Über fotometeo

Fabienne Muriset hat seit 2004 internationale Erfahrungen als Medienmeteorologin bei Wetterdiensten im deutschsprachigen Raum gesammelt und bietet seit 2011 ihre Dienstleistungen als selbstständige Meteorologin und Fotografin auf dem freien Markt an. http://www.fotometeo.ch

Gewittervorschau 06.-11.07.2019

Eigentlich müsste jetzt der Hochsommer beginnen. Doch witterungsmässig haben wir bald zwei Wochen Hochsommer hinter uns, und genau jetzt, wo nach der modernen Auslegung der Siebenschläfer-Regel der Hochsommer beginnen sollte, kippt die Grosswetterlage und bringt uns deutlich gemässigtere Temperaturen. Je nach Verlauf – so sicher ist das alles noch nicht, wie manche tun – könnte es nächste Woche erstmals seit Pfingsten wieder ein paar Tage mit Temperaturen unter der jahreszeitlichen Norm geben. Wie das alles eingefädelt wird, ist synoptisch höchst interessant und soll daher am Schluss dieses Beitrags ausgeführt werden, zunächst müssen wir uns aber mit der Gewitterlage am Wochenende auseinandersetzen.

Betrachten wir die grossräumige Verteilung der Druckgebiete und Windströmungen in 5500 m Höhe (Klick auf die Titelgrafik öffnet die grössere Version), so sehen wir eine Westwindlage über Mitteleuropa, wie sie für den Hochsommer gar nicht so unüblich ist. Vom Schwung her natürlich nicht vergleichbar mit Westlagen im Winterhalbjahr, aber dennoch beeindruckend zielgerichtet. Auffällig ist dabei, wie bei uns die Strömungen unterschiedlicher Herkunft zu diesem Westwindband zusammenlaufen: Über Norddeutschland ist es Polarluft aus Grönland, bei uns Subtropikluft. Entsprechend verläuft eine recht ausgeprägte Luftmassengrenze nördlich von uns quer durch Deutschland, wir befinden uns bis Montag (vielleicht sogar noch länger?) auf der warmen Seite:

Am Samstag erreicht uns mit zunehmender Anfeuchtung sehr energiereiche, maritime Subtropikluft, was bei Temperaturen um 30 Grad eine hochexplosive Mischung bereitstellt. Das von einigen Modellen gezeigte Vorgeplänkel um die Mittagszeit ist höchstens dazu geeignet, die zuvor noch trockene Grundschicht anzufeuchten, mit anderen Worten: Es wird nach der erträglichen Hitze vom Freitag unangenehm schwül. Der zu erwartende Sonnenschein am Nachmittag wärmt dann die Suppe so richtig auf, doch der Trigger für die Auslöse liegt im grösserskaligen Bereich, sodass kaum mit lokalen Entwicklungen in den Alpen und Voralpen zu rechnen ist, denn dort drüber liegt wahrscheinlich noch ein recht stabiler Deckel. Zudem: Sollte sich in den Voralpen trotzdem etwas bilden, bleiben diese Gewitter bei der vorherrschenden Westströmung in den Voralpen drin und greifen nicht wie bei einer klassischen Südwestlage ins Mittelland aus. Sehen wir uns die für die Gewitterzugbahnen massgeblichen Windströmungen in etwas über 3000 m Höhe genauer an:

Nebst der fürs Mittelland eher unerheblichen Voralpen-Entwicklung fällt auf, dass von Ostfrankreich über den Jura hinweg bis in die Ostschweiz konvergente Strömungen vorherrschen. Der Jura wird somit nur eine zusätzliche Verstärkung sein, gebildet werden die Gewitter wahrscheinlich bereits weiter westlich. Weiter ist zu beachten: Die mittlere Windgeschwindigkeit und somit auch die Verlagerungsgeschwindigkeit der Gewitter liegt bei etwa 60-70 km/h. Sehr energiereiche Luft, starke Windscherung und konvergente Strömung lässt auf heftige Entwicklungen schliessen. Es ist ab dem späten Nachmittag bis in die Nacht hinein mit grösseren, sehr blitzreichen Clustern zu rechnen, wobei die Regensummen in kürzester Zeit etwa 40 mm betragen können. Trotzdem ist die Überflutungsgefahr dank der hohen Zuggeschwindigkeit nicht das Hauptproblem, sondern mittelgrosser bis grosser Hagel und vorallem (auch zum Teil weit vor den Gewittern vorlaufend, falls ein Cluster bereits eine gewisse Lebensdauer aufzuweisen hat) schwere Sturmböen. Sollte ein erster Cluster nördlich des Juras ziehen, so ist am Jurasüdfuss mit heftigen Joran-Böen aus nahezu heiterem Himmel zu rechnen. Einen genauen Ablauf kann man bei dieser Lage nicht vorhersagen, denn die Kettenreaktionen, die Outflows aus bestehenden Gewittern hervorrufen, können völlig chaotisch ablaufen. Entsprechend wird auch jeder neue Modelllauf wieder ein anderes Szenario auftischen. Das ist zwar nett anzusehen, aber nicht wirklich hilfreich. Auf verlorenem Posten stehen dann wieder mal alle, die sich bei der Planung ihrer Outdoor-Aktivitäten auf Wetter-Apps verlassen.

Am Sonntag wiederholt sich das Spiel, allerdings ziehen die Gewitter vom Vortag schon einige Energie aus der Luft, sodass die Entwicklungen am Sonntag nicht mehr so heftig ausfallen werden. Trotzdem ist weiterhin mit kräftigen Gewittern zu rechnen, denn wir befinden uns immer noch auf der warmen Seite der Luftmassengrenze. Mit nachlassender Windgeschwindigkeit in der Höhe nimmt die Sturm- und Hagelgefahr etwas ab, hingegen das Risiko für Überflutungen zu. Ohne Deckelung des sich nach Süden verkrümelnden hohen Geopotenzials wird es unorganisiert und verbreitet auslösen und somit auch recht flächig nass.

Am Montag rückt die Luftmassengrenze noch ein Stück näher, es ist noch weniger Energie in der Luft, und zudem fängt aus Westen bereits ein aufrückender Hochdruckkeil an zu wirken. Mit dem in den unteren Schichten auf Nordwest drehenden Wind verlagert sich die Schauer- und Gewittertätigkeit zunehmend in die Alpen, im westlichen und zentralen Mittelland sowie in der Nordwestschweiz wird es wohl im Lauf des Tages allmählich trocken.

Dabei dürfte es ab Dienstag auch bleiben: Der Hochdruckeinfluss und die aus Nordwesten einfliessende trockenere Luft lassen im Flachland und wahrscheinlich auch im Jura keine Entwicklungen mehr zu. In den Alpen muss hingegen mit Tagesgangwetter und entsprechenden, teils gewittrigen Regengüssen gerechnet werden.

Die Entwicklung in der zweiten Wochenhälfte wird dann zunehmend unsicher. Grund dafür ist eine recht seltsame Entwicklung der nordhemisphärischen Zirkulation. Die eingangs erwähnte Westlage wird nämlich durch eine aus Norden einwandernde Hochdruckzelle massiv gestört. Noch ist nicht klar, in welchem Zustand und vor allem wo genau diese in Europa eintreffen, und welche Verbindung sie mit dem Azorenhoch eingehen wird. Die Geschichte ist mehr als kurios und kann eigentlich nur mit den massiv veränderten Verhältnissen in der Arktis erklärt werden. Man achte am Beginn der Animation auf das nördliche Zentralsibirien, wo sich ein weit nach Norden aufgesteilter Hochdruckrücken mit sehr warmer Luft im Gepäck vom Subtropenhoch abkalbt und sich selbständig macht:

Nach dem gängigen synopischen Verständnis müsste sich die Warmluft über dem vereisten Nordmeer derart abkühlen, dass auch das Hoch in der Höhe zum Sterben verurteilt ist. Wie wir aber wissen: Vereistes Nordmeer war einmal. Das Hoch zieht unbehelligt über Novaja Semlja und verstärkt sich über Spitzbergen sogar nochmal, um dann geradewegs nach Süden Richtung Europa zu ziehen. Dort sorgt es dafür, dass die jetzt noch über dem Nordmeer und Skandinavien lauernde Kaltluft erst mal zu uns runter gedrückt wird, das verursacht die etwas kühlere Phase bei uns zur Wochenmitte. Spannend wird es dann, wenn sich dieses Hoch zentralasiatischer Herkunft mit Arktis-Odyssee bei uns mit dem Azorenhoch verbindet. Es könnte (muss aber nicht) der Beginn einer neuen Hitzewelle oder zumindest einer trockenen Phase sein, denn bekanntlich benötigen wir im Hochsommer keine südlichen Luftmassen dazu, das produzieren wir mit viel Sonnenschein unter einem fetten Hoch auch selbst. Affaire à suvire…

Hitzevorschau 21.-27.06.2019

Das Motto der nächsten Woche lautet: Möglichst nah ran an die Quelle!

Wie jetzt… keine Gewittervorschau??? Ja doch, ein klein wenig schon. Aber das dominierende Thema der nächsten Tage wird die Hitzewelle sein, die – nach dem aktuellen Stand der Modelle und bereits seit einigen Tagen recht zuverlässig gerechnet – auf uns zurollt. Nun impliziert ja Hitze in unseren Gefilden fast automatisch auch Gewitter, doch gerade in diesem Punkt ist es interessant, die nächsten Tage etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Und auch Hitze ist nicht gleich Hitze, da dürfte in der nächsten Woche so ziemlich das ganze Spektrum abgerufen werden von noch relativ angenehm trocken-heiss bis tropisch anmutend, vor allem zum Ende hin (wobei dieses zeitlich noch alles andere als fixiert ist, so viel sei schon mal vorweggenommen). Egal wie man persönlich zur Hitze steht, synopisch ist die Lage auf jeden Fall höchst spannend, zumal kleine Veränderungen in der Positionierung der Druckfelder rasch mal grössere Auswirkungen auf das regionale Wetter haben können.

