Über fotometeo

Fabienne Muriset hat seit 2004 internationale Erfahrungen als Medienmeteorologin bei Wetterdiensten im deutschsprachigen Raum gesammelt und bietet seit 2011 ihre Dienstleistungen als selbstständige Meteorologin und Fotografin auf dem freien Markt an. http://www.fotometeo.ch

Gewittervorschau 22.-26.05.2016

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Letztes Jahr war am 13. Mai Saisoneröffnung.

Man kann sich beinahe darauf verlassen: Nach den durchgestandenen Eisheiligen – ob mit oder ohne Eis – ist Mitte bis Ende Mai die Zeit gekommen, die Saison mit der ersten Gewittervorschau zu eröffnen. Auch in diesem Jahr erreichen uns die ersten energiereichen Luftmassen aus Südwest bis Süd pünktlich und lassen uns nach dem einen oder anderen gewittrigen Vorgeplänkel der letzten Wochen erstmals über ernsthaftes Unwetterpotenzial spekulieren. Spekulation deswegen, weil zur energiereichen Luftmasse noch ein paar Zutaten mehr gehören, und diese sind je nach Modell auch 60 Stunden vor dem Ereignis noch nicht restlos geklärt. Insbesondere der abtrocknende Einfluss des Föhns sowie das tageszeitliche Timing und die exakte Position der potenziellen Gewitterzone müssen noch abgewartet werden, doch wir wagen mal eine Prognose zum möglichen Ablauf.

Die Grosswetterlage hält uns für den Sonntag einen Trog über Westeuropa bereit – eine jener Wetterlagen, die in der Regel ein hohes Unwetterpotenzial für die Schweiz verspricht:

20160520-blog2Vorderseitig des Trogs bringt eine Südströmung sehr warme und vorerst noch trockene Luft, über den Alpen stellt sich eine klassische Südföhnlage ein. Die Höhenkaltluft liegt noch über Frankreich und nähert sich am Abend der Schweiz, gleichzeitig wird die Grundschicht in der Westschweiz vom Rhonetal her allmählich angefeuchtet, während aus Osten mit Bise und aus Süden mit Föhn noch trockene Luft herangeführt wird. Die konvergierenden Luftströmungen sollen sich am Sonntagabend genau über der Schweiz treffen:

20160520-blog3Die Prognose der Luftmassen zeigt ein typisches Leetief auf der Alpennordseite, das in eine lange Tiefdruckrinne zwischen der Nordsee und dem Mittelmeer eingebunden ist. Inmitten dieser Tiefdruckrinne und völlig innerhalb der energiereichsten Luftmasse bildet sich eine deutliche Konvergenzzone aus (schwarz), während die Kaltfront noch weit im Westen verweilt (blau):

20160520-blog4Damit wären die wichtigsten Zutaten (energiereiche Luft und Konvergenz = Hebung) schon mal gegeben. Auch die Labilitätsindizien sind eindeutig:

20160520-blog5Die Frage die sich bei solchen Wetterlagen immer stellt ist jene nach dem abtrocknenden Einfluss des Föhns und wie lange dieser anhält. Auch entstehen bei solchen Lagen typische trockene Schichten und Inversionen in verschiedenen Höhen, welche die Entwicklung hemmen. Sehr schön ist dies auf der CIN-Karte zu sehen (gelb bis grün = starke Hemmung, rot schwache Hemmung):

20160520-blog6Abgesehen davon, dass sich die Details bis Sonntag noch ändern werden, können wir von einer länger anhaltenden Hemmung der Konvektion ausgehen. Die Bodenkonvergenz ist jedoch derart stark, dass der Deckel mit Sicherheit durchbrochen wird und dann geht die Post richtig ab. Die steuernde Höhenströmung kommt aus südlicher Richtung, sodass bei Auslöse aus dem Jura die Schweiz abgesehen von den nordwestlichsten Regionen am Nachmittag noch kaum betroffen sein wird. Spannend wird es ab jenem Zeitpunkt, wo die Auslöse aus den westlichen und zentralen Voralpen sowie konvergenzbedingt über dem Mittelland erreicht wird. Denkbar ist eine Gewitterlinie, die nur langsam nach Osten vorankommt. Durch die nach Norden ziehenden Zellen werden immer wieder dieselben Gebiete getroffen, sodass sich auf einem relativ schmalen Band über ein paar Stunden hinweg beträchtliche Niederschlagsmengen aufsummieren können. Die genaue Position dieser Linie ist noch nicht mit Sicherheit festlegbar, doch sind bei solchen Wetterlagen Zugbahnen von den westlichen Voralpen über die Region Bern bis Basel beliebt, das Napfgebiet bildet oft über längere Zeit die östliche Grenze. Erst mit Nachlassen des Föhns im Lauf der Nacht kommen die Gewitter deutlicher nach Osten voran, bedingt durch die tageszeitliche Verschiebung ist allerdings mit einer allmählichen Abschwächung zu rechnen. Trüb und nass bleibt es noch den ganzen Montag, wobei Schnee einmal mehr bis etwa 1500 m fällt, lokal auch tiefer.

Wagen wir noch einen Blick auf die weitere Entwicklung:

20160520-blog7Am Dienstag aus Westen allmähliche Wetterbesserung. Am Mittwoch wahrscheinlich sonnig und deutlich wärmer, erste lokale Schauer und Gewitter über den Bergen im Lauf des Abends möglich. Ab Donnerstag mit Südwestströmung wieder Zufuhr warm-feuchter Luftmassen mit noch ungewissem Anteil an Tiefdruckeinfluss, sprich Neigung zu Gewittern. Das wäre dann das Thema der nächsten Gewittervorschau, die Grosswetterlage birgt jedenfalls einiges Potenzial.

Kälteeinbruch ab 24.04.2016

Grossräumige Verteilung der Luftmassen (Temperatur in rund 1400 m Höhe) und steuernde Druckgebilde am Montag, 25.04.2016

Grossräumige Verteilung der Luftmassen (Temperatur in rund 1400 m Höhe) und steuernde Druckgebilde am Montag, 25.04.2016

Den guten alten Mr. Murphy kennt wahrscheinlich jeder. Das Wetter als chaotisches System hält bestimmt wenig von seinem Gesetz, und trotzdem bahnt sich derzeit in der unglaublich aufgeheizten nördlichen Hemisphäre die unglaublich unwahrscheinliche Variante an, dass genau der kleine Rest kältester Polarluft, die irgendwo im Hohen Norden noch herumlungert, auf dem direktesten Weg nach Mitteleuropa findet. Dies wohlverstanden nach einem bisher sehr milden April, in dem die Natur weit fortgeschritten ist. Wenn die aktuellen Prognosen so eintreffen, dürften in Mitteleuropa einige Rekorde purzeln, die mindestens seit dem April 1991, womöglich aber sogar seit 1959 Bestand haben. Dies sowohl was die späteste Schneedecke in tiefen Lagen, als auch die tiefsten Temperaturen in einem letzten Aprildrittel betreffen. Aber schön der Reihe nach…

Über dem Nordatlantik baut sich in diesen Tagen ein umfangreiches, blockierendes Hochdruckgebiet auf. Gestützt wird es durch die warme Südströmung aus den Subtropen bis an die Westküste Grönlands auf der Vorderseite eines kalten Trogs über Ostkanada. An der Ostflanke des Hochs stellt sich eine markante Nordströmung ein, welche die noch vohandene Polarluft im Nordosten Grönlands anzapft:

Abweichung der aktuellen Lufttemperatur 2 m über Grund zur Klimanorm. Quelle: karstenhaustein.com

Abweichung der aktuellen Lufttemperatur 2 m über Grund zur Klimanorm. Quelle: karstenhaustein.com

Weite Teile der Arktis sind seit Monaten extrem warm, einzig im Bereich von Nordkanada bis Nordgrönland hat sich noch ein hartnäckiger Rest sehr kalter Luft halten können. Es gäbe viele Möglichkeiten und Wege, wie diese Arktikluft nach Süden ausbrechen könnte. Bei einem normal aktiven Atlantik würde diese Luftmasse zum Beispiel in einem weiten Bogen über den milden Atlantik geführt und Europa als gemässigte Polarluft aus Westen erreichen. Im April erreicht aber die Tiefdruckaktivität im Nordatlantik das im Jahresverlauf statistische Minimum. Nistet sich nun genau dort ein Hochdruckgebiet ein (und nicht etwa etwas weiter westlich oder östlich) nimmt die arktische Luftmasse den direkten Weg über das europäische Nordmeer und die Nordsee zu uns. Folgende Karte zeigt uns, dass der Atlantik an der Ostküste Grönlands derzeit noch vereist ist, und sich eine Zunge kalten Wassers östlich von Island nach Südosten erstreckt:

