Über fotometeo

Fabienne Muriset hat seit 2004 internationale Erfahrungen als Medienmeteorologin bei Wetterdiensten im deutschsprachigen Raum gesammelt und bietet seit 2011 ihre Dienstleistungen als selbstständige Meteorologin und Fotografin auf dem freien Markt an. http://www.fotometeo.ch

Gewittervorschau 21.-27.07.2017

Vor zwei Wochen haben wir vom Zweiwochen-Rhythmus in diesem Sommer geschrieben, und er scheint sich ungefähr dran halten zu wollen. Wobei, exakt zwei Wochen sind es nicht zwischen den Wellentälern und -bergen. Die kältesten Tage bisher waren der 02.07., der 14.07. und der nächste wahrscheinlich der 25.07., die Spitzen der Hitzewellen hatten wir am 23.06., am 06.07. und 19.07. Es gibt also einen Trend zur Verkürzung der Wellenlänge, die sich in einen 11-Tage-Rhythmus einpendeln könnte. 7 und 11 Tage sind die häufigsten Rhythmen in unserem Wetterablauf, abhängig von der Wellenlänge der Tröge und Rücken, welche in der Westwindzone eingebettet sind. Die 7er sind besonders „beliebt“, wenn die Wellentäler regelmässig aufs Wochenende fallen, doch der diesjährige Sommer ist der gewöhnlich arbeitenden Bevölkerung gegenüber etwas gerechter eingestellt. Nun, das nächste Wellental steht also an und der Übergang von heiss zu kühl ist wie im Sommer üblich von heftigen Wettererscheinungen begleitet.

Das Titelbild zeigt die Grosswetterlage „Tief Britische Inseln“, berüchtigt als Meteorologenschreck, weist sie doch im statistischen Mittel nur eine Häufigkeit von 3 % auf, was schon mal niedrige Erfahrungswerte bedeutet. Die Position des Tiefs versetzt Mitteleuropa in den isobarischen Sumpf, während auf der Vorderseite des Tiefs aus je nach Ausrichtung südlicher bis südwestlicher, zum Ende aus westlicher Richtung feuchte und meist energiegeladene Luft in den Alpenraum geführt wird. Dies sind alles perfekte Zutaten für Gewitter – dass es täglich zu solchen kommt ist schon mal sicher. Auch die Zugbahnen lassen sich anhand der doch recht zügigen Höhenströmung recht gut vorhersagen. Nicht in die Karten blicken lässt sich das Tief bezüglich seiner eingebetteten Kurzwellentröge, was bedeutet dass sich der Zeitpunkt der Entstehung und die Heftigkeit der Gewitter jeweils bis kurz vor dem Eintreffen nur schwer einschätzen lässt, zumal zwischenzeitlich auch schwacher Föhn ins Spiel kommt. Dies ist also die Ausgangslage seit gestern Mittwoch bis und mit Sonntag.

Heute Donnerstagvormittag zog eine tageszeitlich bedingt harmlose Kaltfront über die Deutschschweiz hinweg, die sich jetzt über Bayern und Oberösterreich so richtig austobt. Unter dem Zwischenhocheinfluss bleibt es heute Abend und Nacht verhältnismässig ruhig: Die Gewitter bleiben nördlich der Alpen unorganisiert und verclustern nur inneralpin ein wenig, die Unwettergefahr ist also gering. Heikler wird die Situation am Freitag:

Das in der Nacht über uns hinweg ziehende Zwischenhoch liegt am Freitag nordöstlich von uns und erzeugt eine schwache Bisenströmung, während vom Tief über Grossbritannien der Südwestwind wieder Raum gewinnen möchte. Wir bekommen es also mit einer grossräumigen Konvergenz zu tun, was schon mal bezüglich der Gewitterwahrscheinlichkeit und -verbreitung eine gute Prognose ermöglicht. Die Luftmasse ist mässig labil und schwach gedeckelt, aber sehr feucht. Dies lässt am Nachmittag verbreitete, nicht auf die Gebirge beschränkte Auslöse zunächst vieler unorganisierter Einzelzellen erwarten, die sich im fortschreitenden Tagesverlauf allmählich verclustern. Ein kurzer, schwacher Föhnstoss kann in den zentralen und östlichen Alpentälern die Auslöse noch etwas verzögern, zum Abend dürften aber auch hier verbreitet Gewitter entstehen oder von der Alpensüdseite her übergreifen. Die Hauptgefahr geht also von Starkregen und eher kleinem Hagel in nur mässig schnell ziehenden Gewitterclustern aus. Je nach Stärke der Verclusterung können wie schon am Mittwoch heftige Sturmböen den Gewittern vorauseilen. In der südlichen Höhenströmung mit nur leichter Westkomponente ziehen in den Alpen entstehende Cluster auch ins Mittelland.

Der Samstag läuft wahrscheinlich wieder etwas geordneter ab. Die Konvergenz am Boden ist weg und in der Höhe herrscht eine mässige Südwestströmung. Die Luftmasse ist immer noch dieselbe wie am Freitag. Durch das geringere Forcing am Boden ist die Auslöse mehr an die Orographie gebunden, Gewitter entstehen also wahrscheinlich bevorzugt über dem Jura, den Alpen und Voralpen. Es könnte wieder mal ein klassischer SW-Schienen-Tag werden mit den heftigsten Gewittern von den Voralpen ins benachbarte Mittelland oder vom Jura in Richtung Basel und Hochrhein ziehend. Eher ausgespart wird bei solchen Lagen die Zone vom Jurasüdfuss bis zum Bodensee. Da man bei dieser Wetterlage aber nie im Voraus wissen kann, ob sich vielleicht nicht doch noch irgendwo ein Tröglein oder eine Welle bildet, bleibt das Ganze mit einer gewissen Unsicherheit behaftet.

Am Sonntag setzt sich das Britannientief allmählich in Bewegung, sodass der zykonale Einfluss bei uns zunimmt und im Tagesverlauf eine Kaltfront auf unser Gebiet übergreift:

Die Frage hierbei ist wie immer, ob die modellierte Verlagerung des Tiefs und somit das tageszeitliche Timing in drei Tagen stimmt. Zieht die Front am Vormittag durch, geht sie wahrscheinlich mit viel Regen, ein paar Blitzen und mässigem Wind über die Bühne. Heizt es tagsüber noch ein und die Front erreicht uns gegen Abend, ist das Potenzial für Unwetter, insbesondere die Sturmgefahr, gross. Man darf also mit allen fliessenden Übergängen zwischen diesen beiden Möglichkeiten rechnen. Der aktuelle GFS-Hauptlauf geht vom morgendlichen Kaltfrontdurchgang aus, die Gewittergefahr wäre demnach inneralpin am grössten, wo sich noch Warmluftnester halten. Das Mittelland und der Jura lägen in diesem Fall ab Mittag bereits auf der ruhigen Rückseite der Front (postfrontale Subsidenz). Allzu viel darauf wetten sollte man allerdings nicht.

Am Montag und Dienstag zieht das Tief langsam über Holland und Norddeutschland, wir geraten somit in eine Westströmung mit mässig kühler Luft. Ein echter Kaltlufteinbruch, wie wir dies aus den Sommern der 70er und 80er noch kennen mit tagelang tief verschneiten Alpweiden und ähnlichen Schweinereien, ist es allerdings nicht. Die Schneefallgrenze erreicht ihren Tiefpunkt wahrscheinlich in der Nacht auf Dienstag mit etwa 2500 m. Beide Tage erhalten das Prädikat wechselhaft bis trüb (dies vor allem am Alpennordhang) mit wiederholtem Regen. Vereinzelt gewittrig können die Schauer am ehesten am Dienstag werden, wenn die kälteste Höhenluft des Troges über uns hinwegzieht. Zunehmender Hochdruckeinfluss aus Westen wirkt dem allerdings bereits etwas entgegen.