Doch zunächst können wir uns doch noch den Gewittern widmen. Dabei kann man Freitag und Samstag zusammenfassen:

Die Ausgangslage zeigt etwas untypisch für eine Südwestlage ein Zwischenhoch über Frankreich, das bis Sonntag nördlich der Schweiz nach Nordosten zieht und am Boden eine Bisenlage verursacht. Dabei schleift während der ganzen Zeit die Kaltfront über uns hinweg, in der Karte als Grenze zwischen den orangen und gelben Tönen zu erkennen. Wir haben also in der Höhe Südwestwind und am Boden Nordostwind, ausreichend Feuchtigkeit, mässige Labilität und als Zugabe Reste von Warmluftnestern in den Alpentälern. Entsprechend bekunden die Wettermodelle Mühe, was mit diesem kuriosen Mix anzufangen sei. Als Meteorologe steht man da wie der Esel am Berg, denn genausogut könnte man auch eine Münze werfen: Kopf oder Zahl – Gewitter oder keine Gewitter? Eins ist klar: Nass kann es fast überall während diesen zwei Tagen mal werden. Die Frage stellt sich nach der Form und der Intensität. Ich würde sagen: Es hängt davon ab, ob sich in der Wolkendecke auch mal längere Sonnenfenster auftun, damit die Suppe aufgeköchelt wird. Wenn ja, dann können rasch Gewitter entstehen, einzelne davon mitunter auch kräftig, aber kaum organisiert, was das Hauptaugenmerk vor allem auf den Starkregen richten lässt. Ohne Unterstützung unseres Tagesgestirns bleibt es eher bei schauerartig verstärkten Regenbändern, die durch kleine Wellen in der Front und Hebung in höheren Luftschichten begünstigt werden. Das alles mag ja verdammt gescheit klingen, und trotzdem hilft es der geschätzten Leserschaft, die ganz einfach wissen möchte, ob ihr Anlass an diesem Wochenende einigermassen trocken über die Runden kommt, herzlich wenig. Daher noch ein kleiner Versuch der Präzisierung, ohne Gewähr: Am Freitag ist die Luft noch einen Tick wärmer und energiereicher als am Samstag, das Risiko für ein kräftiges Gewitter ist somit Samstag etwas geringer, wenn auch ein ordentlicher Regenguss auch nicht immer angenehm ist. Und als regionale Eingrenzung kann man noch hinzufügen, dass die energiereicheren Luftnester in den Alpentälern lauern, dort das Risiko für Gewitterauslöse somit höher ist als im Mittelland oder in der Nordwestschweiz.

Deutlich konkreter kann man für den Sonntag werden: Über Westeuropa beginnt sich ein Hochdruckkeil aufzubauen, die Feuchtigkeit wird damit gleichzeitig nach Osten verdrängt und von oben her abgetrocknet. Im Osten bedeutet dies am Vormittag noch etwas hartnäckige, hochnebelartige Restbewölkung, es sollte aber bereits überall trocken sein. Im Lauf des Tages setzt sich landesweit die Sonne durch und man kann noch einmal angenehm sommerliche Temperaturen um 25 Grad geniessen.

Und dann beginnt sich mit dem Wochenstart die Hitzewelle aufzubauen:

Wir sehen hier den prognostizierten Temperaturverlauf der verschiedenen Wettermodelle in rund 1600 m Höhe. Als grobe Faustregel kann man für Bern 11 Grad draufrechnen, für Basel 14 Grad, das tiefere Mittelland liegt entsprechend der Höhenlage dazwischen. Wenn sich nicht gerade die extremsten Modellläufe durchsetzen, dann gibt der grobe Rahmen Höchstwerte zwischen 33 und 37 Grad vor. Die ominöse 40, die bereits seit einigen Tagen verschiedentlich durch den virtuellen Blätterwald geistert, wird allenfalls an Extremstandorten und vermutlich nur ausserhalb der Schweiz (West- bis Nordwesteuropa) erreicht.

Limitierende Faktoren für Rekordwerte könnten sein:
– Schleierwolken, angereichert durch Saharastaub. Die Modelle rechnen aber derzeit die Luft in den höheren Schichten derart trocken, dass die Kondensationkerne wahrscheinlich gar keine Feuchtigkeit vorfinden, die sie an sich binden könnten. Trotzdem sei die Möglichkeit hier vorsorglich erwähnt, diesbezügliche „Überraschungen“ gab es ja bei ähnlichen Wetterlagen zuhauf.
– Die Bodenfeuchte. Durch die verbreiteten Gewitter und Regenfälle der vergangenen Tage und Wochen ist die obere Bodenschicht und die Vegetation derzeit in einem guten Zustand. Ein Teil der Sonnenenergie wird somit für die Verdunstung benötigt. Anders als in den Sommern 2015 und 2003, als die Hitze auf bereits durch wochenlange Trockenheit ausgedörrte Böden traf, muss diesmal nicht mit einem überadiabatischen Zuschlag von 2-3 Grad gerechnet werden.

Und dann wäre da noch die Grosswetterlage. Liess in den letzten Tagen noch das Gespenst einer klassischen Südlage (im Sommer höchst selten), so manchen Modelllauf in utopische Sphären von bis zu 29 Grad im 850-hPa-Niveau entschwinden, so werden nun die steuernden Druckzentren nach und nach etwas westlicher gerechnet. Für Mitteleuropa kommt dabei die Lage Südost antizyklonal heraus, und je nachdem, wie sich die kleinräumigeren Bodendruckfelder anordnen, kann mitunter sogar etwas „kühlere“ Luft aus Nord bis Ost reingemischt werden:

Auf dieser Karte sieht man, wie Polarluft von Island her um das Hoch über Dänemark zuerst nach Osteuropa geführt und dann zu uns umgelenkt wird. Auf diesem langen Weg rund um das Hoch und über den aufgeheizten Kontinent wird die Polarluft allerdings sehr stark erwärmt, aber das ist dann doch eine andere Geschichte, als wenn der Ursprung der Luftmasse in der Sahara liegen würde. Auf der anderen Seite sieht man auch sehr gut den Strom, der ebensolche Saharaluft über Spanien nach Frankreich lenkt. Nach aktuellem Stand müsste die heisseste Luft also in Westfrankreich aufschlagen. Angesichts des noch langen Zeitraums und der bekannten Tatsache, dass einsame Tiefdruckgebiete wie jenes über dem Ostatlantik mitunter sehr eigenwillig sein können, ist das letzte Wort wahrscheinlich noch nicht gesprochen. Dies gilt auch für das Gewitterrisiko in der nächsten Woche: Erreicht uns die knochentrockene Luft aus Osten so wie in der obigen Karte gezeigt, dann liegt die Wahrscheinlichkeit für Gewitter selbst in den Bergen nahe bei Null. Eine südlichere Anströmung mit mehr Hitze und vor allem mehr Feuchtigkeit vom Mittelmeer her würde die Sache aber schon wieder anders aussehen lassen. Dann haben wir zwar immer noch den immensen Deckel des starken Höhenkeils, der verbreitete Gewitterauslöse hemmt. Bei ausreichendem Feuchteangebot in mittleren Lagen könnten aber die am Boden durch lokale, orografisch bedingten Konvergenzen gesammelten Feuchtepakete (Verdunstung, Schneeschmelze), die kritische Schicht überwinden. Dass solche vereinzelte Gewitter bei diesen extremen Verhältnissen sehr heftig ausfallen können, versteht sich von selbst. Es gilt also in den nächsten Tagen die prognostizierte Anströmungsrichtung in den verschiedenen Höhenlagen sehr genau im Auge zu behalten.

Gewittervorschau 03.-06.06.2019

„Hungerturm“, ein in trockener Höhenluft zum Scheitern verurteiltes Gewitter über dem Jura, 06.06.2016

Besser spät als nie, dafür richtig! So das Motto zur Eröffnung der neuen Gewittervorschau-Saison. Schwachstromgewitter hatten wir in den meist energiearmen Luftmassen mit Höhenkaltluft zwar bereits einige in den vergangenen Wochen, doch sommerliche Gewitter mit Potenzial für gröbere Unwetter liessen noch auf sich warten. Mit dem Beginn des meteorologischen Sommers wird es also höchste Zeit, sich die Sache mal etwas genauer anzuschauen: Kaum merklich, aber stetig haben sich die für den Frühling typischen Kaltluftausbrüche nach Westen verschoben. Haben sie im Mai noch den Alpenraum heimgesucht, rauschen sie nun über dem Ostatlantik in Richtung Westeuropa und Iberische Halbinsel. Östlich davon wird aus südlichen Richtungen sehr warme und zeitweise feuchte Luft nach Mitteleuropa geführt. An der Luftmassengrenze kommt es dabei immer wieder zu heftigen Entwicklungen. Die Herausforderung besteht nun darin, die genaue Lage der Fronten und Konvergenzen Tag für Tag zu bestimmen.