20160420-3Interessanterweise nimmt das Luftpaket, das am Montag in der Schweiz eintreffen soll, genau den Weg über das Gebiet mit den tiefsten Wassertemperaturen, und kann somit kaum erwärmt werden:

20160420-4Massgeblich für das, was bei uns am Montag am Boden eintrifft, ist die rote Spur. Sie liegt während des ganzen Wegs während einer Woche direkt auf Meereshöhe, könnte also theoretisch Energie vom Atlantik aufnehmen. Bei genauerem Hinschauen erkennt man aber, dass das Luftpaket beschleunigt und der Weg über die wärmere Nordsee in nur gerade 48 Stunden zurückgelegt wird. Die Karte mit den Wassertemperaturen zeigt uns, dass es keinen besseren als den prognostizierten Weg für die kalte Luftmasse gibt, um möglichst wenig Wärme vom Meer aufzunehmen. Auf der Temperaturkarte von Samstagabend erkennt man sehr gut, wie sich die Kaltluftzunge über das Nordmeer nach Süden voran arbeitet:

20160420-5 So viel also zu Murphys Gesetz. Wenden wir uns nun den Auswirkungen auf Mitteleuropa zu. Die Karte mit den Abweichungen der Lufttemperatur in 2 m Höhe gegenüber dem langjährigen Mittel für Montag zeigt ein schon lange nicht mehr gesehenes Bild:

20160420-6Im südlichen Mitteleuropa werden Abweichungen von 8 bis 12 Grad zur jahreszeitlichen Norm berechnet. Dargestellt sind auch die Windströmungen in rund 1400 m Höhe, was den Weg der kalten Luftmasse bis zu uns noch mal verdeutlicht.

Interessant ist auch die relative Einigkeit der Ensemble-Läufe betreffend dieses Kaltlufteinbruchs, was uns bereits vier bis fünf Tage vor dem Ereignis eine ziemlich gesicherte Prognose ermöglicht:

Ensemble-Prognosen für den Gitterpunkt im zentralen Schweizer Mittelland

Ensemble-Prognosen für den Gitterpunkt im zentralen Schweizer Mittelland

Demnach erreicht uns die kalte Luft in der Nacht auf Sonntag, die Schneefallgrenze sinkt hier bereits bis in tiefe Lagen (im Mittel um 600 m, bei intensivem Niederschlag wahrscheinlich tiefer). Bedingt durch den schon recht hohen Sonnenstand und diffuse Strahlung dürfte der Schnee am Montag tagsüber unterhalb von 600 m kaum liegenbleiben. Sollten die Niederschläge im Nordstau der Alpen aber noch bis weit in den Montagabend anhalten, ist eine dünne Schneedecke auch im Flachland nicht auszuschliessen. Nach jetzigem Fahrplan (der allerdings im Detail noch etwas ändern kann) erreicht uns in der Nacht auf Dienstag trockenere Luft, sodass es verbreitet aufklart. Also ist mit den tiefsten Temperaturen dieses Kälteeinbruchs am Dienstagmorgen zu rechnen. Empfindliche Fröste bis zu -5 Grad sind in windgeschützten Lagen des Flachlands durchaus im Bereich des Möglichen, in höheren Lagen sind auch zweistellige Minuswerte wahrscheinlich.

Wie die Ensemble-Kurven zeigen, erholt sich die Temperatur in der Folge nur langsam. Werte um die jahreszeitliche Norm sind wohl erst zum Wochenende bzw. Monatswechsel zu erwarten. Da diese Blockadelagen im Frühling eine hohe Erhaltungsneigung aufweisen, ist mit weiteren Kälterückfällen auch im Mai zu rechnen. Aufgrund des steigenden Sonnenstands sind derart extreme Werte wie jetzt gezeigt dann aber nicht mehr möglich.

Sturmvorschau 08.-14.02.2016

20160208-blog1Nach dem Föhnsturm vom Wochenende ist noch lange nicht genug: Auf der Westautobahn auf dem Atlantik ist in dieser Woche „freie Fahrt“ angesagt. Von Nordamerika erstreckt sich die Frontalzone schnurgerade über den Nordatlantik bis nach Mitteleuropa (siehe Titelbild). Dabei ist sehr gut zu erkennen, wie die extremen Temperaturgegensätze vor der amerikanischen Ostküste ständig neue Tiefs produzieren. Auf dem weiten Weg über das Wasser werden die Extreme dann stark abgemildert. Bei der polaren Luftmasse ist schön zu sehen, wie sie von anfänglich violett über pink ins blau wechselt, je weiter östlich sie vorankommt. Sie nimmt also vom Atlantik Wärme und Feuchte auf und kommt am Mittwoch als gemässigte Polarluft bei uns an. Zwei Tage Schnee bis in tiefe Lagen, doch nur kurz währt die Freude: Am Freitag gelangen wir wieder auf die milde Seite der Frontalzone und das Schneefallgrenzen-Jojo beginnt von neuem.

Heute Montag bestimmt ein Tief über der Nordsee unser Wetter. Am Nachmittag und Abend streift eine Kaltfront die Schweiz, dabei sorgt vor allem die Höhenkaltluft für etwas Turbulenz. Da sich gleichzeitig in den bodennahen Schichten sehr warme Luft aus Südwesten hält, ist die Labilität hoch. Es kommt zu kräftigen Regengüssen, die auch mal von Blitz und Donner begleitet sein können. In der ohnehin starken Südwestströmung sorgen diese Schauer für Sturmböen, die vor allem in der Nordschweiz und in exponierten Lagen des Mittellands und durch Kanalisierungseffekte am Jurasüdfuss 80 bis 90 km/h erreichen können. In der Nacht zum Dienstag wird es vorübergehend wieder ruhiger, bevor am Dienstag tagsüber ein Randtief nördlich von uns den Druckgradienten erneut verschärft:

20160208-blog2Die Entwicklung des Randtiefs, das mit seinem Kern entlang der belgisch-französischen Grenze nach Deutschland ziehen soll, wird von den Modellen noch sehr unterschiedlich berechnet. Die oben gezeigte Karte von GFS zeigt die progressivste Variante mit einem Kerndruck von 975 hPa, andere Modelle sehen „nur“ 982 hPa oder lassen den Kern weiter nördlich ziehen. Entsprechend sind auch die berechneten Druckdifferenzen zum Alpennordrand unterschiedlich, was sich auf das Sturmfeld bei uns auswirkt. Wenn wir von der stärksten Variante ausgehen, muss mit schweren Sturmböen von 90 bis 100 km/h gerechnet werden. Dies betrifft vor allem die Nordschweiz und den Jura, aber auch das Rheintal bis zum östlichen Bodensee, wo sich um die Mittagszeit vor der Kaltfront noch mal ein kräftiger Föhnstoss durchsetzt. In den übrigen Föhntälern sowie im Mittelland bleibt es wahrscheinlich bei Sturmböen um 75 bis 90 km/h. Auf den Voralpengipfeln wie etwa dem Säntis sind Böen bis 160 km/h möglich.

Am späten Dienstagabend sinkt die Schneefallgrenze mit der Kaltfront allmählich in tiefe Lagen. Am Mittwoch erreicht uns auf der Rückseite des Tiefs markante Höhenkaltluft:

20160208-blog3Der Wind bleibt allerdings unterhalb von 3000 m auf West, sodass sich die Stauniederschläge am Alpennordhang in Grenzen halten. Im Flachland ist immer wieder mit kräftigen Schneeschauern zu rechnen, bei knapp positiven Temperaturen tagsüber bleibt die weisse Pracht allerdings nur kurz liegen. In der Nacht zum Donnerstag kann  es aufklaren, sodass es wieder mal für verbreiteten Frost reicht. Am Donnerstag selbst ziehen nur schwache Störungen durch, sie können gelegentlich für leichtes Geflöckel sorgen.