Am Mittwoch stellt sich mindestens Zwischenhocheinfluss ein. Der weitere Verlauf ist noch völlig offen. EZ sieht eine Westlage, wobei der Alpenraum auf der warmen, eher hochdruckbegünstigten Seite der Frontalzone zu liegen käme. GFS hingegen will eine kurze, aber heftige Hitzewelle, die bereits zum Wochenende wieder beendet wird. Dies wäre ein deutlicher Bruch im bisherigen Hochsommermuster und daher in Frage zu stellen. In einer Woche wissen wir hoffentlich mehr…

Gewittervorschau 08.-14.07.2017

Hält der Deckel, oder hält er nicht? Dies war in den letzten Tagen die am häufigsten gestellte Frage der Meteorologen und sie wird es auch am Samstag noch bleiben. Der zweite recht stabile Hochdruckrücken dieses Sommers hat uns eine weitere (etwas kürzere als die erste im Juni) Hitzewelle beschert. Nun ist wieder die Übergangsphase zur nächsten kühleren Periode angesagt, es wird also für ein paar Tage ruppig. An dieses Auf und Ab sollten wir uns diesen Sommer gewöhnen, denn hat sich ein solches Muster Anfang Juli erst mal eingespielt, hält es in der Regel den ganzen Hochsommer an (moderne Auslegung der Siebenschläfer-Regel). Wenn dieser Takt beibehalten wird, lesen wir uns in zwei Wochen wieder. Dazwischen (in der kühlen und anschliessend in der hochdruckbestimmten Phase) geschieht gewittermässig nicht viel. So kommt jeder in regelmässigen Abständen auf seine Rechnung: Sowohl die Sonnenanbeter, die Gewitterfans und jene die es etwas kühler mögen. Ein gutschweizerischer Kompromiss-Sommer also.

Wie so häufig lohnt sich als Einführung der Blick auf die grossräumige Wetterlage. Das Grundmuster ist eine antizyklonale Westlage, was eine über das nördliche Mitteleuropa verlaufende, relativ stramme Frontalzone bedeutet. Der Alpenraum liegt dabei stets auf der warmen Südseite. Doch nun schlägt der Jetstream über dem östlichen Atlantik wieder aus und bereitet die nächste Troglage vor:

Zu sehen ist ein CutOff-Tief, das bereits seit einigen Tagen über der Iberischen Halbinsel herumeiert. Es wird vom nachfolgenden atlantischen Langwellentrog im Verlauf des Sonntags absorbiert. Diese Einverleibung geschieht über Frankreich und das daraus resultierende Gespann zieht in der Folge über uns hinweg. Nun kann man sich gut vorstellen, dass ein solcher Prozess von den Modellen örtlich und zeitlich etwas unterschiedlich berechnet wird, entsprechend sehen auch die präsentierten Szenarien für Sonntag und Montag verschieden aus. Es ist daher ziemlich sinnlos, heute schon einen genauen Fahrplan präsentieren zu wollen, einmal mehr ist Nowcasting angesagt.

Am Samstag tagsüber geschieht vorerst noch nicht viel. Vorderseitig des spanischen Tiefs steilt der Hochdruckrücken noch mal genau über den Alpen auf und deckelt somit die tageszeitliche Entwicklung. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass das sonst eher zurückhaltende COSMO zerstreute Konvektion rechnet, während die üblicherweise dramatisierenden, im GFS genesteten Modelle den Deckel über der Schweiz stabil rechnen. Wie so oft dürfte es in solchen Fällen (wie schon gestern und heute Freitag) bei einzelnen Deckelbrechern bleiben, die irgendwo durch lokale Konvergenzen unterstützt entstehen können. Für die meisten sollte der Samstag aber noch trocken verlaufen. Die Musik spielt wahrscheinlich wieder knapp nördlich und östlich der Schweiz (wo der Hochdruckrücken weniger Einfluss hat), wobei allenfalls die Bodenseeregion und der Alpstein noch mit ins Orchester einbezogen werden. Spannend wird die Frage sein, ob die unter dem sich nähernden Tief über Frankreich entstehenden Cluster lange genug überleben, um in der zweiten Nachthälfte oder am Sonntagmorgen über der (West-)Schweiz den sterbenden Schwan zu spielen. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist nach den aktuellen Unterlagen eher als gering einzustufen, sie sollte aber im Auge behalten werden.

Am Sonntag selbst ist dann das oben erwähnte Chaos angesagt:

Der atlantische Trog fängt soeben den Rest des CutOff-Tiefs über Frankreich ein, und über Bayern entsteht ein weiteres Hitzetief. Die Schweiz irgendwo dazwischen in Waschküchenluft, von Westen her in der Höhe allmählich labilisierend. Nach Organisation sieht das alles vorerst nicht aus, der Höhenwind zieht erst in der Nacht auf Montag an. Also viele lokale, sich allmählich verclusternde Gewitter mit noch relativ langsamer Verlagerung, wobei das ausfällbare Wasser Werte erreicht, die durchaus hier und da kritisch sein dürften. Vor allem wenn sich ein Cluster irgendwo in einem Tal festsetzt, ist mit Überflutungen zu rechnen. Wo genau, lässt sich naturgemäss erst kurz vorher sagen, darauf gefasst sein sollte man aber überall.

Am Montag räumt der Trog das CutOff-Chaos im Westen auf, das Ganze fängt allmählich an Konturen zu kriegen und die dazugehörige Kaltfront greift auf die Schweiz über:

Hier ist wie schon einleitend gesagt noch nicht sicher, wie der tageszeitliche Ablauf aussehen wird. Zieht die Kaltfront in der ersten Tageshälfte durch, dürfte sich die Sache relativ harmlos abspielen. Sollte sich aber tagsüber vorderseitig der Front noch mal ordentlich Wärme aufbauen, kann es in der zweiten Tageshälfte mit der Front ordentlich zur Sache gehen. Heute lässt sich einzig sagen: je weiter östlich, umso höher das Unwetterpotenzial. Die Details entnimmt man am besten dem bei solchen Lagen zeitnah aktualisierten Kurzwetterbericht unter dem meteoradar-Loop.

Am Dienstag befinden wir uns genau unter dem Trog in bereits kühlerer Luft, somit stabilisiert sich die Lage allmählich. Es gibt aber auch Rechnungen, welche Reste von bodennah warm-feuchter Luft inneralpin belassen, da die Strömung vorerst noch auf West verbleibt. Dies bedeutet im Flachland wahrscheinlich nur noch wenige Schauer, in den Alpen sind aber Gewitter durchaus noch mal in Betracht zu ziehen. Am Mittwoch (dem kühlsten Tag und mit nordwestlicher Höhenströmung) sollte sich das dann auch erledigt haben. Im Nordstau der Alpen bleibt es wahrscheinlich ein trüber Tag mit restlichen Niederschlägen, wobei die höchsten Pässe durchaus mal ein Schäumchen Schnee zu sehen bekommen können. Nach heutiger Sicht wirkt am Donnerstag ein Zwischenhoch mit gemässigten Temperaturen und recht viel Sonnenschein, bevor uns am Freitag aus Nordwesten der nächste Trog besucht und den wahrscheinlichen Tiefpunkt dieses Monats einleitet. Angesichts der Zeitspanne bewegen wir uns hier aber bereits an der Grenze zum Glaskugelbereich.

Gewittervorschau 24.-29.06.2017

Samstagabend wird man gespannt Ausschau nach Westen halten (Bild einer ähnlichen Lage am 07.07.2015)

Nach zwei Wochen im täglichen vielleicht-passiert-heute-etwas-aber-wahrscheinlich-nichts-dramatisches-Modus kommt grossräumig endlich etwas Schwung in die Wetterlage. Das Spekulieren über „Wo geht heute ein Pupfi hoch?“ hat somit ein Ende und wir können uns wieder einmal über etwas unterhalten, das Hände und Füsse hat: nämlich Tröge und Fronten. Diese hatten es in den letzten Tagen schwer: Ein subtropischer Hochdruckrücken über Mitteleuropa hat alles plattgewalzt, was auch nur in die Nähe der Alpen kam. Die Folgen dessen haben wir inzwischen zur Genüge kennengelernt: Hitze mit neuen saisonalen Rekorden, Trockenheit und zunehmende Waldbrandgefahr. Ob eine solch verfrühte Hochsommerphase nur das Amuse-Bouche für einen ganz grossen Sommer war oder ob dieser nun bereits sein Pulver verschossen hat, wird Gegenstand der Untersuchung im inzwischen traditionellen Siebenschläfer-Ausblick des fotometeo-Blogs sein, hier soll es nun erst mal um die spannende Entwicklung der nächsten Tage gehen.

