern und kurzen Gewittern vornehmlich in den Bergen zu rechnen, im Flachland bleiben sie die Ausnahme. Mit dem schwachen Höhenwind sind die Zellen aber nahezu stationär, sodass lokal begrenzt doch mal ordentlich viel Wasser vom Himmel fallen kann.

Interessant wird die Lage am Mittwoch. Das Tief nördlich von Schottland steuert gegen Abend eine Kaltfront von Westen her in die Schweiz, erkennbar am markanten Übergang zwischen gelb-orangen und grünen Flächen in der folgenden Karte:

Luftmassenverteilung mit Kaltfront über der Westschweiz am Mittwochabend

Luftmassenverteilung mit Kaltfront über der Westschweiz am Mittwochabend

Die Luftmasse vor der Front ist wie schon an den beiden Tagen zuvor nur mässig warm, die Tageshöchstwerte liegen bei 20 bis 24 Grad. Höhenkaltluft ist keine im Spiel bzw. bleibt über Nordwesteuropa, womit sich die Labilität bei uns in Grenzen hält. Allerdings ist die Feuchtigkeit an der Front hoch, womit über Nacht am Alpennordhang beträchtliche Regenmengen fallen können. Gewitter sind am Abend am ehesten an der Voralpenschiene zu erwarten, der Höhenwind aus Südwest steht dafür günstig. Am Jura wird die flach eintreffende Kaltluft Gewitterbildungen wahrscheinlich rasch kappen, aufgrund des eher schwachen Bodendruckgradienten ist aber für einmal auch keine stark ausgeprägte Druckwelle zu erwarten. Kräftig auffrischen kann der Westwind vorübergend trotzdem, wird aber aller Voraussicht nach keine Schäden verursachen.

Am Donnerstag zieht die Kaltfront nach Osten ab, die rückseitige Kaltluft gerät rasch unter Hochdruckeinfluss und trocknet ab. Am ehesten sind weitere Schauer in der Ost- und Südostschweiz möglich, ansonsten dürfte es mit Bise rasch freundlicher werden. Am Freitag bringt eine Winddrehung auf südliche Richtungen einen markanten Temperaturanstieg. Die Luft nördlich der Alpen ist (föhnig-)trocken, hier ist die Gewitterneigung gering. Mehr Feuchtigkeit ist am Alpensüdhang vorhanden, hier kann es am Nachmittag und Abend zu lokal kräftigen Entwicklungen kommen.

Der Trend für das Pfingstwochenende lässt eine sehr warme bis heisse Phase erwarten. Noch unklar ist die genaue Position und somit die Wirkung des recht schmalen Hochdruckrückens zwischen den zwei Höhentiefkomplexen über dem Atlantik einerseits und Südosteuropa andererseits. Bis zur nächsten Gewittervorschau am Freitag wissen wir aber mit Bestimmtheit mehr.

Gewittervorschau 22.-29.05.2014

Programm für die nächste Woche: Waschküchenwetter

Programm für die nächste Woche: Waschküchenwetter

Zwar hat uns der Frühling bereits einige Gewitter beschert, diese waren jedoch meist Erzeugnisse von Höhenkaltluft auf Tiefrückseiten und daher mit geringem Unwetterpotenzial verbunden. Dies ändert sich nun mit dem Einbezug energiereicher subtropischer Luftmassen. Zur Saisoneröffnung wird uns gleich ein ganzer Korb voll mit harten Knacknüssen aufgetischt. Eigentlich würde fast jeder Tag der kommenden Woche einen eigenen Blogbeitrag verdienen, um der Komplexität der Lage gerecht zu werden. Um den Rahmen nicht zu sprengen, kann hier allerdings nur auf die wichtigsten Umstände eingangen werden. Für die tägliche detaillierte Entwicklung sei auf die Diskussionen im Sturmforum verwiesen.

Die erste Knacknuss liefert uns am Donnerstag eine kräftige Föhnsituation mit gleichzeitiger Annäherung einer Kaltfront aus Westen. Am besten grenzen wir erst mal die Gebiete mit der geringsten Gewitterwahrscheinlichkeit ab: Im zentralen und östlichen Mittelland sowie entlang der Voralpen zwischen Napf und Bodensee werden aufgrund der mangelnden Feuchte kaum Gewitter entstehen können. Allenfalls greifen am Abend vom Tessin her Zellenreste ins Gotthardgebiet und auf Nordbünden über, fallen dort aber bald zusammen. Spannend wird die Entwicklung im Westen. Als Folge länger anhaltender Gewittertätigkeit in Frankreich wird dort bodennah ein Kaltluftpolster entstehen, das zum niedrigsten Druck hin (Hitzetief mit Zentrum über Süddeutschland) ausbricht. Die Folge ist eine seichte Kaltfront, die im Lauf des Abends zuerst durch den Oberrheingraben zum Hochrhein, leicht zeitversetzt dann auch durchs Mittelland fegt. Diese wird sich in erster Linie durch heftige Böen manifestieren. Gewitter sind nicht hausgemacht sondern ziehen typisch für eine Südlage von den Savoyer Alpen und vom Jura nach Norden. Allenfalls können Zellen von den Waadtländer und Freiburger Voralpen ins westliche Mittelland ziehen, auch vom Jura Richtung Nordwestschweiz sind Gewitter möglich. Die „Musik“ spielt allerdings ausserhalb der Schweiz: Vom Schwarzwald und der Schwäbischen Alb weg nordwärts ist das Unwetterpotential gross.