Das nächste Tief nähert sich uns am Freitag, wobei auch hier auf vier Tage hinaus Zugbahn und Intensität noch ändern können. Nach aktuellem Stand bringt zunächst die Warmfront Schnee bis in tiefe Lagen, dann allerdings steigt die Schneefallgrenze bei stark auffrischendem Südwestwind an der Alpennordseite auf etwa 1000 Meter, während es inneralpin wahrscheinlich bei Schneefall bis in die Tallagen bleibt. In der Nacht zum Samstag kann es durchaus auch im Flachland wieder zu Sturmböen kommen:

20160208-blog4Möglicherweise – dies ist aber bei einer solch dynamischen Wetterlage schon ziemliche Spekulation – folgt in der Nacht auf Sonntag das nächste Sturmtief mit einem noch ausgeprägteren Warmsektor, dann wäre auch inneralpin wieder mal Vollwaschgang bis auf etwa 1500 m Höhe angesagt. Danach zeigen die Modelle ein Aufsteilen des Azorenhochs, was die Westautobahn auf dem Atlantik für einige Zeit sperren dürfte. Die genauen Auswirkungen auf die Grosswetterlage in Europa sind allerdings noch unklar: Sowohl eine Trogsituation mit Polarluft direkt aus Norden ist möglich, aber auch die Etablierung eines kräftigen Hochs, das uns für einige Zeit etwas Ruhe bescheren könnte. Nur eines sollte klar sein: Der Kampf zwischen Winter und Frühling ist noch lange nicht beendet.

Sturmvorschau 30.01.-05.02.2016

Höhenwind in rund 5500 m in der Nacht auf Montag

Höhenwind in rund 5500 m in der Nacht auf Montag

Nach einer ruhigen, hochdruckbestimmten Woche gerät der Alpenraum nun wieder vermehrt ins Zentrum der europäischen Wetterküche. In den letzten Tagen verlief die Frontalzone recht glatt von West nach Ost weit nördlich der Schweiz und schwache Störungen konnten nur mit viel Mühe ihren letzten Lebenshauch bei uns hinterlassen. Nun beginnt der Jetstream wieder etwas stärker zu mäandrieren und schlägt am Wochenende einen Bogen, um aus Nordwest auf die Alpen zu treffen. Allerdings handelt es sich dabei nicht um eine klassische Nordwestlage mit Zufuhr polarer Luftmassen, sondern karibische Luft (per se warm-feucht) wird in einem nördlich verlaufenden Bogen um das sich nach Osten verlagernde Azorenhoch herumgeführt. Sie bestimmt ab Sonntag in Form einer Warmfront unser Wetter, danach gewinnt der Hochdruckeinfluss im Warmsektor die Oberhand. Erst zum Donnerstag nimmt der Winter einen neuen Anlauf, ob er damit den ultimativen Weitsprung schafft, darf aber aus heutiger Sicht noch bezweifelt werden.

Die schwache Kaltfront von letzter Nacht zieht nach Osten ab, auf deren Rückseite trocknet der Hochdruckeinfluss die Luft ab und erwärmt sie gleich wieder. Bis Samstagmittag bleibt es damit ruhig, trocken und mild. Am Samstagabend erreicht uns ein zum Sturmtief über der Nordsee gehöriger Kurzwellentrog mit seiner Kaltfront. Dabei nimmt nicht nur der Höhenwind markant zu, auch in Bodennähe sorgt der sich verschärfende Druckgradient für eine deutliche Verstärkung des Südwestwindes. Mit Eintreffen der Kaltfront am späten Samstagabend können Böen von 60 bis 80 km/h in exponierten Lagen auch ins Flachland durchgreifen, am stärksten betroffen ist die Nordschweiz und der Jura:

20160129-blog2In der Nacht schleift die Kaltfront der Alpennordseite entlang, der Bodenwind bleibt auf West bis Südwest, während der Höhenwind allmählich auf Nordwest dreht. Dabei sinkt die Schneefallgrenze im Jura und im Alpstein gegen 1000 m, in den Alpen bleibt sie teils deutlich höher, da die bodennahe Kaltluft nicht in die Alpentäler vordringen kann:

20160129-blog3Auf der Karte erkennt man deutlich die Luftmassengrenze, welche die Alpen nicht zu überqueren vermag. Das schleifende Frontensystem verlagert sich rasch nach Osten, womit bereits am Sonntagvormittag der warmaktive Teil der Front auf die Schweiz übergreift. Während es in den Alpentälern der Ostschweiz dank Niederschlagsabkühlung noch länger bis in tiefere Lagen (etwa 800 m, lokal vielleicht vorübergehend auch tiefer) schneit, steigt die Schneefallgrenze von Westen her im Lauf des Sonntags bis auf etwa 2000 m. Dabei regnet es vor allem im Weststau der Alpen und des Juras intensiv, dort steigt auch die Schneefallgrenze am schnellsten und am höchsten. Vom nordwestlichen Höhenwind profitiert erstmals in diesem Winter auch Mittelbünden und das Engadin, der Niederschlag der Warmfront wird dadurch ein Stück weit über den Alpenhauptkamm getragen. Unterhalb von 3000 m bleibt der Wind allerdings auf West bis Südwest und verstärkt sich am Sonntagabend noch mal:

20160129-blog4Unter der stabilen Schichtung der Warmfront und mit intensivem Niederschlag wird sich diese zweite Windspitze weitgehend auf die höheren Lagen beschränken, bis zum Boden setzt sich davon kaum etwas durch. Am Montagmorgen mit nachlassendem Niederschlag können sich dann noch mal ein paar ruppige Böen in den Niederungen bemerkbar machen, im Lauf des Montags schwächt sich dann der Wind in allen Höhenlagen allmählich ab.

Ein etwas genauerer Blick lohnt sich auf die Niederschlagsmengen zu werfen, die in 36 Stunden von Samstagabend bis Montagmorgen fallen sollen:

20160129-blog5Das gezeigte GFS-Modell ist dabei am progressivsten, andere Modelle sind da etwas zurückhaltender (lokale Spitzen um 80 mm). Die Modelle haben allerdings solche Lagen auch schon unterschätzt (z.B. Oktober 2011 mit teils verheerenden Überschwemmungen in einigen Alpentälern). Wir haben diesmal das Glück, dass die Niederschlagsphase weniger lange dauert und dass in den letzten Tagen bis in mittlere Lagen einiges an Schnee geschmolzen und in den Abfluss gelangt ist. Die Böden sind dadurch jetzt allerdings gesättigt, sodass die Oberläufe vor allem im Jura und in den westlichen Voralpen an den Rand ihrer Kapazitäten gelangen können. Dank der Trockenheit des vergangenen Halbjahres führen die grösseren Flüsse aber derzeit teils extremes Niedrigwasser, sodass kaum mit verbreiteten Überschwemmungen zu rechnen ist.

Mit dem rasch aus Westen vorstossenden Hochdruckgebiet beruhigt sich das Wetter am Montag rasch und die Nullgradgrenze steigt bis gegen knapp 4000 m. Auf 5700 m werden gerade mal -14 Grad erreicht, ein beachtlicher Wert für Anfang Februar. Der Hochdruckeinfluss hält auch noch am Dienstag, allerdings ziehen in der Höhe immer wieder dichte Schleierwolken durch. Erst am Mittwoch erreicht uns aus Nordwesten die Kaltfront dieses riesigen Tiefdrucksystems im Norden. Die Schneefallgrenze startet bei etwa 1800 m, um bis zum Donnerstagmorgen allmählich in die Niederungen zu sinken. Nun dreht auch endlich der Bodenwind auf Nordwest, sodass am Alpennordhang eine ordentliche Neuschneemenge fallen kann:

20160129-blog6Die Temperatur in 5500 m sinkt auf -35 Grad, sodass es auch im Flachland zu kräftigen Schneeschauern, mitunter auch mal mit Blitz und Donner kommen kann. Am Freitag wirkt bereits ein Zwischenhoch, immerhin kommt es bei aufklarendem Himmel über dem frisch gefallenen Schnee wieder mal zu anständigem Frost. Bereits am Wochenende soll sich aber der nächste Warmluftvorstoss aus Südwesten nähern, denkbar ist auch eine Föhnlage in den Alpen. Ein nachhaltiger Wintereinbruch sieht anders aus…

Sturm-, Gewitter- und Schneevorschau 11.-17.01.2016

Prognostizierte Windstärke in rund 1400 m Höhe am Donnerstagmorgen, 14.01.2016

Prognostizierte Windstärke in rund 1400 m Höhe am Donnerstagmorgen, 14.01.2016

Der Titel lässt es bereits erahnen: Es scheint so, als wolle das Wetter in der kommenden Woche all dies nachholen, was es im hochdruckdominierten Dezember verschlafen hat. Für den Ausgleich der Trockenheit wurde bereits in den letzten zehn Tagen gesorgt, wenn auch nicht zur Freude der mittelhohen Skigebiete, welchen der Vollwaschgang bis in Höhen von 2000 m einen beträchtlichen Teil des zuvor gefallenen Schnees wieder runtergespült hat. Im Gegenzug haben die Turbinen der Flusskraftwerke mal wieder etwas Arbeit und dem Grundwasserspiegel dürfte die aktuelle Regenphase ebenfalls zugute kommen. Doch die eine Frage brennt nach der bereits verstrichenen ersten Winterhälfte nach wie vor unter den Nägeln: Wann sinken auch endlich mal die Temperaturen in den jahreszeit-üblichen Bereich? Nun, dem kann bald abgeholfen werden. Fragt sich nur, für wie lange…