Die einleitende Beschreibung der Grosswetterlage hier noch mal in Kartenform mit der Windströmung in rund 5500 m Höhe:

Die Austrogung über dem Ostatlantik ist in Entwicklung begriffen, sie wird sich in den kommenden Tagen noch vertiefen. Interessant für die Schweiz ist am Montag und Dienstag die Position genau unter einem Höhenkeil zwischen dem neuen Atlantiktrog und einem alten Mittelmeertief. Alles, was aus Westen hereinzieht, läuft also ins hohe Geopotenzial mit trockener Höhenluft und wird ausgebremst. Wir mögen solche Konstellationen überhaupt nicht, denn sie verunmöglichen eine genaue Gewitterprognose – wer Gegenteiliges behauptet, pokert heute hoch 😉

Noch am Sonntagabend waren sich die beiden derzeit führenden, hochaufgelösten Modelle einig: Die Kaltfront produziert über Ostfrankreich am Montag einen Kaltluftpool, der kurz nach Mittag seicht über den Jura schwappt und am Jurasüdfuss einen stürmischen Joran produziert – Gewitterauslöse über dem Jura ist in solchen Fällen eher mau. Der Nordwestwind trifft am frühen Abend an den Voralpen auf ein reichliches Feuchteangebot am Boden und wird zum Aufsteigen gezwungen, entsprechend sollten dort die heftigsten Gewitter entstehen. Logisch!, denkt sich die erfahrene Meteorologin und gibt die entsprechend Prognose aus. Am Montagmorgen sehen die Modelle zwar die ganze Entwicklung um ein paar Stunden verzögert, aber die grobe Fahrtrichtung bleibt dieselbe:

Die Prognose für Montagabend sieht die kühlere Luftmasse (helleres Gelb) über der Nordwestschweiz, die energiereiche Luftmasse (orange) über den Alpen und der Ostschweiz mit einer relativ gut ausgeprägten Luftmassengrenze quer durchs Mittelland. Das aktuelle Radarbild mit einer kaum nach Osten vorankommenden Gewitterfront (sie hat um 11:00 noch nicht mal das Burgund erreicht) lässt aber erahnen: Das wird nichts mit dem überschwappenden Kaltluftpool am Nachmittag. Und wahrscheinlich basteln die Modelle gerade an einem neuen Szenario, während diese Zeilen hier geschrieben werden…

Vermutlich wird die ganze Sache derartig verzögert, dass die Gewitterauslöse am Nachmittag erst mal über dem Jura losgeht, Zugrichtung Nordost lässt die heftigsten Zellen in der Nordschweiz erwarten. Es gibt allerdings ein Problem: Die Labilität ist gar nicht mal so ausgeprägt, es fehlt schlicht die Höhenkaltluft (-14 Grad in 500 hPa, +14 bis 15 in 850 hPa). Das reicht zwar für ordentliche Gewitter, die ganz dicken Dinger bleiben aber wahrscheinlich aus. Und über den Alpen besteht das bereits oben erwähnte Problem des Höhenkeils: Der aktuelle Taupunkt von immer noch -18 Grad auf dem Jungfraujoch wird den Zellen beim Wachstum zu schaffen machen. Hungertürme wie im Titelbild abgebildet sind wahrscheinlich. Einzelne, durch punktuell optimale Hebung getriggerte Zellen können sehr schnell in die Höhe wachsen, werden aber wahrscheinlich nicht lange überleben. Die von Cosmo gezeigte Clusterbildung den Voralpen entlang darf man also zumindest in Frage stellen, aber Überraschungen durch gewisse Eigendynamiken sollte man trotzdem nie ausschliessen. Es gilt also: Adlerauge, sei wachsam! Auch in Zeiten immer besser aufgelöster Modelle bleibt das Beobachten des Himmels (Neudeutsch Nowcasting genannt) ein probates Mittel.

Am Dienstag bleibt das Problem an sich dasselbe. Allerdings vertieft sich der oben erwähnte Westeuropa-Trog und die Strömung dreht noch mehr auf Süd. Noch wärmere, zum Ausgleich aber auch trockenere Luftmassen erreichen den Alpenraum, möglicherweise auch durch das Rhonetal das Mittelland, und es kommt leichter Föhn ins Spiel. Starke Sonneneinstrahlung, sehr warme Luft, ein ausreichendes Feuchteangebot am Boden durch die starken Niederschläge der letzten Woche und starke Schneeschmelze einerseits treffen auf einen starken Deckel (trockene Luft und Inversionen in der Höhe) andererseits. Es wird also wohl nur punktuell auslösen, aber dort wo es gelingt, kann es heftig werden. Schon wieder viel Konjunktiv…

Und dann der Mittwoch. Nach aktuellem Modellstand müsste sich aus Westen die nächste Kaltfront nähern:

Der Kontrast lässt es erahnen: Die vorderseitige Luftmasse ist sehr energiereich und es bildet sich ein Hitzetief aus, das am Boden für zusätzliche Konvergenzen sorgen kann. Höhenkaltluft ist zwar immer noch keine da, aber unten ist die Luft 4-5 Grad wärmer als am Montag. Zudem zeigt die Erfahrung, dass solche Konstellationen mit steiler Front im Westen und Südströmung in der Höhe in der Grosswetterlage „Trog Westeuropa“ in der Vegangenheit die heftigsten Hagelereignisse gebracht haben (Beispiel 05.07.1999). Das Potenzial ist also vorhanden – fragt sich nur, ob es auch abgerufen wird. Jedenfalls muss man den Mittwoch ganz genau im Auge behalten.

Und wenn das alles planmässig abläuft, liegen wir am Donnerstag bereits in der rückseitigen Kaltluft. Allenfalls können sich noch Warmluft-Reste in Graubünden halten und für das eine oder andere Gewitter sorgen, auf der Alpensüdseite sowieso. Freitag wäre dann der klassische Zwischenhoch-Tag mit viel Sonnenschein und gemässigten Temperaturen, bevor sich möglicherweise auf das Pfingstwochenende der Trog über Westeuropa erneut vertieft und das Spiel von vorne losgehen kann. Das allerdings schauen wir uns dann besser zeitnah an.

Sturmserie März 2019

Wer hätte noch vor zwei Wochen – mitten in einer stabilen Hochdrucklage – geglaubt, dass diese bald von einer sehr lebhaften und länger anhaltenden Westwindlage abgelöst werden könnte? Erinnerungen ans Vorjahr tauchten auf und mancher äusserte die Befürchtung, es könne mit dem langweiligen Hochdruckwetter nun ewig so weitergehen – das Dürregespenst spukte durch die Wetterforen. Doch Wetter wiederholt sich nicht. Dieses chaotische System ist durchaus in der Lage, aus der selben Ausgangslage in völlig unterschiedliche Muster überzugehen. Chaos muss aber nicht heissen, dass man gewisse Dinge nicht erklären kann. Und der Unterschied zwischen 2018 und 2019 ist durchaus frappant, wenn man die ganze nordhemisphärische Atmosphäre betrachtet. Wie oft hat es in Mitteleuropa gleich zwei Hitze- und Dürresommer hintereinander gegeben? Eben! Wobei: Bei der derzeit rasant fortschreitenden Klimaerwärmung ist es wohl nur noch eine Frage der Zeit…

Schauen wir uns die Grosswetterlage für das bevorstehende Wochenende auf der Titelkarte an, dann fällt uns die schnurgerade Westwindströmung in 5500 m Höhe auf. Ein Sturmtief gibt dem nächsten die Klinke in die Hand und das Azorenhoch sitzt da, wo es hingehört. Dies ist die klassische NAO+ Lage, auf die man während des ganzen Winters aufgrund der Ausgangslage, insbesondere der Verteilung der Meerestemperaturen, gewartet hatte. Sie setzte sich zwar im Dezember durch, allerdings nicht nachhaltig. Immer wieder sorgten blockierende Hochs – mal über Ost-, mal über West-, mal über Mitteleuropa dafür, dass die Westwindlage ausgebremst oder umgelenkt wurde. Mitverantwortlich dafür war im Januar und Februar eine schnelle Stratosphärenerwärmung (SSW für sudden stratosphere warming). Wir kennen dies bereits aus dem Vorjahr, allerdings waren die Auswirkungen damals noch extremer und vor allem nachhaltiger. Eine Erwärmung der Stratosphäre sorgt dafür, dass dort die Winde die normalerweise im Winter stramm aus Westen wehen, entweder zum Erliegen kommen oder gar auf Ost drehen. Fällt das SSW besonders heftig aus wie 2018, bringt es auch den Jet-Stream der Troposphäre durcheinander, der Westwindgürtel bricht weitgehend zusammen und es können sich länger anhaltende Ostlagen aufbauen, welche Europa sibirische Luft bringen. In diesem Jahr war das SSW nur mässig ausgeprägt. Das hat zwar gereicht, um den Westwindmotor zum Stottern zu bringen, nicht aber für eine dauerhafte Umkehr der Strömungen. Folgende Grafik des Temperaturverlaufs in der Stratosphäre (ungefähr in 24 km Höhe) zeigt den Unterschied zwischen 2018 und 2019:

Wir sehen anhand der roten Linie, dass die Erwärmung 2019 einen Monat früher einsetzte, nicht so stark war wie im Vorjahr und sich die Temperatur im Februar bereits wieder im Normalbereich (graue Flächen) bewegte. Während 2018 der Kurvenverlauf einen direkten Übergang ins frühlingsbedingte final warming zeigt, sackt er dieses Jahr noch mal deutlich in den winterlichen Bereich ab, gelangt sogar in die Nähe eines saisonalen Rekords (der in noch grösserer Höhe auch tatsächlich unterboten wurde). Nun ist eine kalte Stratosphäre zwar nicht die einzige, aber eine wichtige Ursache für einen flotten Jetstream und somit einer gesunden Westwindzirkulation. Oder anders ausgedrückt, der jetzige Zustand der Atmosphäre unterstützt die „Normalverteilung“ mit kräftigem Islandtief und starkem Azorenhoch auch von oben – und prompt zieht es in Europa wieder mal ordentlich vom Atlantik her. Dass die Winterstürme bis weit in den März hinein toben, ist somit keine Ausnahme, in dieser ausgeprägten Form aber doch bemerkenswert. Allerdings zeigt obige Grafik auch, dass deren Lebensdauer aufgrund des saisonalen Fortschreitens überschaubar ist. In der Regel ist mit diesen Mätzchen in der zweiten Märzhälfte Schluss: Die nordhemisphärische Zirkulation kippt ins meridionale Muster mit einem starken Ausgleichsbestreben zwischen Nord und Süd. Je nach Glück oder Pech – das ist wohl Geschmackssache – gerät man für einige Zeit in eine Nord- oder Südströmung. So erreicht das Auftreten von Nordlagen von April bis Juni das statistische Maximum im Jahresverlauf, während Westlagen in dieser Zeit ein Minimum aufweisen. Auch Südlagen treten im April/Mai (gleich nach November) am häufigsten auf.