Heute ziehen wir für den Überblick zur Grosswetterlage die Jetstream-Karte zu Rate:

Wir erkennen den Jetstream in bereits hochsommerlicher Position über Nordeuropa mit nur wenigen Mäandern, wobei der ausgeprägteste davon über dem zentralen Nordatlantik liegt. Dieser war für unser stabiles Wetter der letzten Wochen verantwortlich, doch nähert er sich in den kommenden Tagen allmählich Westeuropa und stellt somit die Wetterlage mittelfristig grundlegend um. Aus der aktuellen GWL West antizyklonal wird Trog Westeuropa und in der Folge – aber da scheiden sich noch die Geister bzw. die Modelle – Trog Mitteleuropa. In der Kurzfrist sollten wir aber das Augenmerk auf das kleine blau-türkisige Würmchen richten, das in der Nacht zum Sonntag von den Pyrenäen zu den Alpen kriecht. Es markiert das Starkwindfeld in der Höhe vor einem Randtrog, und das weisse Kreuz über der Schweiz steht ausnahmsweise nicht für unsere Landesflagge, sondern signalisiert uns, dass die Luft in  9-10 km Höhe stark auseinanderfliesst, was die Hebung der darunter liegenden Luftmassen bewirkt.

Und auf genau diese Hebung wird es ankommen, denn obwohl wir den ganzen Samstag direkt unter einer Kaltfront liegen…

… passiert erst mal gar nichts. Wie die Isobaren zeigen, herrscht am Boden westlich von uns bereits wieder Hochdruck, was eine typische Begleiterscheinung flach einfliessender kühler Luftmassen ist. Da wir tagsüber noch unter dem Höhenrücken liegen, ist die Schichtung auf der Alpennordseite mit -10 über +12 Grad in 500/850 hPa zu stabil für Gewitterbildung. Einzig in den Alpentälern und im Süden, wo die bodennah kühlere Luft noch nicht hingelangt, kann es zur Auslöse kommen. Erst am späten Abend nähert sich aus Westen Höhenkaltluft, womit die Differenz zwischen 500 und 850 hPa auf 26-27 Grad ansteigt:

Diese grenzwertige Labilität würde tagsüber gerade mal für kurzlebige Gewitter ausreichen, in der Nacht ohne Sonneneinstrahlung kommt es normalerweise unter solchen Bedingungen nur zu schauerartig verstärktem Regen. Doch die oben erwähnte Hebung, ausgelöst durch die Höhendivergenz, wird das bis dahin lauwarme Süppchen so richtig zum kochen bringen, sodass wir entgegen dem normalen Tagesgang wahrscheinlich die Geburt einer Gewitterlinie irgendwo in unserer Nähe mitten in der Nacht mitverfolgen können. Über die genaue Position der Entstehung sind sich die Modelle noch nicht ganz einig. Zwischen Ostfrankreich/Jura und Zentralalpen ist alles möglich, somit steht fest: Je weiter östlich, umso grösser ist die Gewitterwahrscheinlichkeit. Diese neu geborene Front wird am Sonntagmorgen rasch weiterziehen und unseren östlichen Nachbarn ordentlich den Sonntag verschiffen, wobei man auch dort vielorts auf das kostbare Nass wartet. Hierzulande hingegen wird es im Verlauf des Sonntags immer sonniger, und dies bei erst noch erträglichen Höchsttemperaturen um 25 Grad. Also ordentlich durchlüften denn…

… am Montag regeneriert sich unser Höhenrücken noch mal und der nächste Warmluftschub aus Südwesten zieht ins Land, will heissen: sonnig, heiss, lokale Hitzegewitter am Abend vor allem über den Bergen – wir kennen es ja bereits. Am Dienstag dasselbe nochmal in Rot, denn die Höhenströmung dreht auf Südwest bis Süd und es kommt wohl allmählich der Föhn ins Spiel – immerhin mal was Neues auf der Menükarte dieses Sommers. Wie stark die Gewitterneigung zunimmt, wird davon abhängen, wie rasch uns der Trog im Westen auf die Pelle rückt und wie stark die Luftmasse angefeuchtet wird. Hier gibt es also noch einige Unsicherheiten, die man aber mit Spannung in der Kurzfrist verfolgen sollte, denn solche Lagen bergen besonders in der westlichen Landeshälfte Unwetterpotenzial.

Damit ist auch bereits einleitend vorgewarnt, dass ab Mittwoch so ziemlich alles offen ist, denn über das Vorankommen des westeuropäischen Troges und somit kühlerer Luftmassen nach Osten sind naturgemäss noch viele Fragen offen. Bleibt der Trog im Westen hängen, könnten wir es mit einer markanten Luftmassengrenze irgendwo in unserer Nähe zu tun bekommen, wobei im Osten Österreichs neue Hitzerekorde im Bereich des Möglichen liegen, während man gleichzeitig in Genf bereits die Herbstsachen hervorkramt. Aber vielleicht entschliesst sich ja der Trog für einen raschen Durchmarsch, wir gelangen auf die kühle Rückseite und die Sache beruhigt sich schon bald. Dass es auch noch ein Mittelding gibt, nämlich dass wir tagelang in eine kalt-feuchte Nordströmung gelangen, blenden manche von uns – die Autorin eingeschlossen – vielleicht lieber noch aus…

Gewitter- (und Pfingstschütte-) Vorschau 02.-08.06.2017

Die Grosswetterlage am 02.06.2017 zeigt Mitteleuropa unter einem Höhenkeil, am Boden ist die Druckverteilung jedoch flach

Wer kennt nicht den Film: „Täglich grüsst das Murmeltier“. Ungefähr so kommt man sich als Meteorologe in dieser Woche vor. Der Blick auf die Karte im Titelbild (reinklicken für grössere Ansicht) macht sofort klar, woran es liegt: Weder in der Höhe noch am Boden sind über Mitteleuropa nennenswerte Luftströmungen zu erwarten. Barosumpf nennen wir das, die beste Voraussetzung dass jeden Tag um dieselbe Zeit ungefähr am selben Ort Gewitter entstehen. Besonders betroffen ist derzeit das Dreieck Thun-Emmental-Zentralschweiz. Da kein Wind die Energie in Form von Wärme und Feuchte abtransportieren kann, spielt die Sonne Jo-Jo damit: Was am Vortag zu Boden gefallen ist, steigt tags darauf um die Mittagszeit wieder in die Höhe, wird am Abend erneut ausgeschüttet und so weiter und so fort… Höchste Zeit, dass mal jemand aufräumt in der Wetterküche. Ausgerechnet über die Pfingstfeiertage (wann denn sonst…) übernimmt ein Tief über GB diese Aufgabe, indem es ein Junges gebärt, das die Alpennordseite mit Westwind ordentlich durchbläst. Doch man ahnt es: Im Juni sind solche Westlagen selten nachhaltig, und so kann in einer Woche das Spiel mit der Sonne und dem Jo-Jo wahrscheinlich von neuem beginnen…

Heute Freitag also noch mal „same procedure as every day“: Einzig angetrieben von lokale Talwinden, entstehen kleinräumige Konvergenzen zunächst über Bergkämmen (Jura, Voralpen) und es bilden sich erste lokale, kurzlebige Einzelzellen. Nach einer halben Stunde ist der Spuk in der Regel vorbei, doch der Outflow triggert in der unmittelbaren Nachbarschaft die nächste Zelle. Das Feuchteangebot für Multizellen ist dort ausreichend, wo schon in den letzten Tagen Gewitter niedergegangen sind. Diese können dann schon etwas mehr Wind produzieren und eine Eigendynamik entwickeln, die sich ins benachbarte Mittelland fortsetzt. In den Abendstunden also erneut (wo genau kann man nicht sagen) auch im Flachland hier und da eine ordentliche Dusche, auch kleinkörniger Hagel kann mit dabei sein. Da am Abend allmählich in der Höhe etwas Westwind aufkommt, muss man damit rechnen dass sich ein Cluster möglicherweise auch mal in die Ostschweiz verirrt oder durch Outflow-Konvergenzen aus Schwarzwald, Jura und Voralpen vor Ort bildet. Lasst euch überraschen!