Betrachten wir zunächst die grossräumige Wetterküche, die uns den spannenden Mix der nächsten Woche bescheren soll:

20160110-blog2Ein umfangreicher Tiefdruckkomplex mit Zentrum über den Britischen Inseln figuriert als Steuerzentrum. Auffällig ist die markante Luftmassengrenze zwischen kalter Polarluft (blau) und milder Subtropenluft (gelb bis grün), die schnurgerade über den Atlantik auf den Alpenraum zielt. Entlang dieser Polarfront entstehen immer wieder Wellen und Randtiefs und sorgen bei uns für wechselhaftes, sehr nasses und zeitweise stürmisches Wetter. Im Fachjargon nennt man diese Grosswetterlage „südliche Westlage“ Ws, nicht zu verwechseln mit der Südwestlage SW. Sie tritt recht selten und dabei fast ausschliesslich im Winter auf, wenn sie sich mal nicht gerade in den Hochsommer 2014 verirrt 😉

Eine erste schwache Welle überquert uns am Sonntagabend, die zweite – etwas stärkere – folgt am Montag. Deren Warmsektor lässt am Montagvormittag noch mal kurz den Föhn aufleben, die eine oder andere stürmische Böe in den Föhntälern ist zu erwarten. Dabei steigt die Schneefallgrenze noch mal kurzzeitig auf 1600 m an. Bereits gegen Mittag folgt die Kaltfront, und die Schneefallgrenze sinkt bis zum Abend auf etwa 700 m. Interessant ist jedoch, dass die Höhenkaltluft schneller vorankommt als die Bodenkaltfront (ein Umstand, den man sich mal im Sommer wünschen würde), sodass die Luftschichtung sehr instabil wird. Dabei nimmt der Niederschlag am Nachmittag zusehends konvektiven Charakter an und bringt teils kräftige Schauer und einzelne Gewitter. Der Höhenwind kann dabei gut in die Niederungen heruntergemischt werden, sodass im Flachland mit Böen von etwa 80 km/h zu rechnen ist. In erhöhten und exponierten Lagen sind Böen um 100 km/h möglich.

Wir verbleiben auch am Dienstag in dieser labil geschichteten Rückseitenluft, wobei sowohl Höhen- wie Bodentemperaturen zurückgehen, der Spread aber noch etwas zunimmt. Daraus resultiert am Dienstag sehr unbeständiges Schauerwetter, dabei ist mit Graupel und Schneeflocken bis in tiefe Lagen zu rechnen. Nach wie vor können Blitz und Donner mit von der Partie sein, und die Wahrscheinlichkeit für teils schwere Sturmböen bleibt bestehen. Die Windkarte zeigt zwar nur ein mässig starkes Sturmfeld, doch die Böigkeit ist durch die Schauertätigkeit sehr hoch:

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Am Mittwochvormittag schneit es entlang des Alpennordhangs noch bis in tiefe Lagen, danach nähert sich von Westen her ein Zwischenhoch und sorgt für eine Wetterberuhigung. In der Nacht auf Donnerstag klart es verbreitet auf, sodass die Temperaturen unter den Gefrierpunkt fallen.

Dies ist keine gute Nachricht für alle Pendler, denn am Donnerstagmorgen erreicht uns aus Westen die Warmfront des nächsten Randtiefs. Zunächst fällt Schnee bis in die tiefsten Lagen, der aber bis in Höhen von etwa 1200 m in Regen übergeht. Der Mix aus gefrorenen Böden, frischem Schnee und Übergang in Regen birgt durchaus das Potenzial für ein grösseres Verkehrschaos. Mit der am Mittag folgenden Kaltfront mischt es dann auch wieder Sturmböen bis ins Flachland herunter. Dabei darf der Hinweis nicht fehlen, dass ein derart kleinräumiges Tief auf vier Tage hinaus noch sehr unsicher bezüglich Intensität, genauer Zugbahn und Timing zu prognostizieren ist:

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Auf der Rückseite dieses Tiefs dreht der Wind auf Nordwest und es fliesst erstmals (zumindest für den westlichen Teil) in diesem Winter echte Polarluft bis zu den Alpen. Die Schneefallgrenze sinkt bis in die tiefsten Lagen und am Alpennordhang dürfte dabei noch eine ordentliche Schneedecke zustande kommen. Inwiefern dies auch für das Mittelland zutrifft, ist noch sehr unsicher. Dies hängt stark davon ab, wie rasch der Hochdruckeinfluss von Westen her zunimmt. Klar ist aber, dass die eingeflossene Polarluft für die ersten strengen Nachtfröste bis über das Wochenende hinaus sorgt. Wie lange die winterliche Phase anhält, ist noch sehr unsicher:

20160110-blog5Entscheidend ist das Gerangel um die besten Plätze über dem Nordatlantik. Dabei spielt das subtropische Tief bei den Azoren wohl das Zünglein an der Waage. Es steuert auf seiner Vorderseite sehr milde Luft nach Norden und fördert damit den Aufbau eines Höhenrückens, der uns für einige Tage von der Westwindzirkulation abschotten soll. Nicht klar ist, wie sich das zugehörige Bodenhoch verhält. Die Variante des gezeigten amerikanischen Modells sieht eine rasche Verlagerung nach Osten vor, die Folge wäre die Grosswetterlage Hoch über Mitteleuropa mit trockenem, aber bodenkaltem Wetter mit strengen Nachtfrösten. Diese Variante öffnet jedoch nach etwa fünf Tagen die Tür für mildere Luftmassen aus Südwest. Etwas nachhaltiger in Sachen Winterwetter ist die Variante des europäischen Modells, denn es lässt das Hoch über den Britischen Inseln verharren, womit wir in eine länger anhaltende Nordströmung geraten. Auch dabei würde in den West- und Zentralalpen kein Schneenachschub mehr folgen, doch die Kältephase würde etwas länger dauern und hätte bei einer Verlagerung des Hochs in Richtung Skandinavien das Potenzial für eine sehr kalte und länger dauernde Ostlage. All dies ist Spekulation und es gilt somit abzuwarten, wie sich die Druckgebilde am nächsten Wochenende positionieren.

Sturmvorschau 20.-26.11.2015

Fertig sünnle im Martinisommer! Am Sonntag herrscht an dieser Stelle tiefster Winter.

Fertig sünnele im Martinisommer! Am Sonntag herrscht an dieser Stelle tiefster Winter.

Zwei lange Monate der Ereignislosigkeit in der Wetterküche (nimmt man den lästigen Kaltlufttropfen Mitte Oktober mal aus) neigen sich dem Ende zu – höchste Zeit also, die Meteorologen aus den wohlverdienten Herbstferien zurückzurufen! 😉 Längere Hochdruckphasen gehören zwar zum normalen Repertoire eines Herbstes, eine derart lange und vor allem extrem milde Hochdruckphase – zuletzt unterstützt durch zunehmenden Westwind – kommt jedoch selten vor. Umso interessanter ist die nun bevorstehende Umstellung der Grosswetterlage, markiert sie doch einen extremen Wechsel von der herbstlichen zur winterlichen Zirkulation der Nordhemisphäre. Hier sei allerdings gleich vorausgeschickt, dass die Nachhaltigkeit dieser Umstellung noch sehr umstritten ist. Zeigen doch die beiden führenden Modelle EZ und GFS völlig unterschiedliche Lösungen zum Ende der nächsten Woche, was die Entwicklung über dem Nordatlantik betrifft und somit auch, ob die Nordlage bei uns länger anhält oder ob sich der milde Westwind schon bald wieder zurück meldet.