Doch wie passt der heftige Föhnsturm vom vergangenen Mittwoch/Donnerstag in eine stramme Westlage? Auch bei Westlagen bilden sich in der Höhenströmung gelegentlich Wellen. Nicht so lange wie bei einer meridionalen Zirkulation, aber es reicht, um kurzzeitig die Winde auf Südwest bis Süd drehen zu lassen. Hier die Karte während es Föhnsturms:

Föhnstürme während Westlagen dauern in der Regel nicht länger als einen Tag, sind aber aufgrund der starken Druckdifferenzen zwischen Nord und Süd mitunter heftig. Eine Föhnlage, welche durch Langwellen während einer meridionalen Phase auftritt, kann hingegen mehrere Tage, mit zwischenzeitlichen Schwächephasen gar Wochen andauern. Wenn wir während der nächsten Föhnlage im April oder Mai darauf achten, werden wir den Unterschied merken. Oder wir erinnern uns kurz an die Phase vom 2. bis 16. April 2018.

Nun haben wir aber noch ein paar Tage mit dieser lebhaften Westwindlage zu tun. Auf eine genaue Prognose, wann und wie stark die bevorstehenden Stürme auftreten werden, wird aufgrund der noch grossen Unsicherheit verzichtet. Die in der Westströmung eingebetteten, kleinräumigen Teiltiefs und Wellen werden von jedem Modell mit einer etwas anderen Zugbahn und mit unterschiedlichem Kerndruck berechnet. Entsprechend sieht die Streuung im Ensemble des Bodenwindes aus (Gitterpunkt im zentralen Mittelland):

Ein heftigeres Ereignis scheint für den Sonntag relativ sicher, auch die Fasnächtler am Montag dürften noch etwas durchgerüttelt werden. Dienstag ist Ruhetag mit dem Zwischenhoch, danach geht’s von vorne los, allerdings mit zunehmenden Unsicherheiten.

Was das Diagramm sonst noch zeigt: Ab ungefähr dem 18.-20. März wird es allmählich ruhiger. Und noch wichtiger: Die Windrosen zeigen eine zunehmende Wahrscheinlichkeit für eine Drehung auf nördliche bis östliche Richtungen. Da wird doch wohl nicht etwa die fortschreitende Jahreszeit ihre Duftmarke setzen wollen? Wer diesen Wink jetzt nicht versteht, liest den ganzen Beitrag am besten noch mal von vorne durch 😉

Sturmvorschau 07.-11.12.2018

Ein Bild aus dem stürmischen Dezember 2011 – niemand konnte ahnen, was dieser Winter noch bringen wird

Seit Tagen spukte der Titel für den heutigen Blogbeitrag im Kopf herum: Sturm- und Schneevorschau. Der Sturm ist geblieben, das mit dem Schnee dürfte man – wenn überhaupt – nur noch mit einem Fragezeichen versehen, zumindest wenn wir über die Niederungen sprechen wollen. Einmal mehr haben uns die Modelle über eine Woche hinweg einen satten Wintereinbruch vorgegaukelt, der sich nun – schwuppdiwupps! – ins Nichts aufgelöst hat. In Wetterforen werden solche Lagen, die immer nur in den Mittelfristmodellen zu sehen sind, aber nie wirklich oder höchstens in abgeschwächter Form eintreffen, als Möhren oder Rüebli bezeichnet – analog zum Bild mit dem Esel, der dem Rüebli hinterherläuft, das vor seiner Nase baumelt und doch unerreichbar bleibt. Nun ist klar: Das neueste Winter-Rüebli wird als Suppe serviert: flüssig und lauwarm. Freuen können sich hingegen die östlichen Nachbarn und in der Schweiz zumindest die höheren Lagen, wo doch einiges an Schnee zu erwarten ist. Für die Flachlandbewohner bleiben der lange ersehnte Regen, um endlich die Flusspegel wieder auf Normalniveau zu bringen, und ein paar stürmische Nächte.

Um zu verstehen, was sich in den nächsten Tagen in Mitteleuropa abspielt, ist ein Blick aus der Distanz auf das Grosse und Ganze hilfreich. Schauen wir mal von oben auf den Nordpol, wie sich die aktuelle Lage präsentiert:

Noch vor zwei Wochen hätte ihm das kaum jemand zugetraut: Der Polarwirbel präsentiert sich kugelrund und wohlgenährt, ein echter Wonneproppen, als hätte es Frühling/Sommer/Herbst 2018 nie gegeben. Zu sehen ist der Wind in rund 9000 m Höhe mit dem Jetstream (rot), der sich über dem Atlantik so gesund wie lange nicht mehr zeigt. Wir haben die für uns relevanten Teile numeriert: 1) die Westwindlage des kommenden Wochenendes; 2) die Bruchstelle, die uns den Wintereinbruch hätte bescheren sollen und 3) der nächste, inzwischen noch viel stärkere Abschnitt des Jetstreams, der nächste Woche unser Winter-Rüebli überfahren und zur Suppe pürieren wird. Zoomen wir rein auf Atlantik und Europa, um die Details zu betrachten:

Um deutlich zu machen, wo unser Wetter herkommt, ist die Abfolge der Luftmassen eingetragen, die uns in den nächsten Tagen erreichen. Den Anfang macht heute Freitagnacht eine Kaltfront (Grenze von grün zu blau), die nachfolgende kühle Luftmasse prägt den Samstag mit Schauern in fester Form bis etwa 500 Meter. Der Warmsektor des nächsten Tiefs rauscht bereits in der Nacht auf Sonntag heran. Er wird auf dem Weg zu uns zwar zusehends schmaler, reicht aber aus, um die Schneefallgrenze am Sonntagmorgen noch mal kurz gegen 1500 m steigen zu lassen. Der vereinigte Tiefdruckkomplex über der Nordsee zapft dann die Polarluft östlich von Grönland an (unser berühmtes Rüebli), doch zieht das Tief so weit nach Osten, dass die kälteste Luft östlich an uns vorbeirauscht. Nach aktuellem Stand liegt die Zone mit Schnee bis in die tiefsten Lagen am Montag und Dienstag ab ungefähr Salzburg ostwärts. Zu dieser Zeit rückt von Westen bereits der von Höhenwarmluft gestützte Hochdruckkeil auf (auf der Karte ganz im Westen zu sehen). Dieser wird – statt sich zum Blockadehoch über dem Ostatlantik aufzuplustern – vom nachfolgenden Tiefdruckkomplex zerquetscht und aufgerieben. Es bleibt ein kleines, für Mitteleuropa unwichtiges Hoch, das sich rasch über Skandinavien hinweg nach Nordrussland vertschüsst und den Weg für die nächste Westlage frei macht.

Nach diesem Exkurs zur Grosswetterlage können wir uns den Details und dem eigentlichen Thema zuwenden:

Sturm Nr. 1, Freitagabend: Auf der Vorderseite der Kaltfront legt der Südwestwind immer mehr zu und beschert uns noch einmal sehr milde Verhältnisse. Am späten Abend erreicht uns die Höhenkaltluft, sodass sich an der Kaltfront kurz vor Mitternacht durchaus Gewitter bilden können – so linienhaft organisiert wie am vergangenen Montag wird es aber wahrscheinlich nicht. Trotzdem ist wieder mit ähnlich starken Böen zu rechnen: 60-75 km/h werden es wohl verbreitet. Von Basel dem Hochrhein entlang bis zum Bodensee können mit Kanalisierungseffekten und an exponierten Stellen durchaus lokal Böen von 100 km/h auftreten, im Mittelland werden solche Spitzen wahrscheinlich nur auf den höheren Hügeln erreicht. Die Schneefallgrenze sinkt in der Nacht rasch ab, die nachfolgenden Schauer können durchaus auch in tiefen Lagen mal etwas Pflotsch liegenlassen. Bereits im Lauf des Samstags zieht die Höhenkaltluft nach Osten weiter und die Schauer werden weniger, die Schneefallgrenze steigt dabei schon wieder etwas an. Dabei bleibt es aber ganztags windig, in Schauernähe liegt noch die eine oder andere Sturmböe drin.

Sturm Nr. 2, Nacht auf Sonntag:

Wir sehen hier einen noch etwas stärkeren Höhenwind als Freitagnacht. Da es sich aber um einen Warmsektorsturm handelt, lässt vor allem der „ungünstige“ Zeitpunkt in den kühleren Nachtstunden noch einige Fragezeichen offen. Bei etwas Sonnenschein und guter Durchmischung tagsüber müsste man von einem schweren Sturm ausgehen. Es wird vor allem davon abhängen, ob sich am Vorabend bei vorübergehendem Aufklaren im Mittelland eine Kaltluftschicht ausbilden kann. Falls ja, wird es der Höhenwind schwer haben, bis zum Boden durchzugreifen. Auch Regen (der momentan allerdings nur schwach gerechnet wird) wirkt auf die Durchmischung bremsend. Momentan würde ich von einem schwereren Sturmereignis vor allem auf den Bergen und Hügeln ausgehen, doch erfordert die Lage eine genauere Beurteilung kurz vor dem Eintreffen: Also allfällige Sturmwarnung am Samstagabend beachten! Was die Kaltfront am Sonntagmorgen bringen wird, muss man ebenfalls noch abwarten. Wie organisiert ist die Linie, vertieft sich die Welle unter Umständen oder gibt es eine Verzögerung? Jedenfalls bleibt der Sonntag spannend und mit -30° in 500 hPa zieht eine Luftmasse über uns, die in jedem Fall für musikalische Überraschungen sorgen kann, zumal es am Boden gar nicht mal so stark auskühlt. Die Schneefallgrenze wird in der zweiten Tageshälfte auf etwa 800 m zu liegen kommen.