Am Samstag zunächst nochmal dasselbe Szenario: Der Tag beginnt meist sonnig, wobei die zunehmende Dynamik in der Höhe, insbesondere ein starkes Divergenzfeld in rund 9000 m, durchaus für örtliche Morgenkonvektion gut sein kann. Und damit ist auch schon alles über die Prognosegüte in der Kurzfrist gesagt: mässig bis schitter. Denn zu allem Überfluss nähert sich aus Westen eine Kaltfront, die zu Verwellungen neigt, hier eingezeichnet durch die zusätzlichen (T):

Diese Verwellungen sind in der Bodenkarte nicht zu erkennen, einzig in den Karten der mittleren Luftschichten, insbesondere 850 hPa, treten sie deutlich hervor. Der für die Gewitterzugbahnen massgebliche Wind zieht ordentlich an und erreicht am Abend über der Westschweiz etwa 60 km/h aus Südwest, also Superzellenpotenzial über dem Jura. Wie rasch das Ganze nach Osten vorankommt, ist eben vom Verwellungsgrad der Front abhängig: Stärkere Verwellung bedeutet langsamere Ostverlagerung. Daraus ergibt sich der nächste entscheidende Faktor: Ziehen die Zellen auf der klassischen Juraschiene oder bleiben sie auf französischer Seite? Gibt es früh Joran (der die untere Luftschicht stabilisiert) oder eine Druckwelle durchs Mittelland, die an den Voralpen neue Gewitterlinien triggert? Je mehr Modelle man sich anschaut, umso reichhaltiger wird das Menü…

Klar ist: Unwetterpotenzial ist vorhanden. Man muss mit allem rechnen, auch mit einem Rohrkrepierer. In der Nacht zum Sonntag und am Sonntagmorgen zieht die Kaltfront dann durch die Schweiz und bringt ordentlich Regen. Auch hier ist vom Verwellungsgrad der Front abhängig, wie viel Niederschlag wo fällt und wie rasch am Nachmittag aus Westen eine Wetterbesserung eintritt.

Am Montag liegt die Kaltfront genau an den Alpen, gerät allerdings unter den Einfluss einer schwachen Hochdruckbrücke:

Dieses Szenario (sofern es denn auch eintrifft, siehe unsichere Vorgeschichte) spricht für einen eher ruhigen Tag im Mittelland und Jura, hier ist die Labilität höchstens für schwache Gewitter knapp ausreichend. Die Reste der schwülen Luft in den Alpen werden zusammen mit einer konvergenten Strömung hier eher für einen verregneten, mitunter gewittrig (vor allem im Süden und in Graubünden) durchsetzten Tag sorgen. Dabei kann es lokal durchaus zu kritischen Regenmengen kommen.

In der Nacht zum Dienstag erreicht uns die nächste Kaltfront, und erst diese sorgt für den eingangs erwähnten Luftmassenwechsel:

Diese Polarluft ist kalt genug, um am Dienstagmorgen die höchsten Juragipfel und die Voralpen anzuzuckern. Aus Westen setzt sich aber im Lauf des Tages allmählich das nächste Hoch durch, und der Westwind ist kräftig genug, um die Polarluft rasch weiter nach Osten abzuführen. In den 60 Stunden von Dienstagvormittag bis Donnerstagabend setzt in 1500 m Höhe eine Erwärmung von sagenhaften 15 Grad ein. Der Mittwoch also ein sonniger, trockener und angenehm temperierter Tag, am Donnerstag könnte es dem einen oder anderen bereits wieder etwas zu warm werden. Und die ersten Hitzegewitter über den Bergen sind möglich. Vorhang auf für Sonne, Jo-Jo und so…

Gewittervorschau 28.05.-02.06.2017

Der Klassiker bei frühsommerlichen Hochdrucklagen: Gewitterbildung im westlichen Berner Oberland (Lauenensee, 17.06.2013)

In der kalten Witterungsphase von Mitte April bis Mitte Mai musste man es ja fast erahnen: Wenn der Wechsel kommt, dann gleich richtig! Das grossräumig meridionale Strömungsmuster mit kalten Ausbrüchen weit nach Süden erfordert eine entsprechende Gegenbewegung heisser Luft nach Norden, so funktioniert der Ausgleich zwischen polaren und tropischen Gebieten im Frühling am effizientesten. Die spannende Frage dabei ist jeweils, wo genau die extremen Strömungen verlaufen und wie lange sie sich in ihrer Lage halten können. Nachdem wir bereits Ende März bis Mitte April unter der warmen Strömung lagen, hat sie sich jetzt erneut bei uns etabliert und die Kälte rauscht östlich runter: Nordwestrussland erlebt derzeit täglich Nachtfröste und selbst am Tag fällt der Niederschlag zeitweise in fester Form. Unsere verfrühte Hochsommerphase sollten wir mit Verstand geniessen, denn stellt sich das Strömungsmuster nicht grundlegend um (was es im Juni noch selten tut), ist es nur eine Frage der Zeit, bis wir wieder auf die kühle Seite geraten.

Die aktuelle Grosswetterlage ist eine nahezu astreine Hoch Mitteleuropa, ein so genanntes Omegahoch, flankiert von Tiefs westlich und östlich davon:

Wir erkennen ein kleines Höhentief über Grossbritannien, welches die Luft über der Westschweiz heute Samstag ein wenig labilisiert hat, was prompt über dem Hochjura erste ordentliche Gewitter ausgelöst hat. Am Sonntag zieht dieses Tief an der Westflanke des Omegahochs nach Nordosten und somit lässt sein Einfluss auf die Schweiz nach. Die Luftmasse bleibt dieselbe, sowohl in 500 hPa wie in 850 hPa steigt die Temperatur noch um ein Grad, die Differenz von 29 K bleibt für Gewitterbildung günstig, wenn auch nicht optimal unter dem Deckel der Hochkeilachse genau über uns:

Zur Auslöse wird somit durch Konvergenzen geförderte Hebung benötigt. Da sowohl der Höhenwind wie auch der Bodenwind unter dem Hoch schwach bleiben, kommen dafür nur tagesgangbedingte Talwindsysteme in Frage, welche an den klassischen Stellen über Bergkämmen zusammenströmen. Wie auch heute sind somit der Hochjura, die westlichen Voralpen und eventuell das Wallis für die Bildung von nahezu stationären Einzelzellen prädestiniert. Diese verschütten ihren Aufwind und schneiden sich damit selbst den Nachschub neuer Warmluft ab, sodass die Lebensdauer nur selten mehr als eine Stunde beträgt. Die Outflows können in der Nachbarschaft die nächsten Zellen triggern, für Clusterbildungen dürfte das Feuchtangebot allerdings noch zu gering sein.

Da sich die Hochkeilachse nur sehr langsam nach Osten verlagert, haben wir am Montag grundsätzlich immer noch dieselbe Konstellation. Statt über der Westschweiz, liegt die Achse nun über der Ostschweiz. Dies hat zur Folge, dass (vorerst nur schwach) der Wind von nordwestlicher auf südwestliche Richtung dreht und etwas mehr Feuchtigkeit zugeführt wird. Somit steigt das Gewitterpotenzial in der Westhälfte des Landes gegenüber dem Sonntag grundsätzlich etwas an. Was möglicherweise hinzukommt (zumindest rechnet dies GFS so), ist eine Konvergenz in den unteren Luftschichten, hier dargestellt auf etwa 800 m Höhe:

Wir sehen sehr schwachen Wind im Bereich der Konvergenz über der Schweiz, daher ist fraglich, ob das für eine grossräumigere Auslöse auch abseits der Berge ausreichen wird. Man sollte sich in dieser Angelegenheit allerdings nicht auf ein Globalmodell stützen. Die hochaufgelösten Rechnungen vom Sonntag sollten da schon mehr Aufschluss geben. Jedenfalls gilt es dem Montag im Nowcast die nötige Aufmerksamkeit zu schenken, wenn ein Tag des heutigen Vorhersagezeitraums Unwetterpotenzial aufweist, ist es dieser.

Denn am Dienstag fliesst aus Westen bereits deutlich energieärmere Luft ein:

Die Temperatur in 500 hPa sinkt nur um ein Grad, jene in 850 hPa zum Vortag jedoch um drei Grad, das reicht gerade noch knapp für (eher schwache) Gewitter auf der Alpennordseite. Im Südosten dürfte sich die schwüle Luftmasse des Montags noch halten, kräftigere Entwicklungen sind also vor allem in Graubünden und im Tessin zu erwarten.