Um die markante Umstellung der Wetterlage nachvollziehen zu können, lohnt sich ein Blick in die Höhenwind-Karten des Nordatlantiks vom Freitag:

20151118-blog2Aktuell liegt Europa immer noch im seit bald zwei Wochen bestehenden Westwindgürtel, der sich allerdings in den letzten Tagen kontinuierlich nach Süden verschoben und zunehmend das ruhige Hochdruckwetter im Alpenraum verdrängt hat. Der über den zentralen Nordatlantik direkt auf Europa gerichtete Jetstream sieht völlig gesund aus und würde eine Fortsetzung des wechselhaften und milden Westwindwetters erwarten lassen. Das kleine, unscheinbare Hoch zwischen Neufundland und Grönland hat allerdings etwas dagegen: Es ist das Produkt der sehr milden Vorderseite eines markanten Ausbruchs von Polarluft auf den amerikanischen Kontinent. Es nimmt in der Folge eine Verbindung mit dem Azorenhoch auf und kappt somit die direkte Westwindzirkulation über den Nordatlantik. Der Jetstream muss sich einen neuen, viel weiter nördlich liegenden Weg suchen und bricht dann über Island nach Süden aus: Unsere Nordlage und somit der Wintereinbruch ist geboren.

Bevor der Nordwind jedoch die Oberhand gewinnt, dreht der Westwind bei uns noch mal richtig auf:

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Luftmassen- und Frontenanalyse von Freitagvormittag. Die eigentliche Polarluft (violett) bringt uns das Randtief, das sich noch über Schottland befindet, erst am Samstag.

An der ersten Luftmassengrenze, welche die sehr milde Subtropenluft (gelb-hellgrün) von gemässigter Polarluft (hellblau) trennt, entwickelt sich über Nordfrankreich eine Welle, die seit Tagen je nach Modell und Lauf mal schwächer, mal stärker als eigenständiges Randtief gerechnet wird. Die oben gezeigte Version gehört zu den moderateren, bei welcher der Kerndruck über Süddeutschland am Freitagnachmittag 1005 hPa betragen soll. Andere Modelle wie etwa das englische UKMO gehen von einem Kerndruck von 1002 hPa aus, das deutsche ICON sieht ebenfalls 1002 hPa, aber noch deutlich südlicher direkt am Alpenrand. Die exakten Auswirkungen bezüglich Positionierung, Stärke und Dauer des Sturmfeldes sind daher auch zwei Tage vor dem Ereignis noch nicht restlos geklärt. Sicher ist, dass auf den Bergen verbreitet mit Orkanböen über 120 km/h zu rechnen ist, die exponiertesten Gipfel können durchaus auch 150 km/h und mehr aufweisen. Die Windspitzen in den Niederungen dürften zwischen 70 und 90 km/h liegen, was zugegebenermassen eine grosse Spannweite darstellt. Jedenfalls liegt man auf der sicheren Seite, wenn man zuvor lose Gegenstände sichert und sich am Freitag von Wäldern und morschen Bäumen fernhält.

Nicht zu vernachlässigen ist der Niederschlag, der aufgrund der schleifenden Front und den Weststau-Effekten sowie der Tatsache, dass wir wahrscheinlich bis Samstag früh auf der warmen Seite verbleiben werden, recht ergiebig ausfällt. Die ersten 50 bis 80 mm werden bis Freitagnacht unterhalb von 1800 bis 2000 m als Regen fallen, erst ab Samstagmorgen sinkt die Schneefallgrenze dann allerdings recht rasch bis in tiefe Lagen, wobei die Intensität des Niederschlags vor allem im Mittelland deutlich nachlässt.

Im Lauf des Samstags bildet sich über Norditalien ein Leetief, das die Bodendruck-Differenz zwischen Nord und Süd markant vertieft. Unterstützt von dem auf Nordwest drehenden Höhenwind wird in den Tälern der Alpensüdseite stürmischer Nordföhn auftreten. Auch nördlich der Alpen bringt das zweite Randtief am Abend noch mal stürmische Böen aus Nordwest. Im Nordstau der Alpen schneit es jetzt bis in die Niederungen, wenn auch mit nachlassender Intensität. Im Flachland ist bis Sonntagabend immer wieder mit kräftigen Schneeregen- und Graupelschauern zu rechnen, auch Gewitter liegen im Bereich des Möglichen.

In der Folge drehen weitere Randtiefs ihre Runden um den mitteleuropäischen Trog und bringen uns am Montag und Dienstag abwechslungsreiches, winterliches und zeitweise windiges Winterwetter. Genaue zeitliche Abläufe sind aufgrund der kleinen Strukturen in der Tiefabfolge noch nicht festzulegen. Sollte eine ruhigere Phase auf die Nachtstunden fallen, kann es zu den ersten empfindlichen Frösten der Saison kommen.

Sturmvorschau 16.-17.09.2015

Position von "Henri" in der Nacht auf Mittwoch. Der ehemalige Tropensturm wird in die zyklonale Strömung vom Zentraltief über den Britischen Inseln aufgenommen

Position von „Henri“ in der Nacht auf Mittwoch. Der ehemalige Tropensturm wird in die zyklonale Strömung vom Zentraltief über den Britischen Inseln aufgenommen

Der September ist der April des Herbstes – man weiss nie was man bekommt, oft auch wenige Tage zuvor nicht. Zwischen spätsommerlichen, in Ausnahmefällen sogar hochsommerlichen Phasen und frühen Wintereinbrüchen liegen oft nur wenige Tage. Vermeintlich beständige Grosswetterlagen können innerhalb kürzester Zeit völlig umschlagen, sicher geglaubte Mittelfristprognosen am nächsten Tag bereits wieder Makulatur sein. Nicht selten haben dabei ehemalige Tropenstürme ihre Hand im Spiel. Nämlich dann, wenn sie über dem Atlantik in die Westwinddrift aufgenommen werden und zwar als normale Tiefs, oft aber mit einem Rest tropischer Luftmasse im Schlepptau die Temperaturgegensätze auf geringer Distanz verstärken und damit eine schwierig zu prognostizierende Kettenreaktion in Gang setzen. Ein solches Szenario, verursacht durch den ehemaligen Tropensturm „Henri“ (der entgegen anders lautenden Berichten nie ein Hurrikan war), bestimmt in den nächsten Tagen unser Wettergeschehen.

Das seit Tagen stationär über den Britischen Inseln rotierende Zentraltief bindet den ehemaligen Tropensturm „Henri“ in der Nacht auf Mittwoch in seine zyklonale Strömung (gegen den Uhrzeigersinn) ein. Man erkennt in der Karte oben gut die tropische Luftmasse, die als rote Schleppe in das Tief gesogen wird, während auf der Rückseite des Zentraltiefs polare Luftmassen (blau) aus Norden einfliessen. Die dadurch entstehenden markanten Temperaturgegensätze von über 15 Grad auf engem Raum lassen das Tief erneut erstarken. Sobald es auf die Trogvorderseite gelangt, befindet es sich zusätzlich unter dem divergierenden Jetstream. Vereinfacht gesagt, strömt dort in rund 9 km Höhe die Luft auseinander und saugt Luft von unten nach, am Boden vertieft sich der Druck weiter. GFS zeigt für Mittwochnachmittag einen Kerndruck von 982 hPa über dem Ärmelkanal, die meisten anderen Modelle gehen sogar leicht unter 980 hPa. Bei gleichzeitig hohem Druck südöstlich der Alpen entsteht ein starkes Luftdruckgefälle: Föhn stellt sich ein.

20150915-blog2Die Windkarte vom Mittwochnachmittag zeigt die Südströmung in rund 1400 m Höhe über die Alpen sehr deutlich. Der Modellwind wird zu schwach dargestellt, weil das Gebirge in die modellierte Fläche hineinragt. Die gezeigten Windstärken westlich und östlich der Alpen geben die realen Verhältnisse wider, die auch über den Alpen herrschen, ja dort durch Überströmungs- und Kanalisierungseffekte lokal sogar stärker sein können. Mit orkanartigen Böen (um 110 km/h) ist in den typischen Föhntälern zu rechnen, gegen Abend kann der Föhn stellenweise sogar ins benachbarte Mittelland bzw. Alpenvorland ausgreifen. Die Temperaturen steigen dabei lokal bis maximal 28 Grad. Durch den starken Höhenwind und die feuchte Luftmasse ist damit zu rechnen, dass sich kein „sauberer“ Föhn einstellt, also immer wieder dichte Wolkenpakete über die Alpen geblasen werden und Regen zeitweise über den Alpenhauptkamm drüber schwappt.