Der Montag bringt mit Winddrehung auf Nordwest permanenten Feuchtenachschub. Für den Alpennordhang bedeutet dies Dauerregen oder besser gesagt Dauerschneefall, wobei es in den Tälern mit Niederschlagsabkühlung wahrscheinlich bald einmal bis ganz runter schneit. Im Mittelland sieht es etwas anders aus:

Wir sehen die 18er-Linie, welche eine Schneefallgrenze bei etwa 500 m erwarten lässt, komplett ausserhalb der Schweiz,  wahrscheinlich kommt sie also bei etwa 700 m zu liegen – im Westen möglicherweise noch höher. Das letzte Wort ist hier aber wohl noch nicht gesprochen, wenn man sich den recht deutlichen Gradienten nordwestlich von uns vor Augen hält. Rückt das Hoch etwas näher auf, ist es im Mittelland endgültig aus mit den Winterträumen. Mit etwas mehr Tiefdruckeinfluss kann die kühlere und feuchtere Luftmasse aber durchaus noch ein paar Kilometer nach Westen gutmachen (die Hoffnung stirbt zuletzt). Allerdings gilt es festzuhalten: Es wäre so oder so nur ein kurzes Vergnügen. Der nachrückende Hochdruckkeil (die Warmfront ist ganz im Westen bereits zu erkennen) wird die Schneefallgrenze bereits im Lauf des Mittwochs wieder auf 1000 m oder sogar höher steigen lassen – sofern denn überhaupt nennenswerter Niederschlag fällt. Klart es wegen des Warmfront-Wolkenschirms nicht auf, liegt nicht mal ein ordentlicher Nachtfrost drin. Und dann heisst es: Überraschen lassen, was die nächste Westwindlage bringt.

Sturmvorschau 29.10.-02.11.2018

Derzeit wird uns eindrücklich vor Augen geführt, weshalb Herbstferien am Mittelmeer nur etwas für Freunde des gepflegten Sauwetters sein kann. Bekanntlich reagiert Wasser auf Temperaturänderungen weitaus träger als Luft, entsprechend bleibt das Mittelmeer nach dem Sommer noch lange warm – bis weit in den Herbst hinein. Die ersten Kaltuftausbrüche aus der sich rasch abkühlenden Polarregion treffen somit in den Herbstmonaten auf sehr warme Luftmassen im Süden, entsprechend heftig sind die begleitenden Wettererscheinungen in dieser Region. Stimmt die Konstellation mit direkter Verfrachtung dieses Giftcocktails in der Atmosphäre in Richtung Alpen, sind die Zutaten für Extremwetter auch hier gegeben. Nicht zufällig fanden die grossen Unwetter der Vergangenheit in den südlichen Alpen häufig im Herbst statt. Aktuell sind sämtliche Zutaten für eine gefährliche Lage gegeben: Sehr hohe Wassertemperaturen im Mittelmeer, Kaltluftvorstoss über die Iberische Halbinsel ins westliche Mittelmeer, starke Südströmung direkt auf die Alpen gerichtet. Den ersten Feuchteschub vom Wochenende haben die vom langen, trockenen Sommer ausgemergelten Böden und Gewässer noch gut schlucken können, doch mit jeder neuen Welle steigt die Gefahr von Hochwasser, Hangrutschungen und Murgängen.

Die Analyse der grossen Druckgebiete und Strömungen in rund 5500 m Höhe im Titelbild zeigt eine klassische Grosswetterlage „Trog Westeuropa“ (TrW), dem Grosswettertyp Süd zugehörig. Diese völlig blockierte Situation mit kräftigem Hoch über Osteuropa, das durch die Warmluftzufuhr aus Süden weiter gestützt wird, kennen wir ja aus diesem Jahr zur Genüge. Westlich von Island ist bereits der nächste Trogvorstoss zu erkennen, der uns in der zweiten Wochenhälfte beschäftigen wird. Klickt man sich z.B. bei GFS durch die nächsten zwei Wochen, so sieht man, dass sich diese Lage immer und immer wieder regeneriert, auf TrW folgt TrW folgt TrW ohne Ende, die ruhigen Phasen mit Zwischenhocheinfluss oder etwas Westwind sind jeweils nur von sehr kurzer Dauer.

Wenden wir uns der aktuellen Entwicklung zu, wobei erst mal der Zutatenmix genauer angeschaut werden muss:

Die Karte mit den durchschnittlichen Wassertemperturen der letzten 7 Tage verdeutlicht die eingangs erwähnte Wärme im Mittelmeer. Der Kaltluftvorstoss, der aktuell zum westlichen Mittelmeer gerichtet ist, bringt rund -30 Grad in 500 hPa, etwa 0 Grad in 850 hPa, was bereits sehr labile Bedingungen für die Bildung heftiger Gewitter in sich birgt. Nun zieht diese explosive Mischung auch noch über ein Gebiet mit Wassertemperaturen um 24 bis 26 Grad – und wir sprechen hier nicht etwa über die Fläche des Bodensees. Aufgrund des blockierenden Hochs im Osten kommt der Trog nicht weiter nach Osten voran, die Strömung vollführt über den Balearen eine Spitzkehre und zieht zurück Richtung Norden – genau über die Alpen hinweg. Grosse Temperaturunterschiede sind der Hauptantrieb für die Bildung von Tiefdruckgebieten, was genau jetzt am Montag zwischen den Balearen und Sizilien geschieht. Im Lauf des Dienstags zieht dieses Tief mit Kerndruck von etwa 980 hPa genau über die Alpen hinweg nach Norden:

Die Luftmassenanalyse zeigt eindrücklich den Warmluftsektor des Tiefs mit sehr energiereicher Luft (feucht und warm), was die Schneefallgrenze auf etwa 3000 m ansteigen lässt. Zum Glück zieht das Tief rasch, sodass bereits nach etwa 12 Stunden die herumgeholte kühlere Luftmasse nachfolgt und die Schneefallgrenze wieder auf etwa 1500 m sinken lässt. Trotzdem sind diese 12 Stunden von heute Montagmittag bis etwa Mitternacht ausreichend, um sehr hohe Niederschlagsintensitäten auf der Alpensüdseite und am Alpenhauptkamm zu produzieren. Aktuell sieht man einen Gewitterkomplex mit sehr hohen Blitzraten die ligurische Küste entlang nach Norden ziehen. Auch wenn sich die Gewitteraktivität über der Poebene abschwächen wird, der Anteil an konvektiv verstärktem Regen wird auch an den Alpen noch hoch genug sein. Egal, welches höher aufgelöste Modell man zu Rate zieht: Am Alpenhauptkamm wird einhellig eine 36-stündige Niederschlagssumme von 250-300 mm gerechnet, örtlich sogar mehr. Was besonders Besorgnis erregend ist: Auch die inneralpinen Gebiete wie das Goms, die Gotthardregion, die Surselva und weitere Teile Graubündens sollen noch rund 150 mm Regen erhalten. Dies ist besonders heikel, weil es in diesen Regionen am Wochenende weit herunter geschneit hat und dieser gespeicherte Wasseranteil nun mit der hohen Schneefallgrenze mit runter gespült wird. Man darf aus den Erfahrungen der Vergangenheit mit Recht fragen, ob die Abflussmodelle diese spezielle Situation im Griff haben.

Ein zusätzlicher Schneefresser ist der Wind: Der Südwind wird mit bis über 3000 m ansteigender Nullgradgrenze im Hochgebirge Orkanstärke erreichen. In den klassischen oberen Föhntälern ist ebenfalls mit orkanartigen Böen zu rechnen. Allerdings ist nicht ganz klar, wie weit der Föhnsturm in die Täler vorstossen kann. Einerseits bremst der über den Alpenhauptkamm hinaus schiessende Niederschlag, andererseits die in den Niederungen lagernde Kaltluft. Je nach Modell ist in der Nacht ein Föhnstoss bis an den Zürich- und Zugersee und bis in die Bodenseeregion möglich – oder auch nicht. Die geschilderte Konstellation sowie die Tatsache, dass das Föhnmaximum in der Nacht erreicht wird, spricht eher dagegen.

Am Dienstagmorgen hat das Tief bereits eine Gegend erreicht, die für klassische Südweststurmlagen bekannt ist:

Mit dem rasch nach Norden ziehenden Tief nimmt der Druckgradient über die Alpen und somit der Föhn rasch ab, was im Lauf des Dienstags eine vorübergehende Entspannung in Sachen Niederschlag in den Südstaulagen bringt. Stattdessen zieht nun der Südwestwind auf der Alpennordseite an und erreicht auf den Jurahöhen Sturmstärke mit Spitzenböen von 100 km/h, auf dem Chasseral wahrscheinlich auch deutlich mehr. Wiederum uneinig sind sich die Modelle bei den Auswirkungen aufs Mittelland und die Nordwestschweiz: In den höheren und exponierten Lagen ist wohl verbreitet mit Böen von 60-75 km/h zu rechnen. Auch hier ist der Unsicherheitsfaktor jener, wie effektiv die bodennahe Kaltluft ausgeräumt wird. In der Westschweiz ist die Sturmgefahr mit Böen von etwa 80 km/h auch im Flachland höher als im Osten, vorsichtshalber sollte man aber auch in der Deutschschweiz alles festbinden oder in Sicherheit bringen, was nicht niet- und nagelfest ist.

Mit dem Abzug des Tiefs nach Norden stellt sich am Dienstagabend vorübergehend eine ruhige Phase ein, bevor der nächste vorstossende Trog über Westeuropa die Südströmung wieder ankurbelt und am Mittwoch den nächsten Föhnsturm (diesmal gemässigter) in den Alpen bringt. Etwa am Mittwoch um die Mittagszeit beginnt es auf der Alpensüdseite wieder zu regnen – zuerst noch leicht, in der Nacht zum Donnerstag dann wieder zunehmend intensiv. Diesmal liegt die Hauptstossrichtung sehr energiereicher Luft weiter östlich:

Bei einer Schneefallgrenze von 1500-2000 m vom Südwallis übers Tessin bis ins südliche Graubünden sind allerdings die erneut berechneten 100-150 mm von Mittwochmittag bis Freitagmorgen angesichts der Vorgeschichte kritisch genug.

Und es wurde einleitend bereits erwähnt: Die Grosswetterlage nimmt so schnell kein Ende, bereits ab Sonntag ist die nächste Welle in Sicht (Gitterpunkt Monte Rosa):

Naturgemäss ist die Streuung in Wochenfrist im Detail noch gross, doch im Groben scheint die Lage recht sicher von den Globalmodellen erfasst zu sein. Da wartet also noch einiges Ungemach auf die Alpensüdseite und im Norden dürfte noch der eine oder andere Föhnsturm anstehen.