Donnerstag: Eine kräftige Föhnströmung bringt trockene Luft in die Ostschweiz (Situation in ca. 3000 m). Über der Westschweiz ist eine Konvergenz zu erkennen.

Donnerstag: Eine kräftige Föhnströmung bringt trockene Luft in die Ostschweiz (Situation in ca. 3000 m). Über der Westschweiz ist eine Konvergenz zu erkennen.

Wie man an obiger Karte erkennen kann, bleibt die Höhenströmung auch hinter der Front auf Süd und folglich auch die Höhenkaltluft, welche eine weitere Labilisierung in Gang setzen könnte, westlich der Schweiz. Somit ist im Lauf der Nacht und bis weit in den Freitag hinein zwar ein Vorankommen von flächigem, mitunter auch kräftigem Regen bis in die West- und Nordschweiz wahrscheinlich, Gewitter dürften aber nur vereinzelt eingelagert sein. Mit etwas nachlassender Südströmung in der Höhe sind bei ausreichender Sonneneinstrahlung in der Osthälfte der Schweiz am Freitagnachmittag und -abend kräftige Entwicklungen in den Voralpen zu erwarten, die vermehrt auch ins Mittelland ziehen.

Der Samstag dürfte unter leichtem Zwischenhocheinfluss der ruhigste und sonnigste Tag werden. Feuchtigkeit ist allerdings genügend vorhanden, sodass im Tagesverlauf mit Quellwolken über den Bergen und nachfolgend lokalen Schauern und Gewittern zu rechnen ist. Der Schwerpunkt liegt dabei im Jura und entlang der Voralpen, mit schwacher Höhenströmung erfolgt nur eine langsame Verlagerung Richtung Norden.

Am Sonntag kommt wieder Föhn auf und es entwickelt sich das nächste Hitzetief über der Alpennordseite – das Spiel vom Donnerstag kann von vorne beginnen. Irgendwo über unserem Land wird sich wahrscheinlich eine Bodenkonvergenz zwischen Bise und Westwind entwickeln. Allerdings ist keine Höhenkaltluft im Spiel, was heftige Entwicklungen eher ausschliesst. Zudem ist das Tief im Westen im Begriff sich aufzufüllen, was der Luftmassengrenze westlich der Schweiz keinen Antrieb mehr leistet. Die Luftdruckverteilung wird flach und die warm-feuchte Luft bei uns zunehmend träge.

Entscheidend für die Weiterentwicklung der oben geschilderten Ausgangslage wird das Verhalten des verbleibenden Kaltlufttropfens über Westeuropa sein. Wahrscheinlich ist eine langsame Verlagerung in Richtung westliches Mittelmeer, das Zentrum könnte allerdings auch nur knapp südlich der Alpen zu liegen kommen. Die warme Höhenströmung bleibt erhalten und dreht dabei auf Südost. Damit ist eine schwache Föhnlage über den Alpen mit Zufuhr feucht-warmer Luftmassen zur Nordseite gegeben. Je nach Lage des Höhentiefs und der korrespondierenden Bodentiefs kann sich dabei eine Gegenstromlage entwickeln (Zufuhr eher kühler, aber ebenfalls feuchter Luftmassen aus Nordwest). Es entscheiden somit Details darüber, ob wir es mit einer permanenten Gewitterlage mit „gesundem“ Tagesgang zu tun bekommen oder ob doch eher ein Trend zu Dauerregen mit konvektiven Einlagerungen jeweils in der zweiten Tageshälfte ein Thema wird. Sicher ist: Die Woche wird ausgesprochen nass. Ein Trend zu stabilerem Wetter ist vorerst nicht auszumachen.

Mit dem Abtropfen des Höhentiefs Richtung westliches Mittelmeer stellt sich in der neuen Woche eine zyklonale Südostlage ein.

Mit dem Abtropfen des Höhentiefs Richtung westliches Mittelmeer stellt sich in der neuen Woche eine zyklonale Südostlage ein.