Am Donnerstagmittag erreicht die Kaltfront die Schweiz und der Föhn bricht hier am Nachmittag zusammen. Bodennah ist mit starkem Westwind zu rechnen, dabei werden stürmische Böen bis in die Niederungen gemischt:

20150915-blog3Die Bodenkaltfront eilt dabei der Höhenkaltluft weit voraus, diese erreicht die Schweiz erst in der Nacht auf Freitag. Somit wird es nur schwer zu konvektiven Umlagerungen kommen, gewittrige Einsprengsel in den durchaus kräftigen Regen bilden also die Ausnahme. Da sich das Zentraltief über den Britischen Inseln nur sehr langsam nach Osten bewegt und der jetzt als Randtief agierende „Henri“ nach Norden zieht, bleibt die Front über der Schweiz und Westösterreich stehen. Die Druckwelle am Boden beendet zwar im bayerisch-österreichischen Alpenvorland die kurze Hitzewelle (im Raum Wien bis zu 33 Grad), Niederschlag kommt hier aber nur wenig an.

20150915-blog4Die Niederschlagssummenkarte bis Freitagnacht zeigt eine für die Grosswetterlage „Tief Britische Inseln“ typische Verteilung mit nach Nord bis Nordost ziehenden Fronten und einem trockenen Osten. Erst mit der langsamen Verlagerung des Trogs nach Mitteleuropa wird es am Wochenende auch im Osten nass, während der Westen dann bereits unter steigendem Bodendruck in eine trockenere und deutlich kühlere Nordwest- bis Nordströmung gelangt und bei nächtlichem Aufklaren mit dem ersten Bodenfrost auch in tieferen Lagen rechnen muss. Wie schnell sich das sich über Mitteleuropa einnistende Tief auffüllt, ist derzeit noch nicht klar. Die Temperaturverhältnisse über dem Atlantik lassen aber eine rasche Regenerierung der alten Grosswetterlage als wahrscheinlich erscheinen. Möglicherweise spielt sich das Szenario also bereits in einer Woche nochmal ziemlich ähnlich ab – diesmal allerdings ohne tropischen Einfluss und daher auch etwas weniger turbulent.

Blick in die Glaskugel in einer Woche: Ein neues Britentief könnte sich einnisten.

Blick in die Glaskugel in einer Woche: Ein neues Britentief könnte sich einnisten.

Gewittervorschau 13.-20.08.2015

Der Hochsommer verabschiedet sich würdig: Eindrückliche Strukturen bis hin zu Superzellen sind wahrscheinlich

Der Hochsommer verabschiedet sich würdig: Eindrückliche Strukturen bis hin zu Superzellen sind wahrscheinlich

Das Jahr 2015 scheint zu jenen zu gehören, in denen sich der Hochsommer peinlich genau an den Kalender hält. Der Witterungsabschnitt mit den wiederholt heissen Phasen hat exakt zum Monatswechsel Juni/Juli begonnen und endet Mitte August – ein Paradebeispiel für die bekannte Siebenschläfer-Regel, auf deren Bilanz nächste Woche im fotometeo-Blog näher eingegangen werden soll. Eine solche Einleitung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir uns an diesem Wochenende vom Hochsommer verabschieden müssen und nun definitiv der Spätsommer Einzug hält. Dieser markante Wechsel geht mit einer deutlichen Änderung des bisherigen Grosswetterlagen-Musters einher: Das permanente West- bis Südwestregime der letzten Monate endet und macht erstmals seit Mitte März wieder mal einer Ostwetterlage Platz.

Die grossräumige Umstellung ist anhand der Höhenwindkarten in rund 5500 m gut zu erkennen: Das blockierende Osteuropa-Hoch wird von der atlantischen Westströmung südlich umfahren und zieht sich nach Skandinavien zurück. Die warme Höhenströmung, zunächst aus Süd, später Südost, wird nach Osten abgedrängt, wobei sich eine scharfe Luftmassengrenze entlang einer Tiefdruckrinne von der Nordsee zu den Ostalpen ausbildet:

20150813-blog2Der dafür verantwortliche Trog über Westeuropa liegt am Donnerstag mit seinem Tiefdruckkern über der Biskaya und wird im Lauf des Wochenendes von einem weiter nördlich nach Osten vorstossenden Atlantiktrog eingefangen. Dadurch kommt das Tief mit seinem komplizierten Frontensystem kaum noch weiter östlich voran. Am Donnerstagabend überquert uns erst mal eine vorlaufende Konvergenz (in der Ostschweiz Föhn über Bise, im Westen Südwestwind):

Da nach Nordosten ziehende Biskayatief mit mehreren Fronten am Donnerstagabend (schwarz = vorlaufende Konvergenz; rot = Warmfront; blau = Kaltfront; violett = Okklusion

Das nach Nordosten ziehende Biskayatief mit mehreren Fronten am Donnerstagabend (schwarz = vorlaufende Konvergenz; rot = Warmfront; blau = Kaltfront; violett = Okklusion

Gewitter bilden sich in der trockeneren Föhnluft der Ostschweiz wohl nur vereinzelt. Westlich der für diese Wetterlage typischen Grenze Hohgant-Napf kommt es hingegen verbreiteter zur Auslöse, wobei die Schwerpunkte über den Savoyer und Waadländer Alpen sowie im Hochjura liegen. Ein sich daraus bildender Cluster könnte am Abend in der Westschweiz einen Coldpool bilden, der durchs Mittelland nach Osten ausbricht und mit böigem Wind die untere Luftschichtung stabilisiert. Die Westhälfte der Schweiz muss mit unwetterartigen Entwicklungen rechnen, grösserer Hagel ist ebenso wahrscheinlich wie exzessiver Regen und verbreitete Sturmböen.

In der Nacht auf Freitag und am Freitagmorgen ist es vorübergehend ruhig. Mit dem Übergreifen der Kaltfront auf die Schweiz ist ab den Mittagsstunden aber erneut mit heftigen Gewittern zu rechnen, welche mehrheitlich von Süden nach Norden ziehen, diesmal aber deutlich weiter nach Osten ausgreifen als noch am Donnerstag. Wahrscheinlich bleibt es nur im äussersten Osten unter Föhneinfluss länger trocken, am späteren Abend treffen die Gewitter auch hier ein. Damit einher geht ein deutlicher Temperatursturz: Zeit, dem Hochsommer 2015 good bye zu sagen…

Am Samstag liegt die Schweiz mit Ausnahme der Alpensüdseite bereits vollständig in der Kaltluft, aber noch im Einflussbereich des Trogs. Die in der Karte oben eingezeichneten Okklusionsfronten schwenken über uns hinweg nach Norden und sorgen noch verbreitet für kräftige Regengüsse, vereinzelt kann noch mal Blitz und Donner mit dabei sein. Gegen Abend sollte sich das Wetter von Westen her zumindest im Flachland beruhigen, besonders am Alpennordhang regnet es aber wohl auch noch bis in den Sonntag hinein. Dabei dürfen wir wieder mal die Schneefallgrenze erwähnen: Sie sinkt in den Westalpen, wo die kälteste Luft gerade noch hinreicht, am Sonntagmorgen auf rund 2000 m, in den Südalpen verbleibt sie um oder sogar über 3000 m.

Mit der Drehung des Bodenwindes auf östliche Richtungen drückt die schwül-warme Luft von Osteuropa langsam wieder zurück nach Westen und sorgt so auch in der Schweiz vor allem am Dienstag noch mal für erhöhte Gewittergefahr. Wie sich die Luftmassengrenze in der Folge genau präsentieren wird, ist noch sehr unsicher. Ein Ost-West-Gefälle dürfte aber bestehen bleiben, fragt sich eben nur, ob die Schweiz mehr auf die eine oder andere Seite zu liegen kommt. Jedenfalls bleibt es unbeständig mit erhöhter Anfälligkeit für Schauer und Gewitter im Tagesgang, aber wohl kaum mehr mit heftigen Entwicklungen. Die Temperaturen pendeln sich auf gemässigtem Spätsommerniveau ein, können aber unter längerem Frontalregen nach der langen Hitzeperiode schon als recht herbstlich empfunden werden. Etwas scheint jedoch gesichert zu sein: Das Thema Trockenheit dürfte sich allmählich erledigen.