Sturmvorschau 21.-27.09.2018

„Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr gross.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren lass die Winde los.“
In keinem Jahr wie 2018 trifft das Gedicht von Rainer Maria Rilke wohl den Nagel besser auf den Kopf. Wenn man noch bedenkt, dass dieses Gedicht 1902 geschrieben wurde, also in einem Jahr, in dem der Sommer um 1 Grad kälter war als das Klimamittel 1961-90, so fragt man sich, welche Worte der gute Rilke wohl 2018 wählen würde. Die heutige Generation unter 30 weiss gar nicht mehr, wie sich ein solcher Sommer anfühlt: Der letzte vergleichbare „sehr grosse“ Sommer war 1987…
Nun: Vor einem Monat wurde an dieser Stelle geschrieben, dass alles ein Ende habe, ausser vielleicht der Sommer 2018. Nun ist es doch noch so weit. Die physikalischen Gesetze, welche dem sinkenden Sonnenstand folgen, können von keinem noch so grossen Sommer ausser Kraft gesetzt werden.

Die aktuelle Luftmassen- und Bodendruckanalyse (Titelbild) zeigt uns ein aus diesem Sommer wohlbekanntes Muster: Ein umfangreiches Tiefdrucksystem schaufelt auf seiner Vorderseite sehr warme Luft über Mittel- und Osteuropa weit in den Norden, stützt dort hohen Luftdruck und wird dadurch an seinem Weiterkommen nach Osten ausgebremst. Das könnte nun ewig so weitergehen, käme nicht endlich Unterstützung aus den Tropen: Das noch unscheinbare, aber sehr warme Randtief über dem Atlantik am linken Rand der Karte enthält Reste des ehemaligen Hurrikans FLORENCE und entwickelt sich entlang der inzwischen schon wieder markanten Temperaturdifferenzen des Nordatlantiks unter dem dort gesunden Jetstream prächtig. Die sich gegenseitig aufschaukelnden Energien in diesem System werden ausreichen, um dem Hoch über Osteuropa ordentlich den Marsch zu blasen – und uns den ersten Herbststurm zu bescheren. Eindrücklicher und nachhaltiger kann man einen Jahreszeitenwechsel nicht einläuten.

Den ersten Anlauf nimmt der Herbst allerdings bereits heute Freitagabend – wenn auch mit bescheidenem Erfolg:

Zwar findet mit der Kaltfront bodennah ein markanter Luftmassenwechsel statt. Da die Höhenkaltluft jedoch deutlich nördlich der Schweiz verbleibt, wird daraus hauptsächlich ein Windereignis. Die mit der Kaltfront verbundenen Regenmengen fallen aufgrund der hohen Zuggeschwindigkeit bescheiden aus, und auch Gewitter sind nur randlich ein Thema: Allenfalls reicht es vereinzelt in den Bergen der Südostschweiz, wo die Sonne noch am längsten einheizen kann, für den einen oder anderen Blitz in den Abendstunden. Mit der Winddrehung auf Nordwest an der Front tritt am Jurasüdfuss ein stürmischer Joran auf, auch an den Engstellen der Alpentäler und auf den Bergen kann es mitunter zu Sturmböen kommen. Ansonsten kommen die Windspitzen in den Niederungen verbreitet zwischen 50 und 70 km/h zu liegen. Die Abkühlung beschränkt sich auf die Alpennordseite, denn der Kaltluftkörper ist derart seicht, dass er es nicht mal über die Alpen schafft. Wer also vom Sommer immer noch nicht genug hat, ist am Samstag auf der Alpensüdseite gut aufgehoben. Im Norden zeigt sich der Samstag vergleichsweise (zu den letzten Tagen) kühl, aber nicht unfreundlich.

Am Sonntag muss erst mal der mächtige Wolkenschirm der Warmfront von ex-Florence über uns hinwegziehen:

Der nachfolgende Warmsektor mit gealterter Tropenluft hat es aber in sich: Noch mal steigen die Temperaturen verbreitet in den sommerlichen Bereich, unterstützt durch stetig auffrischenden Südwestwind, der auf den Bergen im Lauf des Tages bereits Sturmstärke erreicht. Trotz der recht sonnigen (mit hohen Wolkenfeldern) und warmen Aussichten ist der Sonntag somit nicht wirklich für Bergwanderungen geeignet. Stattdessen sollte man besser Vorkehrungen auf Balkon und Garten treffen und alles reinräumen, was nicht niet- und nagelfest ist. Denn ungefähr um Mitternacht trifft kurz vor der Kaltfront das Maximum des Sturmfelds ein:

Stärke und Zugbahn des Tiefs werden von GFS und EZ inzwischen recht einheitlich berechnet. Andere Modelle sehen das Tief etwas nördlicher, aber mit tieferem Kerndruck, wiederum andere südlicher, aber mit höherem Kerndruck – was sich schlussendlich in der Bilanz des Druckgradienten am Alpennordrand in etwa ausgleicht. Stärke und Zeitpunkt des Sturms sind somit relativ gut gesichert. Mit Sturmböen muss man im Flachland wohl vielerorts rechnen, vom Hochrhein bis zum Bodensee auch mit schweren Sturmböen (90-100 km/h), was an den noch voll belaubten wie auch an trockenheitsgestressten Bäumen (dürre Äste) einigen Schaden anrichten dürfte. Immerhin ist der Zeitpunkt mitten in der Nacht nicht so kritisch. Da diesem Blog auch eine treue Leserschaft aus Österreich folgt, noch dieser Hinweis: Das Tief verstärkt sich auf dem Weg nach Osten, hinzu kommt der Leitplankeneffekt der Alpen: Hier liegen durchaus orkanartige Böen in den frühen Morgenstunden des Montags (am Alpenostrand womöglich genau zum Berufsverkehr) drin.

Die Sache könnte sich nun rasch beruhigen, denn die Kaltfront mitsamt Regen zieht am Montag sehr schnell ab. Über Westeuropa baut sich aber ein kräftiges Hoch auf, während sich im Lee der Alpen ein neues Randtief bildet:

Stramme nordwestliche Höhenströmung und ein starker Druckgradient am Boden sorgen nun für einen Nordföhnsturm auf der Alpensüdseite und starke – mitunter am Genfersee und auf den Jurahöhen auch stürmische – Bise im Mittelland. Wie lange diese Situation anhält, hängt nun stark von der weiteren Positionierung des Hochdruckgebietes ab. Manche Modelle lassen es im Westen verharren, womit wir unter Umständen die ganze Woche mit starker Bise und ungewohnt kühlen Verhältnissen rechnen müssten. Es gibt aber auch die Variante mit allmählicher Ostverlagerung, sich von Tag zu Tag abschwächender Bise und Altweibersommer ab der Wochenmitte.

Gewittervorschau 23./24.08.2018: Alles hat ein Ende…

… nur der Hochsommer 2018, der hat wohl keins. Zumindest nicht in absehbarer Zeit, auch wenn derzeit der Sommer-Abgesang durch die Medien getragen wird. Am Mittwoch wurden in der Nordschweiz – obwohl nur 30 angekündigt – bis zu 33 Grad erreicht. Nun steht eine Abkühlung an, die lange als steiler Absturz im Lauf des Freitags gerechnet wurde. Inzwischen zeigt sich, dass sich der Temperaturrückgang recht gleichmässig auf 48 Stunden verteilt. Die kälteste Luft erreicht uns in der Nacht auf Sonntag, anschliessend geht es im gleichen Tempo bergauf, bis wir am Dienstag wieder das heutige Niveau erreicht haben (siehe Ensemble im Titelbild, anklicken für volle Grösse). Danach streut die Prognose naturgemäss, es sieht aber nach Sommerwetter bis weit in die erste Septemberwoche aus, mit ein paar Störungen drin, dessen Intensität heute noch nicht abzusehen ist. Hier zeigt sich eindrücklich, wie schwer es die kühleren Luftmassen haben, sich nach einem sehr heissen und trockenen Sommer auf dem Kontinent durchzusetzen. Einzig die Spitzen gehen sonnenstandbedingt von Woche zu Woche leicht zurück.

Wenn wir uns die grossräumige Druckverteilung und den Wind in etwa 5500 m Höhe anschauen, dann kommt uns das sehr vertraut vor:

Da ist sie wieder, diese Austrogung über Westeuropa, wie schon in den vergangenen Wochen. Diesmal ist der Trog etwas breiter, aber auch dieser läuft auf das von ihm selbst durch Warmluftzufuhr über Osteuropa weit in den Norden geschaffene hohe Geopotenzial auf, während er gleichzeitig durch das Nachrücken eines neuen Azorenhochkeils von Westen her zugeschüttet wird. Same procedure as every week also…

… mit einigen Änderungen im Detail allerdings, denn wie gesagt ist dieser Trog etwas breiter aufgestellt als die letzten – statt ein bis zwei beschäftigt er uns diesmal drei Tage und diesmal ist die mitgeführte Höhenkaltluft auch etwas effektiver (minus 20 bis 22 Grad, letzte Woche waren es noch -14). Es wäre zwar interessant, würde aber den Rahmen dieses Blogs sprengen, die Entstehungsgeschichte dieses Troges zurückzuverfolgen, denn in ihm steckt die Geschichte mehrerer Tiefs, wie an der Abfolge der Kaltfronten zu sehen ist:

Am Donnerstagabend wirkt zunächst mal eine vorlaufende Konvergenz (schwarz), die noch keinen Luftmassenwechsel bringt. Dahinter folgen gestaffelt drei Kaltfronten (blau), daher sieht der Temperaturrückgang im Ensemble so gleichmässig aus. Mit jeder Front folgt eine etwas energieärmere Luftmasse, was sich auch schön an den CAPE-Werten ablesen lässt:

Die erste Kaltfront erreicht uns tageszeitlich ungünstig in der Nacht auf Freitag, zudem wird deren Aktivität auch davon abhängen, wie viel Energie die vorlaufende Konvergenz im Verlauf des Nachmittags und Abends bereits aus der Luft zieht. Schon kurz nach Mittag geht es wahrscheinlich mit den ersten Gewittern über dem Jura los, bald darauf folgen die Alpenzellen, die wie schon am Vortag nicht organisiert sind, und nach dem ersten Triggern durch die Orographie in der Folge recht zufällig durch lokale Konvergenzen von Outflows und synoptischen bzw. Talwind-Systemen entstehen. Aufgrund der schwachen Höhenwinde liegt das Hauptaugenmerk zunächst auf den grossen Regenmengen auf kleinem Raum in kurzer Zeit, kleinkörniger Hagel kann zudem in solchen Dichten fallen, dass Abflüsse vertopft werden und damit die Überschwemmungsgefahr zunimmt. Einige Modelle zeigen Verclusterungstendenzen, diese wohl am ehesten von den östlichen Voralpen ausgehend in Richtung Bodensee laufend.