Am Mittwoch und Donnerstag hätten wir theoretisch immer noch dieselben Voraussetzungen wie am Dienstag, allerdings dreht auf der Vorderseite eines neuen aus Westen heranrückenden Hochs der Wind in den tiefen Luftschichten auf nördliche Richtungen. Nach den heutigen Unterlagen kommt eine Kaltfront knapp nördlich der Schweiz zu stehen, die Alpen würden somit in der warm-feuchten Luftmasse verbleiben:

Eine klassische Sandwichlage, wo die Feuchtigkeit am Alpennordhang regelrecht ausgequetscht wird also. Ob sich die Kaltfront allerdings an die Vorgaben der heutigen Modellrechnungen hält, ist fraglich. Ein bisschen mehr Schwung, und es findet ein Luftmassenaustausch mit rascher Stabilisierung statt. Dann wäre der Mittwoch verregnet und der Donnerstag mit Bise bereits wieder sonnig, aber etwas kühler.

Egal wie es davor abläuft: Für den Freitag zeichnet sich ein neuer Hochdruckkeil ab, der allerdings weniger aufsteilt als der aktuelle und daher auch weniger nachhaltig wirken wird. Auf ein sonniges und warmes Pfingstwochenende sollte man daher noch nicht allzu viel verwetten.

Gewittervorschau 12.-18.05.2017

„Im Mai, im Mai… ischt der April noch nicht vorbei!“ Dieser von Emil Steinbergers Bauernregeln abgewandelter Spruch zeigt dieses Jahr wieder mal seinen Wahrheitsgehalt. Am Mittwochmorgen noch vebreitet Boden- und lokal sogar Hüttenfrost, am Nachmittag mit viel Sonnenschein und einsetzendem Föhn über 20 Grad. Danach ein paar Tage Waschküchenwetter, bevor uns ein Hoch mit einer ersten stabilen frühsommerlichen Phase beschenkt, die – Vorsicht, Spekulation! – mit dem nächsten kalten Gruss aus dem Hohen Norden endet. Unser Hauptaugenmerk richtet sich auf das Gewitterpotenzial von Freitag bis Sonntag, das hoffentlich ausgeschöpft wird, nicht dass der diesjährige April dem Mai in Sachen Gewitterhäufigkeit noch den Rang abläuft. Immerhin war das erste Maidrittel 2017 in Bern im Schnitt knapp zwei Grad kälter als das erste Aprildrittel, was für weite Teile der Alpennordseite repräsentativ sein dürfte. Ist also zu hoffen, dass der diesjährige Trötzeli-Frühling zum Ende hin noch Vernunft annimmt, allzu viel Zeit bleibt ihm dazu nicht mehr…

Zum Verständnis der nachfolgenden Prognoseversuche ist ein einführender Blick auf die Grosswetterlage von Nutzen, hier anhand der Strömung in etwa 5500 m Höhe dargestellt:

Für Mitteleuropa in den nächsten Tagen wetterbestimmend ist ein über dem zentralen Nordatlantik liegender Tiefdruckkomplex, an dessen Südflanke eine auf die Alpen gerichtete südwestliche Höhenströmung zu erkennen ist. In dieser Strömung bilden sich kleine Verwellungen, auch Kurzwellentröge genannt, deren genaue Positionen und Ausprägungen wie immer schwierig vorherzusagen sind. Daher sollten wir uns besser nicht allzu sehr in die detaillierten lokalen Abläufe verbeissen wollen, ein derartiges Unterfangen ist bei solchen Lagen in der Regel zum Scheitern verurteilt. Interessant sind vielmehr die täglich in kleinen Details ändernden Voraussetzungen, welche das Gewitterpotenzial positiv oder negativ beeinflussen.

Am Freitag dreht die bodennahe Strömung von Süd-Südost auf Südwest, sodass sich der Föhn deutlich abschwächt und sich in die obersten Täler zurückzieht. Der abtrocknende Effekt, der heute Donnerstag noch gut gewirkt hat, entfällt somit. Die aus Südwesten herangeführte Luftmasse ist vom Energiegehalt nur als mässig einzustufen, wobei die Energie mehr auf die Feuchte als auf die Wärme zurückzuführen ist. Denn es handelt sich nicht etwa um subtropische Luft, was die Windrichtung vermuten lassen würde, sondern um gealterte, über dem Atlantik und der Iberischen Halbinsel erwärmte Polarluft, die von Norden her westlich des Tiefkomplexes nach Süden geführt wurde. Um das Gewitterpotenzial auszuschöpfen, ist die Luftmasse also auf die tägliche Erwärmung durch die Sonne angewiesen. Und da darf am Freitag aufgrund der recht dichten hohen und mittelhohen Bewölkung zumindest mal ein Fragezeichen in den Raum gestellt werden. Kommt hinzu, dass aufgrund der wiederholten Kaltlufteinbrüche der vergangenen drei Wochen in den Voralpen bis auf etwa 1500 Meter herab noch flächig eine Schneedecke vorhanden ist, welche hier die Erwärmung des Bodens und somit die Thermik hemmt. Die Hebung wird somit nicht in erster Linie orographisch unterstützt sein, sondern aus den schwer zu prognostizierenden synoptischen Hebungsfeldern angetrieben werden. Die diesbezüglichen Divergenzen in der Höhe sind vorhanden, nur wann und wo sie für die Gewitterauslöse ausreichend sein werden, ist kaum vorhersehbar. Jedenfalls ist in der zweiten Tageshälfte mit Schauern und Gewittern zu rechnen, die nicht in erster Linie über dem Relief entstehen, sondern spontan ohne ersichtlichen Grund auch über dem Mittelland. Aufgrund des Windprofils und der mässigen Labilität ist kaum mit organisierten Strukturen und heftigen Entwicklungen zu rechnen. Am ehesten sind lokale Überflutungen zu erwarten.

Am Samstag erreicht der Energiegehalt den höchsten Wert der bevorstehenden Witterungsphase, was vor allem auf die Erwärmung der unteren Luftschichten zurückzuführen ist. Gleichzeitig zieht sich aber die Höhenkaltluft auch ein wenig nach Westen zurück, sodass sich in der Bilanz bei der Labilität gegenüber dem Vortag nicht allzu viel ändert. Mit etwas mehr Sonnenschein dürften mehr Zellen entstehen, auch etwas mehr orographisch unterstützt vor allem am Jura und entlang der höheren Mittelland-Hügelzone. Die Höhenströmung bleibt auf Südwest, büsst aber etwas an Geschwindigkeit ein, was eine langsamere Verlagerung der Gewitter und somit ein höheres Überflutungspotenzial zur Folge hat.

Am Sonntag nähert sich aus Westen kühlere Luft, auf der nachfolgenden Karte grün, während die energiereichere Luft (gelb) durch Winddrehung auf West bis Nordwest an die Alpen gedrückt wird:

Damit verlagert sich die Schauer- und Gewitteraktivität an den Alpennordhang, während das Mittelland und der Jura wahrscheinlich bereits etwas entlastet werden. Am Abend bzw. in der Nacht auf Montag erreicht uns eine Kaltfront (in obiger Karte über Frankreich als Übergang zu den Blautönen zu erkennen). Hier ist noch fraglich, wie aktiv diese Front sein wird, gerät sie doch bereits unter bodennahen Hochdruckeinfluss. Etwas mehr Zunder dürfte von ihr zu erwarten sein, wenn sie dem Trend der Modellläufe folgt und noch etwas früher, also im tageszeitlich günstigeren Fenster bei uns eintrifft.

Der Montag stellt den Übergangstag zur erwähnten Hochdruckphase dar. Die Restfeuchte der Kaltfront wird durch nordwestliche Winde an die Alpen gedrückt, was am östlichen Alpennordhang noch mal ein paar Schauer auslösen kann. Weiter westlich verläuft der Tag mit einsetzender Bise bereits recht sonnig und trocken.

Am Dienstag und Mittwoch erwartet uns stabiles, sonniges und windschwaches Hochdruckwetter, wobei am Mittwoch erstmals verbreitet die Voraussetzungen für einen Sommertag mit Höchstwerten von 25 Grad und mehr geschaffen sind.

Am Donnerstag zieht das Hoch nach Osten und die Luft wird wieder etwas angefeuchtet, insbesondere wird sie durch kräftige Erwärmung auf 26 bis 28 Grad labil genug für lokale Wärmegewitter – die ersten frühsommerlichen Einzelzellen, diesmal aufgrund der kräftigen Schneeschmelze stärker ans Relief gebunden, dürften entstehen.