Unsere Dienstleistung am Beispiel 08.08.2015, Thunerseespiele

Unwetter-Prognose von fotometeo Muriset unter dem Radarbild von meteoradar.ch. Der Screenshot zeigt die Prognose vom Mittag und die Situation um 20:25 MESZ mit einem Gewitter genau über Thun

Unwetter-Prognose von fotometeo Muriset unter dem Radarbild von meteoradar.ch. Der Screenshot zeigt die Prognose vom Mittag und die Situation um 20:25 MESZ mit einem Gewitter genau über Thun

„Wetterprognose war Lotterie“ titelt heute die „Berner Zeitung“ in ihrer Online-Ausgabe zu den Ereignissen am Wochenende vom 8./9. August 2015. Ist dem wirklich so? Je nach Standpunkt kann man dem zustimmen, doch so plakativ darf diese Aussage nicht stehen gelassen werden. Wenig hilfreich ist aus unserer Sicht der Tipp eines Mitbewerbers in besagtem Artikel, bei Wetterlagen mit Gewitterrisiko mit einem Blick aus dem Fenster die Lage kurzfristig zu beurteilen: Für den Grillabend im eigenen Garten mag das durchaus sinnvoll sein. Für Veranstalter, welche für das Wohlergehen ihrer Gäste und Mitwirkenden die Verantwortung tragen und oft schon am Mittag entscheiden müssen, ob und allenfalls mit welchen Vorsichtsmassnahmen ihr Anlass am Abend durchgeführt werden kann, wäre dieser Blick aus dem Fenster wie am vergangenen Samstag trügerisch. In solchen Fällen helfen nur die langjährige Erfahrung und das Gespür von Meteorologen, die sich auf genau solche Fälle spezialisiert haben. Am Beispiel der von uns betreuten Thunerseespiele möchten wir aufzeigen, wie eine solche Beratung aussieht.

Freilichtveranstalter müssen oft aus logistischen Gründen und um die Gäste frühzeitig informieren zu können, bereits am Mittag darüber entscheiden ob ihr Programm am Abend durchgeführt werden kann oder nicht. In den meisten Fällen ist diese Prognose-Vorlaufzeit problemlos, sowohl bei stabilen Hochdrucklagen wie auch bei Tiefdruckeinfluss mit breiten Fronten und relativ gut vorauszuberechnenden Niederschlagsgebieten. Am heikelsten ist die Entscheidung jeweils bei Gewitterlagen, wo auch mit der heutigen Technik der genaue zeitliche und örtliche Verlauf erst sehr kurzfristig (bestenfalls zwei Stunden, in der Regel weniger) sicher prognostiziert werden kann. In solchen Fällen kann einzig eine Risikoabwägung abgegeben werden: Welche Intensitäten (Blitzaktivität, Sturmgefahr, Hagel, Überflutung) gibt die Luftmasse her? Über welchen Gebieten entstehen die Gewitter bevorzugt bei der vorherrschenden Grosswetterlage und welche Zugbahn nehmen sie? Wettermodelle geben Anhaltspunkte, sind aber je nach Lage wie bei unserem Beispiel vom 08.08.2015 sehr widersprüchlich, sodass oft nur die langjährige Erfahrung von Meteorologen weiterhilft, die sich auf die Gewitterklimatologie des Alpenraums spezialisiert haben.

Anhand dieser Erfahrung wurde von uns die Wahrscheinlichkeit, dass am Abend ein heftiges Gewitter die Region Thun treffen könnte, als hoch eingestuft. Die sehr warme und schwüle Luftmasse sowie die Verteilung der Windrichtung in der Höhe hielt zudem ein Potenzial für Sturmgefahr am exponierten Festgelände sowie von grösserem Hagel bereit. Der Entscheid der Verantwortlichen, die Vorstellung zu verschieben, war somit folgerichtig, wenn auch unpopulär. Denn auf den öffentlichen Kanälen wurde den ganzen Tag wie schon am Vorabend herausgestrichen, dass die Gewitter am Samstag schwächer bzw. weniger verbreitet auftreten würden als noch wenige Tage zuvor prognostiziert. Das war aus gesamtschweizerischer Sicht zwar richtig, unterschlägt jedoch das lokale Gefahrenpotenzial. Nicht wenige Besucher, die am Abend die Thunerseespiele besuchen wollten, wurden zudem beim nachmittäglichen „Blick aus dem Fenster“ eines nahezu wolkenlosen Himmels über weiten Teilen der Alpennordseite gewahr:

Satellitenbild vom 08.08.2015, 14:00 UTC = 16:00 MESZ  (Quelle: Eumetsat, chmi.cz)

Satellitenbild vom 08.08.2015, 14:00 UTC = 16:00 MESZ (Quelle: Eumetsat, chmi.cz)

Da gleichzeitig am Nachmittag Wettermodelle, welche weit verbreitete Wetter-Apps beliefern, die Gewittertätigkeit am Abend vom Berner Oberland bis in die Ostschweiz völlig aus dem Programm strichen, liessen sich einige Besucher des Anlasses auf der Facebook-Seite des Veranstalters zu empörten Kommentaren über die verschobene Vorstellung hinreissen. Wir befinden uns eben im Zeitalter der allumfassenden und allgegenwärtigen Information, deren Qualität der nicht geschulte Laie keineswegs zu beurteilen in der Lage ist. Da aufgrund der meist sehr billigen, wenn nicht gar kostenlosen Hilfsmittel jedermann/frau zum Wetterexperten aufgestiegen ist, kommt es nicht selten zu fatalen Fehleinschätzungen. Was bei privaten Anlässen und Unternehmungen meist glimpflich ausgeht oder nur wenige Personen betrifft, hat jedoch vor zwei Jahren an einem Grossanlass an einem anderen Schweizer See bei ähnlicher Wetterlage viele Verletzte und gar ein Todesopfer gefordert. Die Besucher der Thunerseespiele hatten Glück, dass der Veranstalter verantwortungsvoll mit der Sicherheit seiner Gäste und Mitwirkenden umgeht und sich eine professionelle Beratung leistet und sich im Zweifelsfall gegen das Risiko entscheidet.

Ein über den Savoyer Alpen entstandener Gewitterkomplex zog im Lauf des frühen Abends langsam nordostwärts über das Unterwallis und via Waadtländer Alpen ins westliche Berner Oberland. Exakt zum geplanten Spielbeginn traf das Gewitter in Thun ein. Der gewaltige Platzregen hätte jedenfalls einen Abbruch der Vorstellung bewirkt, bzw. die Gäste wären aufgrund der durch fotometeo Muriset und meteoradar überwachten Wetterlage noch vor Vorstellungsbeginn nach Hause geschickt worden. Die etwas westlich der Stadt gelegene Station von MeteoSchweiz meldete Windböen von 54 km/h, direkt am Seeufer werden in der Regel höhere Werte erreicht. Die Blitzortung ergab während der ersten Stunde der geplanten Spielzeit 11 Blitzeinschläge im Umkreis von 3 km um die Bühne, der naheste Einschlag war nur 900 m entfernt. Das Risiko eines Blitzschlages in das Festgelände kann somit auf etwa 1:50 geschätzt werden. Ein Blitzschlag in die mit annähernd 2000 Menschen voll besetzte Tribüne wäre verheerend, auch bei einer rechtzeitigen Evakuation wären immer noch viele Leute im Freien bzw. im Zelt unzureichend geschützt und die Folgen von Hektik bzw. Panikreaktionen wären nicht absehbar.

Die nachfolgende Regensummenkarte von Samstag 08:00 bis Sonntag 08:00 MESZ zeigt sehr schön die Zugbahn des Gewitters, das aus Südwesten kommend bei Thun nach Norden abbog und in der Folge über das Emmental und den Jura bis ins Baselbiet zog:

20150810-3Dem umsichtigen Handeln der Veranstalter sei Dank wurde niemand dem Risiko eines noch heftigeren Gewitters ausgesetzt, das bei dieser Wetterlage durchaus möglich gewesen wäre. Am gleichzeitig stattfindenden Stadtfest in Thun (bedauerlicherweise nicht unser Kunde) wurden die Gäste hingegen vom Gewitter überrascht, die laufenden Konzerte mussten abgebrochen werden.

Das Konzept mit der Zusammenarbeit von fotometeo Muriset und meteoradar GmbH hat sich in den letzten Jahren nicht nur bei den Thunerseespielen, sondern auch bei etlichen anderen Anlässen bewährt. Während meteoradar.ch die Niederschlags- und Blitzdaten übersichtlich aufbereitet zur Verfügung stellt und automatische kurzfristige Lokalprognosen anbietet, ergänzt fotometeo Muriset diesen Dienst durch die persönliche Beratung. Diese umfasst je nach Bedürfnis des Kunden eine mittelfristige Prognose über mehrere Tage, Beratungsgespräche über die Durchführbarkeit von Anlässen im Lauf des Tages sowie bei Bedarf die zeitnahe Überwachung und Einschätzung der Gefahrenlage mit aktiver Warnung im Akutfall, damit rechtzeitig sinnvolle Massnahmen vor Ort eingeleitet werden können. Diese Dienstleistung eignet sich besonders für kleinere bis mittelgrosse Anlässe wie Freilichttheater, Konzerte, Openair-Kinos, Sportveranstaltungen und Vereinsanlässe jeder Art, die den Risiken von Unwettern ausgesetzt sind. Egal ob nur für ein Wochenende oder für eine ganze Saison, die Betreuung erfolgt jeweils durch dieselbe Person mit langjähriger internationaler Erfahrung im Unwetterwarndienst und hervorragender Ortskenntnis. Dank der persönlichen und flexiblen Betreuung ohne Schichtwechsel und zu jeder Uhrzeit ist eine sehr hohe Konsistenz der Prognoseleistung gewährleistet, denn fixe Dienst- bzw. Bürozeiten sind bei uns ein Fremdwort. Die Leistungen (Abwägung zwischen automatischen und personalisierten Prognosen) werden individuell den Risiken der Veranstaltung, deren Grösse und der Umgebung (Rückzugsmöglichkeiten) angepasst und sind somit dank flexibler Preisgestaltung auch für kleine Anlässe mit schmalem Budget bezahlbar.