Zwischen diesem Vorgeplänkel und der bereits erwähnten ersten Kaltfront kann es für einige Stunden ruhig bleiben (Subsidenz zwischen den Fronten), hier drin steckt allerdings bereits die erste grosse Unsicherheit. Nebst der Frage, wie viel Energie die vorgängige Aktivität noch übrig lässt, ist auch das Tempo der Kaltfront noch nicht klar. Hier streuen die Modelle das Eintreffen im Raum Bern zwischen 21:00 und etwas nach Mitternacht. Da es sich hierbei um eine Front handelt, sind die Gewitter schon eher linienförmig organisiert – wie zusammenhängend, wird sich noch weisen müssen, siehe vorhandene „Restenergie“. Damit ist auch klar, dass diesmal der Wind eine grössere Rolle spielt, wobei die Lokalmodelle mit Böen von 60-75 km/h noch relativ zurückhaltend sind. Die Überflutungsgefahr geht aufgrund der höheren Zuggeschwindigkeit etwas zurück, hingegen sind trotz der tageszeitlich ungünstigen Bedingungen lokal mittelgrosse Hagelkörner möglich.

Die zweite Kaltfront zieht im Lauf des Freitags auf, auch hier ist das genaue Timing allerdings noch nicht fixiert. Abhängig davon, wie schnell die erste Kaltfront nach Osten abzieht und wie rasch die zweite nachrückt, kann es am Vormittag noch mal ein sonniges Fenster geben. Je grösser dieses ausfällt, umso aktiver wird die nachfolgende Front. Da aber bereits deutlich weniger Energie in der Luftmasse steckt, ist nicht mehr mit Unwettern zu rechnen. Die plausibelste Variante geht von einer gewittrig durchsetzten Regenfront aus, allenfalls bilden sich in den östlichen Bergen vorlaufend noch ein paar etwas lebendigere Zellen. Der Westwind frischt generell auf, Sturmböen werden hingegen keine modelliert. Während man im Flachland zum Abend bereits mit weitgehend trockenen (wenn auch kühlen) Verhältnissen rechnen kann, wird es im Nordstau des Alpenrands wohl noch länger nass bleiben.

Interessant wird es dann noch mal mit der vierten Front im Lauf des Samstags. Die Höhenkaltluft kommt zwar hintendrein wie das orthodoxe Weihnachsfest, kann aber noch mal für den einen oder anderen kräftigeren und mitunter gewittrigen Schauer gut sein. Ob dabei im 500 hPa-Niveau die -22 Grad wie von GFS gezeigt die Schweiz erreichen oder doch nur -20, wird das Zünglein an der Waage ausmachen. Dabei sinkt die (Vorsicht: Fremdwort!) Schneefallgrenze in der Nacht auf Sonntag theoretisch auf knapp unter 2000 Meter. Theoretisch deshalb, weil noch nicht restlos geklärt ist, wie viel Feuchtigkeit mitgeführt wird und entsprechend überhaupt noch nennenswerter Niederschlag fällt.

Jedenfalls ist am Sonntag der ganze Spuk bereits wieder vorbei, denn sowohl am Boden wie auch in der Höhe baut sich wieder Hochdruck auf, womit der eingangs erwähnte Temperaturanstieg eingeleitet wird:

Der Sonntag somit zwar zu Beginn ordentlich frisch, mit zunehmendem Sonnenschein tagsüber aber bereits wieder erträglich. Einzig in den Bergen wird es mit der Auflösung der Wolken wohl etwas länger dauern, aber spätestens am Montag sollte man auch hier Prachtswetter geniessen können (Geheimtipp: gute Fernsicht in der frisch eingeflossenen Meeresluft).

Am Dienstag kommen wir bereits wieder in die Nähe der Hitzemarke und weil sich von Westen her das nächste Tief nähert, ist wohl auch die Gewittersaison noch nicht vorbei. Lassen wir uns überraschen!

Und wegen der Trockenheitsthematik zum Schluss noch eine ungefähre Niederschlagssummenkarte dessen, was von Donnerstagmittag bis Sonntag früh in etwa zu erwarten ist:

Gewittervorschau 17.-23.08.2018

In der Nacht vom 09./10.08.2014 beendete eine Kaltfront den Sommer, der gefühlt gar keiner war.

Sie kam durch die Hintertür angeschlichen: die Normalisierung. Von April bis Anfang August herrschte in Europa der meteorologische Ausnahmezustand, hervorgerufen durch ein blockierendes Hoch mal über Skandinavien, mal über der Nordsee, mal eher über dem östlichen Mitteleuropa. Atlantische Störungen hatten keinerlei Chance, auf den Kontinent einzudringen, was vielerorts Hitze und lang anhaltende Trockenheit zur Folge hatte. Nun haben wir zwar immer noch Sommerwetter, es gibt immer noch sehr warme bis heisse Phasen, doch sie werden immer wieder durch Angriffe atlantischer Fronten unterbrochen. Völlig normaler mitteleuropäischer Sommer also, könnte man die Vorgeschichte einfach ausblenden. Der nächste Versuch, das Ende des Hochsommers einzuläuten, wird in den kommenden Tagen unternommen. Noch gelingt das nicht wirklich, schon gar nicht wie in anderen Jahren ungefähr Mitte August mit einem nachhaltigen Einbruch kühlerer Luftmassen, doch auch steter Tropfen höhlt den Stein. Man sollte sich schon mal gedanklich darauf vorbereiten, dass die Tage mit Hitze und Schwergewitterlagen allmählich gezählt sind.

Bereits Anfang August hat sich das Zirkulationsmuster vom Nordatlantik bis Nordeuropa umgestellt. Seither befinden wir uns mehr oder weniger in einer für den Sommer typischen schwachen Westlage, die gelegentlich durch Austrogungen über Westeuropa unterbrochen wird. Eine solche Situation zeigt uns auch die Karte mit den grossräumigen Strömungen und den Druckverhältnissen in der Höhe für Freitag:

Durch die Austrogung schaufelt sich das Tiefdrucksystem über dem Nordatlantik gleich das eigene Grab: Vorderseitig wird durch Warmluftzufuhr aus Süden über Mittel- und Osteuropa hinweg bis weit in den Norden die Bildung eines Höhenrückens gestützt, auf den die aus Westen heranrückende Kaltfront (es kommt uns so sehr bekannt vor!) über Mitteleuropa aufgerieben wird. Gleichzeitig rückt aus Westen bereits ein neuer Keil des Azorenhochs nach, der den Trog regelrecht in die Zange nimmt. Folge davon: Über Südfrankreich sehen wir den Beginn eines Abtropfprozesses, der für den Alpenraum von Bedeutung ist. Am Freitagabend präsentiert sich die Lage in rund 5800 m Höhe wie folgt:

Hier sehen wir die ungemütliche Situation des Troges: Die Höhen“kalt“luft, markiert durch knallgelbe bis hellgrüne Bereiche, wird regelrecht zerrissen. Und zwar genau westlich der Schweiz. Der abgetropfte Rest vertschüsst sich nach Südosten in den Golf von Genua, der Muttertrog haut nach Nordosten ab, von der Biskaya her kann sich eine neue Hochdruckbrücke aufbauen. Richtige Höhenkaltluft kann die Schweiz somit gar nicht erreichen, sehr wohl aber bodennah kühlere Luft. Was dies bewirkt, haben wir bei den letzten beiden Kaltfronten gesehen: Gross angekündigt, geschah nahezu nichts – jedenfalls nicht flächig. So ähnlich wird es auch diesmal, und doch ein wenig anders. Durch die Bildung eines eigenständigen Tiefs südlich der Schweiz dreht der Wind in den unteren Luftschichten nämlich bereits früh am Freitag auf Nordwest:

Die dadurch entstehende Divergenz westlich der Schweiz bewirkt Absinken, Druckanstieg und ein Auflösen der Kaltfront, noch bevor sie die Schweiz erreicht. Allenfalls wird sie am Vormittag über dem Jura noch schwach aktiv sein. Die als Joran über den Jura schwappende kühlere Luft stabilisiert die Schichtung über dem Mittelland. Sobald sie jedoch die Rampe zu den Voralpen erreicht, verstärkt sie dort die Hebung. Entsprechend zeigen die meisten Modelle verbreitete Bildung von zunächst Einzelzellen im Lauf des Nachmittags entlang des gesamten Alpennordhangs. Zwischen dem Resttrog im Norden und dem CutOff-Tief im Süden befindet sich die Schweiz in mittleren Luftschichten in der Flautezone. Die Gewitter werden also nahezu ortsfest sein und können so sehr lokal zu grossen Regenmengen in kurzer Zeit führen. Da kaum Scherung vorhanden ist, entsteht nur kleinkörniger Hagel, dieser kann aber unter Umständen hohe Dichten erreichen. Was in der Folge passiert, könnte durchaus spannend sein: Die Outflows der Voralpengewitter konvergieren im Mittelland mit dem synoptisch induzierten Nordwestwind, sodass im Verlauf des späteren Nachmittags und Abends auch über dem Mittelland neue Zellen entstehen können. Dabei sind Verclusterungen möglich, die eine Eigendynamik entwickeln und sich völlig chaotisch bewegen und fortpflanzen. Wie stark diese Entwicklungen ausfallen und vor allem wie lange sie in die Nacht hinein überleben, ist stark davon abhängig, wie viel Kaltluft aus Nordwesten nachströmen kann. Da der geschilderte Abtropfprozess in den Modellen nicht einhellig berechnet wird, bestehen diesbezüglich noch einige Unsicherheiten.