Sturmvorschau 27.02.-05.03.2017

Höhenwind in rund 5500 m in der Nacht zum 28.02.2017

Abgesehen von dem einen Sturm Mitte Januar war dieser Winter bisher sehr ruhig, hauptsächlich hochdruckgeprägt und daher auch zu trocken. Nun scheint es, als wolle der Winter 2016/17 noch in letzter Minute aufholen, was er bisher verschlafen hat. Das wird ihm bis Dienstagabend aber nur unvollständig gelingen, beginnt doch am 1. März der meteorologische Frühling und so darf dann dieser die statistischen Werte einheimsen, die eigentlich der Winter vorbereitet hat. Denn schaut man sich die aktuelle Ausgangslage an (Titelbild, anklicken für volle Grösse), so zieht zwar der erste Trog noch am Dienstag, 28. Februar durch, der nächste sich auf dem Atlantik befindliche trifft in der Nacht auf Donnerstag bei uns ein, und jener für das nächste Wochenende muss erst noch geboren werden, daher sind die Aussichten diesbezüglich noch unsicher. Eine stürmische Phase zum Winterende ist nicht ungewöhnlich, und die nordhemisphärische Zirkulation macht derzeit (wie schon den ganzen Winter) nicht den Anschein, als wäre die aktuelle Westwindphase von langer Dauer.

Bereits heute Montag zieht der Südwestwind in der Höhe – vor allem im Jura – kräftig an. In den Alpentälern kommt Föhn auf, der in den Abendstunden durchaus Sturmböen bringen und recht weit bis an den Bodensee ausgreifen kann. Der Föhn bricht in der zweiten Nachthälfte mit dem Durchzug einer ersten Kaltfront zusammen. Bereits am Dienstagvormittag zieht die schwach aktive Warmfront eines Teiltiefs über Frankreich durch, am Nachmittag folgt sehr rasch die zugehörige Kaltfront:

Diese wird es in sich haben: Die Höhenkaltluft zieht rasch mit und sorgt für eine Differenz von rund 30 Grad zwischen den 850- und 500 hPa-Schichten. Man darf also davon ausgehen, dass es an der Kaltfront sowie in den rückseitigen Schauern zu elektrischen Entladungen kommen wird. Das tageszeitlich optimale Timing sowie die gegebene Labilität sorgt dafür, dass die Böen des höheren Mittelwindes gut heruntergemischt werden:

Anders als beim trockenen Warmsektorsturm vom vergangenen Donnerstag, der seine Energie hauptsächlich von der starken Sonneneinstrahlung und der daraus folgenden Erwärmung der bodennahen Luftschichten bezog, haben wir es diesmal mit einem schnell ziehenden Teiltief mit nachfolgender Höhenkaltluft zu tun. Die stärksten Böen werden daher wahrscheinlich heftiger, aber in einem kürzeren Zeitfenster mit dem Durchzug der Kaltfront erfolgen. Dabei kann es im Mittelland, vor allem aber an den engen Eingängen zu den Alpentälern durchaus zu orkanartigen Böen (100 bis 110 km/h) kommen.

Durch die rasche Abfolge von Kalt-, Warm- und dann wieder Kaltfront fährt die Schneefallgrenze zwischen Montagnacht und Dienstagnacht Achterbahn zwischen 2000 und 600 m. In der Nacht auf Mittwoch sinkt sie sogar bis auf 400 Meter, wobei die Niederschläge bald einmal abklingen, wenn die Schneefallgrenze unten ankommt. Somit wird im Mittelland auf den mittlerweile recht warmen Böden kaum etwas liegenbleiben.

Der Mittwoch ist zunächst von der kalten Rückseite geprägt: Typ Aprilwetter mit Schauern und kurzen sonnigen Phasen, begleitet von kräftigen Böen. Die Schneefallgrenze steigt mit der tageszeitlichen Erwärmung von den tiefen allmählich in mittlere Lagen an. Bereits am Abend folgt der Warmfrontregen des nächsten Tiefs, die Schneefallgrenze steigt damit erneut auf 1500 m oder lokal sogar höher. Der Mittelwind zieht wieder kräftig an, die Böen in den Niederungen werden sich aber diesmal durch den Regen und die stabile Schichtung der Luft während der Nacht in Grenzen halten:

Die nachfolgende Kaltfront am Donnerstag soll je nach Modell knapp nördlich der Schweiz oder aber genau darüber schleifen. Ob der Donnerstag also ein bewölkter, windiger, aber weitgehend trockener und milder, oder doch eher ein nass-kühler Tag wird, ist somit noch offen.

Überhaupt wird es nun ziemlich unsicher, da sich über Westeuropa ein Trog ausbilden soll, von dem man heute noch nicht sagen kann wie tief er sich eingräbt und wie nah er uns kommt. Klar ist, dass sich damit eine Südföhnlage über den Alpen einstellt. Die GFS-Variante zeigt dabei durchaus einen ordentlichen Föhnsturm am Freitag:

Der Windsprung über dem Jura zeigt bereits die nahende Kaltfront an, welche in der Nacht auf Samstag die Föhnphase unterbrechen und eine kurze stürmische Westwindphase bringen soll. Danach könnte sich der Föhn am Wochenende aber wieder erholen, doch wie gesagt ist dies alles noch ziemliche Spekulation. Am besten macht man sich schon mal auf alle möglichen Varianten (Sturmböen mal in den Föhntälern, mal im Mittelland) gefasst.

Auch die Niederschlagssummen bis zum nächsten Sonntag sind mit einer Portion Vorsicht zu geniessen, da noch nicht klar ist, wie viel Feuchtigkeit mit der Föhnphase zur Alpensüdseite gelangt:

Die Option, dass die winterliche Trockenheit mit dem meteorologischen Frühlingsbeginn zu Ende geht, ist jedenfalls gegeben. Derartige Szenarien wurden uns in den letzten Monaten in der Mittelfrist wiederholt aufgetischt, gekommen ist davon allerdings nur wenig. Man darf also gespannt sein…

Sturm-, Gewitter- und Schneevorschau 12.-18.01.2017

So ähnlich wie der Sturm am 11.01.2016 dürfte auch der diesjährige daherkommen.

So ähnlich wie der Sturm am 11.01.2016 dürfte auch der diesjährige daherkommen.

Jährlich grüsst der Samichlaus, das Weihnachtstauwetter und – genau! – die Sturmlage Mitte Januar. Auf gewisse Dinge ist einfach Verlass, was in unserer schnelllebigen und sich stetig verändernder Zeit gar nicht mal so schlecht ist. Es gibt zwar den weisen Spruch dass sich Wetter nicht wiederholt, und wenn man die Details betrachtet wird man darin auch bestätigt. So gleicht zwar der Titel zu diesem Beitrag jenem vor genau einem Jahr wie ein Ei dem anderen, doch dürfte aus dem diesjährigen Ei eher ein Schneehuhn schlüpfen, während uns das letztjährige einen Kuckuck als Symbol für den nahenden Frühling beschert hatte. Ein gewichtiger Grund für diesen Unterschied dürfte die doch etwas andere Vorgeschichte der ersten zehn Tage des Jahres ausmachen: 2016 war Europa zu diesem Zeitpunkt weitgehend schneefrei, während in diesem Jahr mit wiederholten Kaltluftausbrüchen über Osteuropa eine gesunde Grundlage für hausgemachte Kälte bereit gestellt wurde.

Alles Gute kommt aus Westen oder wie im Fall der winterlichen Sturmtiefs aus Nordwesten, denn der Ursprung liegt so oft in einem Kaltluftausbruch durch die Davisstrasse auf die relativ warme Labradorsee:

20170111-blog2Dargestellt sind die Temperaturen in rund 1500 m Höhe, der weisse Pfeil markiert den Ausbruch arktischer Luft von bis zu -30 Grad auf den Nordatlantik. Dort wird durch die extremen Temperaturunterschiede eine Welle gebildet, die nach 36 Stunden bei uns als Randtief für eine stürmische Nacht sorgen wird. Dabei erwärmt sich die arktische Luftmasse auf dem Weg über den Atlantik unter gütiger Mithilfe von Vermischung mit Subtropenluft auf -5 Grad in 1500 m. Was einmal mehr eindrücklich aufzeigt, aus welcher Richtung wir den Winter in Europa nicht erwarten müssen, allenfalls kann diese Entwicklung die Zutaten in der europäischen Grosswetterküche neu mischen, sofern die Kaltluftausbrüche von Kanada her auf den Atlantik nicht nachhaltig sind, so wie im aktuellen Fall. Doch bevor wir uns der mittelfristigen Entwicklung widmen, wenden wir uns zunächst der Kurzfrist, also dem Sturmtief zu:

20170111-blog3Hier sehen wir das Randtief mit einer Zugbahn über Holland und Norddeutschland hinweg. Das ist die amerikanische Variante, die von UKMO gestützt wird. Etliche Festlandeuropäer wie ICON, Arpège und Hirlam sehen die Zugbahn über Luxemburg und der Mitte Deutschlands, zudem gibt es zeitliche Verschiebungen um etwa 3 Stunden, die aber für uns nicht ins Gewicht fallen. Auch steht für uns ausser Frage, ob wir ins Sturmfeld geraten oder nicht. Allerdings entscheidet die Positionierung des Tiefs und der daraus resultierende Druckgradient darüber, ob im Mittelland Böen von etwa 80 oder gar 100 km/h durchbrechen. Dass auf den Bergen Orkanböen zu erwarten sind, steht wiederum fest. Etwas dämpfend auf die absoluten Spitzenböen in den Niederungen dürfte der Umstand wirken, dass die Kaltfront in der zweiten Nachthälfte durchzieht, somit also der verstärkende Effekt der tageszeitlichen Erwärmung wegfällt. Noch ein Wort zum Niederschlag: Dieser fällt in den freien Lagen der Alpennordseite bereits ab der Warmfront von Mittwochnacht bis in Höhen von rund 1000 m als Regen. Etwas beruhigend dürfte die Nachricht für die Skigebiete sein, dass die Warmfront den inneren Alpentälern vorerst noch Schnee bis in die Tallagen bringt, und die Niederschläge am Donnerstag tagsüber mit der wärmsten Luft (Schneefallgrenze lokal bis 1500 m steigend) nur schwach ausfallen. Kritisch unter diesem Aspekt ist der Regen in der ersten Nachthälfte vor dem Eintreffen der Kaltluft, in tieferen Lagen wird wohl vom bisherigen Schnee nicht allzu viel übrig bleiben. Aber für Nachschub wird schnell gesorgt: Am Freitagmorgen sinkt die Schneefallgrenze bis in die Niederungen und dort wird sie in den folgenden Tagen auch bleiben. Denn in einem sind sich die Modelle nach der unsicheren Zugbahn des Randtiefs wieder einig: Es findet eine mächtige Austrogung über Mitteleuropa bis ins Mittelmeer und in der Folge ein Abschnürungsprozess statt. Für uns bedeutet dies zuerst von Freitag bis Sonntag eine Nord- und in den Folgetagen eine Ostlage.

Mit dieser Nordströmung erreichen uns polare Luftmassen, welche bei einer normalen Eisbedeckung der Arktis für uns strengen Winter bedeuten würde. So aber ist die Luft vorerst gemässigt kalt und auch ausreichend feucht, um immer wieder für Schneeschauer zu sorgen. Am Freitag ist die Höhenkaltluft sogar derart beschaffen, dass es für einige Wintergewitter reichen dürfte. Spannend wird die Lage anschliessend mit dem CutOff-Tief über dem Mittelmeer:

20170111-blog4Über Mitteleuropa bildet sich bodennah eine Hochdruckbrücke bis nach Russland, und jetzt kommt der eingangs erwähnte Schnee in Mittel- und Osteuropa zum Tragen: Unter diesem Hoch kann in klaren Nächten über frischem Schnee sehr effektiv Kaltluft produziert werden, welche mit der einsetzenden Nordostströmung auf die Alpennordseite geführt wird. Manche „Meteorologen“ werden zwar zwecks Effekthascherei wieder mal die Legende der sibirischen Kaltluft bemühen, doch nein, es ist lediglich Kaltluft der Marke Osteuropa. Das starke Druckgefälle zwischen dem Hoch nördlich von uns und dem Mittelmeertief wird einen Bisensturm in Gang setzen, wie wir ihn wahrscheinlich seit Februar 2012 nicht mehr gesehen haben – dies selbstverständlich bei Dauerfrost und zweistelligen Minustemperaturen in den Nächten. Liebhaber von natürlichen Eisskulpturen an Seeufern sollten sich den Dienstag und Mittwoch schon mal in ihrer Agenda vormerken. Getrübt werden könnte das Schauspiel durch schlechte Lichtverhältnisse, sollte das Höhentief tatsächlich die gezeigte nördliche Position beibehalten. In diesem Fall ist nämlich mit hartnäckiger hochnebelartiger Bewölkung zu rechnen, mitunter kann es daraus sogar gelegentlich flöckeln. Das Ende dieser Kälteperiode lässt sich anhand der heutigen Unterlagen nicht festlegen.

Sturmvorschau 20.-24.11.2016

Auswirkung der aktuellen Eis- und Schneeverteilung auf die nordhemisphärische Zirkulation

Auswirkung der aktuellen Eis- und Schneeverteilung auf die nordhemisphärische Zirkulation

In unserem letzten Beitrag vor Monatsfrist haben wir erklärt, weshalb die Herbststürme bei uns in jüngerer Vergangenheit seltener geworden sind. Nun steht der erste nennenswerte Herbststurm dieser Saison (endlich) vor der Tür, auch wenn er uns nur randlich tangiert und in erster Linie in den Föhntälern zu spüren sein wird. Dabei ist es interessant, die Geschichte von Entstehen und Vergehen dieses Sturms genauer unter die Lupe zu nehmen und in den grösseren Zusammenhang der aktuellen nordhemisphärischen Zirkulation zu stellen.

Bekanntlich ist der arktische Eisschild derzeit auf einem Rekordniveau für die Jahreszeit. Nur am Kanadischen Archipel sowie bei Ostsibirien hat die Eisausdehnung das Festland erreicht, während auf europäischer Seite und in der Beringsee die Eisfläche aufgrund warmer Südströmungen in den letzten Tagen sogar noch auf dem Rückzug war. Die Titelgrafik zeigt die momentane Situation mit der grössten Kaltluftproduktion, die in zwei Pole gespalten ist (schwarze Kreise) und deren Weg nach Süden, wo im Kontakt mit wärmerer Luft die Tiefdruckproduktion angekurbelt wird.

Uns interessiert vor allem der Kaltluftausbruch vom Kanadischen Archipel durch die Davisstrasse auf den Nordatlantik hinaus, der am vergangenen Wochenende stattgefunden und nach längerer Zeit wieder mal eine ordentliche Westströmung in Gang gesetzt hat:

20161119-blog2Das Aufeinandertreffen von Polarluft aus Nordwesten und Subtropikluft aus Südwesten hat südlich von Island die Entstehung von Randtiefs begünstigt, das erste hat uns am Freitag die ersten stürmischen Böen bis in die exponierten Lagen des Mittellands gebracht. Im Spätherbst und Frühwinter ist dies eigentlich die Standardgrosswetterlage, welche für das jährliche Maximum an Westlagen im November und Dezember besorgt ist. Diesmal ist das Aufbäumen der Westdrift allerdings nur von kurzer Dauer. Das Fehlen einer Eisdecke über weiten Teilen der Arktis und somit die ungenügende Auskühlung der Luft über dem offenen Wasser sorgt weiterhin dafür, dass der Polarwirbel unrund läuft. Dies wiederum schwächt den Jetstream, wodurch dieser, statt über den Nordatlantik direkt auf Europa zuzusteuern, enorme Umwege schlägt. Sehr eindrücklich die berechnete Situation für kommenden Montag/Dienstag:

20161119-blog3Aus der strammen Westlage wird durch die Austrogung in nur 36 Stunden eine lehrbuchhafte GWL „Trog Westeuropa“, bei dem der Alpenraum knapp auf die Vorderseite des Starkwindbandes zu liegen kommt. Ein paar hundert Kilometer östlich, und die starken Höhenwinde würden die feuchten Luftmassen aus dem Mittelmeer über die Alpen hinweg nach Norden tragen, so aber bekommen wir es mit einer klassischen Föhnlage mit Stauniederschlägen im Süden und trockener Föhnluft im Norden zu tun. Dies ist eine typische Herbstlage und soll die Ungeduldigen unter uns daran erinnern, dass der Winter eben doch erst im Dezember beginnt…

Am Sonntag ist der Austrogungsprozess eben erst in Ausbildung begriffen. Dieser Prozess sorgt dafür, dass das Sturmtief über England allmählich einen nördlichen Kurs einschlägt und das europäische Festland „nur“ mit normalen Sturmböen beglückt, während das Hauptsturmfeld mit Orkanböen durch den Kanal in die Nordsee zieht:

20161119-blog4Die Schweiz wird davon nur am Rand gestreift, das Sturmfeld erreicht gerade noch den Jura, wo in erhöhten Lagen mit Böen um 80-100, auf dem Chasseral vielleicht 120 km/h zu rechnen ist. Der Druckfall auf der Alpennordseite lässt zudem allmählich den Föhn in Gang kommen, der etwa zur Mittagszeit mit Böen um 80 km/h in die typischen Täler durchbrechen und als Gast bis Donnerstag erhalten bleiben dürfte. Der Höhepunkt des Föhnsturms wird in den Süd-Nord ausgerichteten Tälern voraussichtlich am Montagnachmittag erreicht:

20161119-blog5Der Trog erreicht nun seine Reife und der exakt von Nord nach Süd verlaufende Höhenwind schlägt sich bis in die Niederungen durch. Damit stehen die Voraussetzungen gut, dass der Föhn auch im Mittelland zu spüren sein wird, zumal sich die Sonne immer wieder mal zeigt und allfällige Kaltluftseen am Boden wegheizt.