Wenn Sie also einen solchen Anlass planen oder für dessen Sicherheit verantwortlich sind, zögern Sie nicht mit uns Kontakt aufzunehmen. Wir werden gemeinsam die für Sie geeignetste Variante eruieren und sichern Ihnen eine unkomplizierte und zuverlässige Betreuung zu.

Radarloop vom 08.08.2015 09:00 bis 23:55 MESZ (Archiv Donnerradar von meteoradar.ch, kostenpflichtig)

Radarloop vom 08.08.2015 09:00 bis 23:55 MESZ (Archiv Donnerradar von meteoradar.ch, kostenpflichtig)

Gewittervorschau 07.-13.08.2015

Die Sauna kehrt zurück...

Die Sauna kehrt zurück…

Nach einer wohlverdienten Ruhepause (lediglich der letzte Dienstag vermochte ganz im Osten der Schweiz noch für etwas Spannung zu sorgen) lohnt sich diesmal wieder ein genauerer Blick auf die Wetterentwicklung der nächsten Tage. Wer hier allerdings der Weisheit letzter Schluss zu finden hofft, wird enttäuscht werden: Zu komplex ist die Lage mit einem Abtropfprozess und verschiedenen kleinräumigen Randtiefs, die erfahrungsgemäss zu Eskapaden neigen und innerhalb weniger Stunden ein sicher geglaubtes Szenario völlig neu aufmischen können. Es kann also einmal mehr nur auf das Potenzial möglicher Entwicklungen eingegangen werden, der genaue Ablauf ist dann einzig anhand der Nowcasting-Werkzeuge im jeweiligen Tagesverlauf absehbar.

Ein Blick auf die allgemeine Lage offenbart rasch das Dilemma sämtlicher Prognostiker zwischen Costa Blanca und Timmendorfer Strand:

20150807-blog2Ein sich aus Westen nähernder Trog wird durch eine Hochdruckbrücke zwischen dem Azorenhoch und dem Hoch über Osteuropa auseinander gerissen. Der südliche Teil tropft über Frankreich Richtung westliches Mittelmeer ab, der nördliche Teil vertschüsst sich zur Ostsee. Die damit verbundene Kaltfront sollte nach den Karten der letzten Tage noch über uns hinwegziehen, verwellt aber nach aktuellstem Stand über Ostfrankreich, sodass der Alpenraum vollständig in der schwül-heissen Luftmasse verbleiben soll. Dabei stellen sich gleich mehrere Fragen: Wie verläuft die genaue Zugbahn der kleinen Tiefs und wie rasch schliesst sich die Hochdruckbrücke, bzw. wie wirkt sich diese auf den Rest der verwellenden Front aus? Und vor allem: Was für Schweinereien stellt die Eigendynamik der in der schwülen Luftmasse entstehenden Cluster an?

Am Freitagabend ist noch nicht allzu viel zu erwarten. Der Deckel des starken Höhenrückens über uns hält vorerst dicht, das eine oder andere Hitzegewitter irgendwo über den Hochalpen ist aber nicht völlig auszuschliessen. Am besten stehen die Chancen dafür südlich des Alpenhauptkamms.

Spannend wird es ab Samstagvormittag: Wie nahe ziehen allfällige Cluster, welche die Nacht in Frankreich überlebt haben, durch die Burgunder Pforte nordostwärts? Die verschiedenen Modelle haben alle möglichen Varianten parat, von gar nichts über zu weit weg bis nah genug, um einen vormittäglichen Joran auszulösen, ist alles möglich. Variante Joran würde bedeuten, dass die eingeflossene bodennahe Kaltluft Entwicklungen im Jura nahezu verunmöglicht und einzig die Voralpenschiene am Nachmittag richtig zündet. Andernfalls ist die Auslöse am Jura, später an den Voralpen mit einem möglichen Zusammenschluss über dem Mittelland zu einem gewaltigen Cluster (MCS) denkbar. Ein weiteres Zünglein an der Waage wird die Sonneneinstrahlung am Samstag spielen. Jedenfalls sind heftige Gewitter entlang des gesamten Alpennordhangs wahrscheinlich. Je weiter weg von den Alpen, umso unsicherer ist die Lage. Aus Erfahrung ist die Möglichkeit durchaus gegeben, dass sich die gegenseitige Beeinflussung von verschiedenen Gewittersystemen bei gleichzeitigem Drehen des Bodenwindes von West über Nord auf Bise und gleichzeitig südlicher Höhenströmung in einem chaotischen Szenario äussern wird, die Zugbahnen also im Verlauf des Abends die Richtung wechseln können und so neue Gebiete erfassen, die zuvor als relativ sicher galten.

Abhängig vom Verlauf des Samstags bzw. der Nacht auf Sonntag (wie weit kommt die bodennahe Kaltluft?) ist auch die Entwicklung am Sonntag. Das amerikanische Modell geht davon aus, dass eine sehr energiereiche und vor allem wasserhaltige Luftmasse über der Alpennordseite verbleibt:

20150807-blog3Die Höhenströmung dreht auf Süd bis Südost, während am Boden Bise vorherrscht und also die heisse Luft im Osten zu uns zurückdrückt – die Kaltfront wird rückläufig und nimmt über Ostfrankreich Warmfrontcharakter mit Westwärtsverlagerung an. Entscheidend für die Entwicklung bei uns wird wohl sein, wie nahe der Kaltlufttropfen im Südwesten verbleibt und somit die Schichtung labilisiert. Von heftigen Entwicklungen aus den Alpen heraus mit ungewöhnlichen Zugbahnen in Richtung Nordwesten ins Mittelland hinaus ist auszugehen. Aufgrund der Seltenheit solcher Lagen sind die Erfahrungswerte über mögliche Szenarien gering, jedenfalls muss man aufgrund der Luftmasse und der Richtungsscherung bei gleichzeitg schwachem Höhenwind nicht nur von extremen Regenmengen innerhalb kurzer Zeit, sondern auch von dichtem, allerdings nicht grosskörnigem Hagel ausgehen.

Die Entwicklung in der neuen Woche wird vorerst vom Verhalten des abgetropften Tiefs über dem Mittelmeer abhängen. Aktuelle Rechnungen gehen davon aus, dass es sich genügend weit von den Alpen entfernt und sich so rasch auffüllt, dass die Gewitterneigung bei uns von Tag zu Tag bis Mittwoch abnimmt. Vor allem die Gebiete abseits der Alpen dürften in diesen drei Tagen weitgehend trocken bleiben. Die Annäherung des neuen CutOff-Tiefs am Donnerstag lässt die Strömung aus Süd bis Südost aufleben, was sehr schwülen Luftmassen aus dem östlichen Mittelmeerraum den Weg zu uns öffnet. Mit einer allmählichen Zunahme der Gewittertätigkeit in der zweiten Wochenhälfte ist also zu rechnen.

20150807-blog4Der obere Teil des Diagramms zeigt die Temperatur in rund 1500 m Höhe (für die Höchstwerte am Boden pro 100 m ungefähr 1 Grad dazuzählen). Die Fortsetzung der hochsommerlichen bis heissen Phase ist also auf Wochenfrist relativ gesichert. Die Ausschläge am Boden des Diagramms zeigen das hohe Niederschlagspotenzial am Wochenende, eine etwas trockenere Phase in der ersten Wochenhälfte und eine erneute Zunahme in der zweiten Wochenhälfte. Auf die tendenzielle Abkühlung zur Monatsmitte sollten nach den Erfahrungen des bisherigen Sommerlaufs zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht allzu hohe Beträge verwettet werden 😉