Der Nordwestwind in den unteren Luftschichten bewirkt am Samstagmorgen einen leichten Stau an der Alpennordseite. Einzelne Modelle wollen eine Kombination aus Lake-Effekt und Stau am Südostende des Bodensees und im Bregenzerwald sehen, eine Konzentration hoher Niederschlagsmengen in diesem Gebiet deutet zumindest darauf hin. Ob die Labilität mangels echter Höhenkaltluft dafür und eventuelle Wasserhosen wirklich ausreicht, ist fraglich. Am Samstag tagsüber zeigt sich die Schweiz zweigeteilt:

Wir sehen, dass die feucht-warme Luft inneralpin und im Süden nicht ausgeräumt wird, dazu reicht die schwache und seichte Nordwestströmung nicht aus. In den Alpen und im Süden kommt es somit im Tagesverlauf zu weiteren Schauern und unorganisierten Gewittern. Im Mittelland und Jura zieht wegen des Druckanstiegs nördlich die Bise an, es wird rasch trocken und teilweise sonnig. Man erkennt an obiger Karte aber auch, dass die echte kühle Luft nicht bis zu uns vordringt und über Frankreich verharrt (und dort allmählich erwärmt wird – noch haben wir ja Sommer und das von Westen aufrückende Hoch hilft zusätzlich nach).

Die weiteren Aussichten:

Die neue Hochdruckbrücke löst das, was vom Trog übriggeblieben ist, spätestens am Sonntag völlig auf: Es kommt zu einer antizyklonalen Westlage. Diese Wetterlage erreicht im August das statistische Maximum des Auftretens im Jahresverlauf, ist also sehr jahreszeittypisch. Von den in Nordeuropa aktiven Tiefdrucksystemen können immer wieder schwache Störungen bis zu den Alpen vordringen, bringen aber kaum Regen, sondern nur gelegentliche Wolkenfelder. Lokale Regengüsse oder maximal kurzlebige Gewitter können nur vereinzelt in den Alpen entstehen – falls überhaupt. Erst ab Mittwochabend nehmen die Signale für (schwache) Niederschlagswahrscheinlichkeit am Gitterpunkt über dem Berner Seeland – repräsentativ für das gesamte Flachland – langsam zu. Wie man am stark streuenden Temperaturverlauf sieht, ist die Entwicklung ab Donnerstag völlig offen. Immerhin ist ein etwas nachhaltigerer Vorstoss kühler Luftmassen nicht mehr völlig ausgeschlossen, doch bis dahin fliesst trotz niedrigem Pegel noch etliches Wasser den Rhein hinunter.

Gewittervorschau 06.-12.08.2018

Allmählich scheint sich ein Ende der längsten zusammenhängenden Hitzewelle seit dem Ausnahmesommer 2003 abzuzeichnen – allerdings kommt die Abkühlung in Raten und ist noch mit einigen Unsicherheiten verbunden. Das Interessante dabei ist für uns, dass mit diesem Abstottern anstelle eines einmaligen Ausräumens der Heissluft nun doch eine Serie von spannenden Gewitterlagen ansteht. Dabei ist ein bisschen von allem vorhanden: Dynamische Kaltfronten ebenso wie chaotische Entwicklungen in nahezu stehender Luft. Dabei gilt es allerdings schon zu beachten, dass nun mit jedem Schritt der Hochsommercharakter und somit die Heftigkeit etwas verloren geht. Der im August nun spürbare Rückgang von Tageslänge und Energieeintrag macht sich allmählich auch bei der „Qualität“ der Gewitter bemerkbar. Dieser Wermutstropfen wird dadurch wettgemacht, dass mit täglich anderen Ausgangsbedingungen viel Abwechslung und Spannung im Spiel ist.

Die Karte mit den grossräumigen Druckgebilden und Strömungen in etwa 5500 m Höhe (Titelbild) zeigt auf, dass der lange dominierende Hochdruckblock über Skandinavien wegerodiert wurde und sich nun doch eine allmähliche Zonalisierung – also eine Rückkehr zu westdominierter Zirkulation – einstellt. Allerdings steht die Westdrift noch auf schwachen Füssen: Vor den Westküsten Europas ist bereits der Beginn einer Austrogung zu sehen, begünstigt durch das starke Gefälle der Wassertemperatur zwischen zentralem Nordatlantik und den Randmeeren. Die noch schwache Westlage wird somit immer wieder durch Trog Westeuropa unterbrochen, wobei noch nicht so ganz klar ist, ob diese Tröge mit der Zeit auch nachhaltig auf den Kontinent übergreifen können – was die Voraussetzung für eine dauerhafte Abkühlung wäre. Wenden wir uns aber der etwas gesicherteren Kurzfrist zu:

Ebenfalls auf der Titelgrafik ist zu sehen, dass sich der Alpenraum am Montag direkt unter einer schwachwindigen Zone mit gleichzeitiger Ausbildung eines kleinen Höhentrögleins befindet. Am Boden verliert das Hoch über Zentraleuropa zum Abend allmählich den Einfluss auf die Schweiz. Weder am Boden, noch in mittleren und höheren Luftschichten ist nennenswerte Bewegung auszumachen. Bei gleichzeitig extrem energiereicher Luft ist das Pulverfass voll, fehlt also nur noch der sprichwörtliche Funke. Dieser ist heute mit der starken Sonneneinstrahlung gegeben, und als Zündschnur dienen die Gebirge, wo es als erstes auslöst. Ohne diese würde nämlich mit hoher Wahrscheinlichkeit überhaupt nichts passieren, zu stark ist die Lage gedeckelt. Nun könnte man meinen: typische Berg-Gewitterlage, im Flachland trocken – doch der Schein trügt. Die ersten Gewitter in den Alpen und Voralpen (ev. auch im Jura) können nämlich heftig genug sein, um kräftige Outflows auszulösen. Sofern diese die „richtigen“ Wege finden und im Mittelland aufeinander stossen, entstehen kräftige Konvergenzen, welche die aufgeheizte Suppe in die Höhe drücken. Damit entstehen scheinbar zufällig und chaotisch irgendwo im Flachland neue Gewitter, welche wiederum Outflows produzieren usw… Ein COSMO-Lauf vom Sonntagabend hat Kettenreaktionen gerechnet, die dem Szenario auf einem Billardtisch ähneln. Aufgrund der schwachen Verlagerung und geringen Scherung liegt die Hauptgefahr in lokalen Überflutungen und kräftigen Downbursts bis hin zu schweren Sturmböen. Hagel sollte unter diesen Bedingungen eher kleinkörnig bleiben, kann jedoch beachtliche Dichten erreichen.

Am Dienstag ändert sich insofern etwas, als dass sich über Frankreich mit der Entwicklung des Troges über dem nahen Atlantik am Boden das erste Randtief bildet. Somit kommt in der zweiten Tageshälfte in mittleren Lagen Südwestwind auf:

Ansonsten haben wir dieselbe Luftmasse wie am Montag, es braucht also wieder die Auslöse in den Bergen. Doch diesmal läuft es in geordneteren Bahnen ab: Zumindest im Jura werden die Zellen die klassische Südwestschiene fahren, also mit hoher Wahrscheinlichkeit in die Nordwestschweiz hinaus ziehen. Aus den Alpen und Voralpen heraus ist die Zuggeschwindigkeit deutlich geringer, hier werden Neuentwicklungen wahrscheinlich erneut hauptsächlich durch die Outflows aus den Tälern ins Mittelland geprägt sein. Die Gefahrenlage bleibt in Alpennähe gleich wie am Montag, in Juranähe ist hingegen auch grösserer Hagel möglich.

An dieser Situation ändert sich am Mittwoch vorerst noch nichts, der westeuropäische Trog rückt allerdings langsam näher und damit nimmt in der Höhe auch der Südwest- bis Südwind zu. Abzuwarten bleibt, was aus Südwesten eventuell an Clustern importiert wird, welche die klassischen tageszeitlichen Abläufe etwas durcheinander bringen können. In den Ostalpen kann es allmählich leicht föhnig werden.

Richtig spannend wird es am Donnerstag mit der aufrückenden Kaltfront:

Für Details ist es auf drei Tage hinaus noch zu früh: Zu sehr können Föhneinfluss, Wellenbildungen in der Front und Verzögerungen das Timing beeinflussen. Jedenfalls muss hier das Augenmerk auf potenziell heftige Entwicklungen gerichtet werden. Je nachdem zu welcher Tageszeit und mit welcher Geschwindigkeit die Front vorankommt, ist die Sturmgefahr durch eine vorauseilende Druckwelle hervorzuheben. Dass ein derartiger Luftmassenwechsel allgemein mit heftigen Gewittern und Hagel einhergehen kann, ist wahrscheinlich bekannt. Wir empfehlen die zeitnahe Konsultation des Donnerradars mit bei Bedarf laufend aktualisierten Kurzwetterberichten bzw. Unwetterwarnungen.

Am Freitag ist dann mal durchlüften und durchschnaufen angesagt. Erstmals seit fast zwei Wochen bleibt die Temperatur in weiten Teilen der Schweiz unter 25 Grad. Die Reste der Front ziehen wahrscheinlich im Tagesverlauf nach Osten ab und es wird im Mittelland rasch wieder trocken und zeitweise sonnig, entlang des zentralen und östlichen Alpennordhangs halten sich noch länger Wolken mit etwas Regen.

Die Abkühlung ist allerdings nicht von langer Dauer. Nach den aktuellen Unterlagen stellt sich am Samstag ruhiges Hochdruckwetter mit erneut hochsommerlichen Temperaturen ein. Am Sonntag ist bereits wieder die 30-Grad-Marke in Reichweite, bei den wärmsten Modellberechnungen mit 18-20 Grad in 850 hPa kann sie auch wieder überschritten werden:

Ob bereits im Lauf des Sonntags oder erst am Montag die nächste Kaltfront folgt, schauen wir uns dann besser zeitnah an.