Das Schicksal derart starker Austrogungen liegt darin, dass sich die Trogspitze bald einmal abschnürt und sich ein sogenanntes CutOff-Tief bildet. Dieses kommt über der Iberischen Halbinsel zu liegen füllt sich in der Folge langsam auf. Damit dreht der Höhenwind über den Alpen auf Südost:

20161119-blog6Der Föhn in den klassischen Tälern schwächt sich allmählich ab, ohne jedoch ganz abzustellen. Im Gegenzug verstärkt er sich zum Beispiel im Oberwallis und im Berner Oberland (Guggiföhn!) und  kann bis weit auf den Genfersee ausgreifen. Allerdings ist das Tief doch etwas gar weit im Westen, sodass es wohl kaum zu einer extremen Sturmlage kommen wird. Noch ist nicht ganz klar, wann die Föhnlage zu Ende geht. Der aktuelle Modelllauf zeigt am Donnerstag die Abspaltung eines Randtiefs, das über Frankreich nach Süddeutschland ziehen soll und den Wind bei uns auf westliche Richtung drehen lässt. Die Modellierung solch kleinräumiger Tiefentwicklungen sind jedoch auf mehrere Tage hinaus meist fehlerbehaftet, sodass eine Verlängerung der Föhnlage durchaus möglich ist.

Ein mehrtägige Föhnlage ist in der Regel ein Garant für Starkniederschläge auf der Alpensüdseite:

20161119-blog7Durch das Drehen der Höhenströmung auf Südost ist vor allem der Bereich des Monte-Rosa-Massivs und des Nordtessins bis ins Bergell betroffen. Der von Gebührenmeteorologie gestern angekündigte Meter Neuschnee oberhalb von rund 2000 m dürfte sehr, sehr konservativ geschätzt sein. Vielmehr ist durch Verfrachtung und Verwehungen mit einer grossen Lawinengefahr in den betroffenen Gebieten zu rechnen. Spannend wird sein, wie stark die Niederschlagsabkühlung im Kerngebiet des Starkniederschlags in engen Tälern wirken kann. Greift der Wind nicht bis in die Täler, ist durchgehender Niederschlag in fester Form bis in manche Talböden durchaus denkbar. Somit würde zumindest sehr lokal der Winter doch schon im November Einzug halten. In den übrigen Gebieten ist diesbezüglich hingegen immer noch Geduld angesagt, denn nach dem Ende der Föhnlage stellt sich erst mal für einige Tage eine recht ereignislose Wetterlage ein, bei welcher der Alpenraum im Niemandsland zwischen den weit entfernten Druckzentren zu liegen kommen dürfte.

Vermisstenanzeige

Föhnsturm im Urner Reussdelta, 22.10.2013

Föhnsturm im Urner Reussdelta, 22.10.2013

Vermisst wird seit Ende Oktober 2013 der Herbststurm. Signalement: Gross und kräftig, von gedrungener Statur. Manchmal feucht, manchmal kühl abweisend, manchmal warm, von aufbrausendem Charakter. Der Herbststurm trägt schmutzig-grüne Hosen und einen gelb-rot-braun gesprenkelten Anorak sowie eine Sturmhaube, eine bläulich verspiegelte Sonnenbrille und Gummistiefel. Er wurde letztmals Ende Oktober 2013 in den Alpen gesichtet und wird seither vermisst. Man vermutet einen aktuellen Aufenthalt im Raum Ostsibirien bis Kamtschatka, gelegentlich taucht er aber auch kurz an der Südspitze Grönlands auf. Der Herbststurm ist vermutlich orientierungslos und verwirrt und kann bei Reizung rasch ausser Kontrolle geraten und Schaden anrichten. Es wird daher um schonendes Anhalten und baldmögliche Überführung nach Europa gebeten, wo ihn Meteorologen und wetterbegeisterte Menschen herzlich empfangen werden.

Bis der Herbststurm gefunden ist, müssen wir uns im Alpenraum mit seinem kleinen Bruder zufrieden geben. Der Föhn nimmt heute Sonntag nach Durchzug der Warmfront stetig zu und erreicht am Montagnachmittag seinen Höhepunkt. In den klassischen Föhntälern ist mit Böenspitzen zwischen 70 und 90 km/h zu rechnen. Also kein aussergewöhnliches Ereignis, das eine detaillierte Sturmvorschau rechtfertigen würde. Auch das mit der Kaltfront am Dienstag verbundene Sturmfeld zieht nördlich der Schweiz durch, allenfalls werden im Hochschwarzwald Sturmböen erreicht. In exponierten Lagen des Mittellands und der Nordschweiz dürften 50 km/h die allerhöchste Grenze sein.

Wie schon in den letzten Jahren sind Herbststürme in diesem Jahr rar, bzw. erreichen nicht die gewohnte Stärke. Die Ursache ist in einer zunehmend in den Herbstmonaten gestörten Zirkulation der Nordhemisphäre zu suchen. Während der Nordatlantik normale bis leicht unterdurchschnittliche Temperaturen aufweist, ist der Arktische Ozean sehr warm. Sturmtiefs werden jedoch durch starke Temperaturgegensätze befeuert, diese fehlen im Herbst aufgrund der geringen Eisausdehnung und der überdurchschnittlichen Wassertemperaturen in der Arktis immer häufiger. Starke Gegensätze gibt es hingegen zwischen der relativ warmen Arktis und den bereits stark ausgekühlten Landmassen Ostsibiriens und Nordamerikas. Entsprechend bilden sich die Herbststürme dort und seltener über Nordeuropa. Die Karte mit den prognostizierten Temperaturabweichungen der arktischen und subarktischen Region für Dienstag gibt Aufschluss (für grössere Ansicht in die Karte klicken):

20161023-blog2Zusätzlich zu den Temperaturabweichungen zum langjährigen Mittel sind die Windströmungen in rund 1400 m Höhe dargestellt. Man erkennt ein extrem kräftiges und umfangreiches Sturmtief über Ostsibirien, das sehr warme maritime Luft vom Pazifik über die Beringstrasse ins arktische Becken verfrachtet. Dasselbe geschieht in etwas weniger geringem Ausmass durch ein Tief vor der Küste Ostgrönlands, auch hier werden milde atlantische Luftmassen nach Norden geführt. Als Ausgleich fliesst Kaltluft von der Nordküste Kanadas und Grönlands (dort, wo der arktische Eisschild noch kompakt ist) durch die Davisstrasse nach Süden auf das ostkanadische Festland.

Europa hingegen liegt weiterhin in einer Un-Wetterzone. Was im September mit dem verlängerten Sommer noch angenehm war, präsentiert sich im Oktober mit wenig Sonne, viel Wolken- und Nebelgrau, trotzdem wenig Regen und schon gar keinen Stürmen bei durchschnittlichen Tagestemperaturen von 10 Grad. Für den wetterinteressierten Menschen ist dieses Wetter etwa so prickelnd wie eingeschlafene Füsse. Sehr viel Hoffnung auf eine nachhaltige Änderung besteht derzeit nicht. Gelegentlich verirrt sich ein schwaches Tief zum sterben auf den europäischen Kontinent wie aktuell gerade, danach darf wieder längere Zeit gewartet und gerätselt werden, ob und wann die Zirkulation allmählich auf Winter umstellt und bei uns mal kräftig durchpustet. Bei den derzeitigen Verhältnissen im Hohen Norden sollte man sich nicht allzu viele Hoffnungen machen.