Der tote Winkel des Radars La Dôle

Radarkomposit vom 07.02.2014 09:10 Uhr (Donnerradar/Winterradar von metradar.ch, frei zugänglich)

Radarkomposit vom 07.02.2014 09:10 Uhr (Donnerradar/Winterradar von metradar.ch, frei zugänglich)

Besonders in der kalten Jahreszeit fällt er gelegentlich auf: Der Winkel über dem Jura mit geringerer Reflektivität auf dem Radarbild. Am besten sichtbar wird er bei flächigen Niederschlägen mit einer breiten Front ohne stärkere konvektive Einlagerungen. Diese Bedingungen sind im Winterhalbjahr häufiger als im Sommer, daher eignet sich die Wetterlage am 07.02.2014 besonders für eine Dokumentation und Erklärung des Phänomens.

Funktionieren alle Radarstationen des Komposit-Radarbildes, fällt der tote Winkel des Radars La Dôle einzig durch geringere Reflektivität über dem Jura auf. Inmitten eines zusammenhängenden Gebiets mit mässigem Niederschlag wird in einem bestimmten Winkel (im Titelbild rot eingegrenzt) nur schwache Intensität angezeigt. Betroffen ist der grösste Teil des Waadtländer und Neuenburger Juras. Weiter nordöstlich, über dem Berner Jura und über dem Kanton Jura wird der tote Winkel durch die Sichtbarkeit der Radaranlage Albis bei Zürich kompensiert. Fällt das Albis-Radar hingegen bei einer solchen Wetterlage mal aus, wird das eigentliche Ausmass des toten Winkels sichtbar, wie das folgende Beispiel vom 15.05.2013 zeigt:

Radarkomposit bei Ausfall Albis am 15.05.2013 (Archiv Donnerradar von metradar.ch, kostenpflichtig)

Radarkomposit bei Ausfall Albis am 15.05.2013 (Archiv Donnerradar von metradar.ch, kostenpflichtig)

Niederschläge aus tiefen Schichtwolken werden in diesem Bereich überhaupt nicht erfasst, was hauptsächlich ein Problem des Winterhalbjahrs darstellt. Im Sommer entstehen die Niederschläge meist in höheren Bereichen, die vom weiter entfernten Radarstandort Albis wieder erfasst werden können. Die Sichtbarkeit von Schauern und insbesondere Gewittern mit hochreichenden Hageltürmen ist somit nur geringfügig eingeschränkt, allerdings werden auf Radarbilder basierenden Niederschlagssummenkarten nicht die vollen Regenraten erfasst. Da das Bodenmessnetz gerade im betroffenen Bereich Lücken aufweist, kann auch eine auf Bodendaten basierende Korrektur nicht alles ausgleichen.

Doch was ist überhaupt die Ursache dieses toten Winkels und warum kann er nicht einfach behoben werden? Wie das folgende Bild zeigt, ist der Gipfel des La Dôle mit allerlei Technik gespickt:

Wetterstation und Radaranlage La Dôle (Quelle: fotometeo.ch, 27.05.2013)

Wetterstation und Radaranlage La Dôle (Quelle: fotometeo.ch, 27.05.2013)

Im Vordergrund die SwissMetNet-Wetterstation, links der Radom des Niederschlagsradars und rechts der grössere Radom der Flugüberwachung Skyguide. Eine Informationstafel am Skyguide-Gebäude erklärt die verschiedenen Bestandteile der Anlage, wobei der frei stehende dritte Radom ganz links mittlerweile abgebaut wurde:

Informationstafel der Radaranlage La Dôle (Quelle: fotometeo.ch, 27.05.2013)

Informationstafel der Radaranlage La Dôle (Quelle: fotometeo.ch, 27.05.2013)

Der grössere Radom der Flugüberwachung steht nordöstlich des Niederschlagsradars und schattet somit einen Winkel von ungefähr 20° im Bereich Nord-Nordost ab. Der Aufnahmewinkel des folgenden Bildes (Blickrichtung Nordost, vorne Niederschlagsradar, hinten Skyguide-Radar) verdeutlicht die Situation:

Radaranlage La Dôle (Quelle: fotometeo.ch, 27.05.2013)

Radaranlage La Dôle (Quelle: fotometeo.ch, 27.05.2013)

Das Problem könnte dadurch behoben werden, indem der Niederschlagsradar höher gesetzt würde, doch dadurch entstünde ein toter Winkel bei der Flugüberwachung in Richtung Südwest. Was sicherheitstechnisch höhere Priorität hat, ist offensichtlich. Nur die geografisch getrennte Aufstellung der beiden Radaranlagen wie in der Region Zürich (Niederschlagsradar auf dem Albis, Skyguide-Radar auf der Lägern) verhindert die gegenseitige Störung, doch eine solche Lösung ist in der Westschweiz schwierig zu realisieren. Die benachbarten, ähnlich hohen Juragipfel sind kaum erschlossen (Kostenfrage!) und wahrscheinlich wäre hier auch ein Konflikt mit dem Landschaftsschutz vorprogrammiert.