Gewittervorschau 21.-27.06.2014

Abendliches Multizellen-Gewitter am 13.06.2014 über den Freiburger/Berner Voralpen

Abendliches Multizellen-Gewitter am 13.06.2014 über den Freiburger/Berner Voralpen

Die Schafskälte ist über Nordosteuropa stecken geblieben. So gab es letzten Dienstag in Estland den ersten Schneefall in einem Juni seit über 30 Jahren. Der Kältepool über Nordeuropa bleibt auch während den nächsten Tagen erhalten, während von Nordafrika sehr heisse Luft in den Mittelmeerraum vordringt. Der Alpenraum liegt zwischen diesen gegensätzlichen Luftmassen und wird je nach Stärke oder Schwäche und Verlagerung der bestimmenden Druckzentren mal mehr von Norden, mal von Süden beeinflusst. Diese Einleitung stellt schon mal klar, dass die Prognose für die nächsten Tage eine Herausforderung darstellt und viele Unsicherheiten beinhaltet.

Zum grossen Glück für uns Meteorologen ist das Wochenende noch am sichersten zu prognostizieren. Am Samstag erstreckt sich ein Hochdruckkeil von Irland bis zu den Alpen und trocknet die eingeflossene kühle Nordseeluft ab, der maximale Sonnenstand tut sein Übriges dazu. Nach kühlem Start steigen die Temperaturen am Nachmittag in den sommerlichen Bereich und es bleibt bei ein paar harmlosen Quellwolken über den Bergen. Am Sonntag reicht die starke Erwärmung der bodennahen Luftschichten hingegen bereits für lokale Gewitterbildungen vornehmlich im Hochjura sowie in den West- und Südalpen aus, sie dürften aber noch lokal begrenzt und kurzlebig bleiben.

Am Montag nähert sich aus Südwesten ein kleines Hitzetief, das an einen schwachen Höhentrog über Frankreich gebunden ist. Es steuert sehr warme und zunehmend schwüle Luft in die Westschweiz, sodass im Tagesverlauf die Gewitterneigung markant zunimmt. Die heute in den Karten gezeigten Labilitäts- und Hebungswerte sind in der zweiten Tageshälfte markant, hinzu kommt eine Verstärkung der Höhenströmung sowie eine Konvergenz in mittleren Luftschichten. Eine Luftmassengrenze knapp nördlich der Schweiz kann zusätzlich dafür sorgen, dass die schwüle Luft zwischen der Kaltluft im Norden und den Alpen gehoben wird. Eine delikate Mischung mit besten Voraussetzungen für heftige Unwetter, mitunter auch für grossen Hagel und Clusterbildung, welche die Schweiz und nördlich angrenzende Gebiete mit Starkregen bis weit in die Nacht hinein überziehen kann. Viel wird vom tageszeitlichen Timing und der genauen Position des kleinen Höhentiefs abhängen, auf jeden Fall gilt es die Lage zeitnah genau im Auge zu behalten!

Situation am Montagabend, 23.06.2014 mit der Luftmassengrenze knapp nördlich der Schweiz und energiereichen Luftmassen über den Alpen

Situation am Montagabend, 23.06.2014 mit der Luftmassengrenze knapp nördlich der Schweiz und energiereichen Luftmassen über den Alpen

Je nach Eigendynamik zieht sich die potenzielle Unwetterlage vom Montag bis in den Dienstag hinein, zumindest wird die warm-feuchte Luft aus heutiger Sicht am Dienstag noch nicht ausgeräumt. Tendenziell wird sich die heftigste Gewittertätigkeit aber nach Osten verlagern.

Über die Entwicklung von Mittwoch bis Freitag lässt sich derzeit keine seriöse Aussage machen. Dazu sind einerseits die Temperaturgegensätze zwischen Nord und Süd zu gross, andererseits lassen die verschiedenen Wettermodelle von Lauf zu Lauf die wetterbestimmenden Druckgebiete anders ziehen, was folgende Darstellung verdeutlichen soll:

Die Ausgangslage vom Dienstag, 24.06.2014 und die möglichen Entwicklungen

Die Ausgangslage vom Dienstag, 24.06.2014 und die möglichen Entwicklungen

Dabei stellen sich viele Fragen, die sich auf das Wetter im Alpenraum auswirken: Wie verhält sich der nordeuropäische Trog? Entwickelt er sich eher nach Süden oder Südosten? Macht er dem Hochdruckkeil bei Irland den Weg nach Mitteleuropa frei oder drängt er ihn ins Nordmeer ab (was für uns mit einer Nordlage die kälteste Lösung darstellen würde)? Hier hat auch der Trog an der Südspitze Grönlands ein Wörtchen mitzureden: Trogt er weiter nach Süden in den Atlantik aus oder bewegt er sich nach Osten, um bei uns eine Westlage einzuleiten? Und nicht zuletzt ist das Verhalten des Höhentiefs über Portugal entscheidend: Füllt es sich an Ort und Stelle auf, bewegt es sich auf südlicher Zugbahn ins Mittelmeer oder verbindet es sich gar über Mitteleuropa hinweg mit dem Skandinavien-Trog? Derzeit kann man nur die vorsichtige Aussage wagen, dass die Mehrheit der Möglichkeiten für eine nass-kühle Witterungsphase spricht, allerdings nicht über deren Details und zeitlichen Abläufe.

Gewittervorschau 14.-20.06.2014

Luftmassenverteilung am Samstag, 14.06.2014: orange: (sub-)tropische Luft, gelb: gemässigte Luft, grün: Polarluft

Luftmassenverteilung am Samstag, 14.06.2014:
orange: subtropische Luft, gelb: gemässigte Luft, grün bis blau: Polarluft

Nach einer turbulenten Woche in einer energiereichen Luftmasse kehrt nun wieder Ruhe ein. Nicht untypisch für den Juni folgt auf eine Südlage das Gegenteil: Eher kühle und trockene Luft gelangt aus Norden in unser Land. Damit wird die Gewitterneigung stark unterdrückt, einzig die Kaltfront am Samstag und eventuell ein Einschub etwas feuchterer und wärmerer Luft zur Wochenmitte könnten für etwas Spannung sorgen.

Am Samstag befindet sich die tropische Luftmasse, welche für die zahlreichen und teils heftigen Gewitter in dieser Woche verantwortlich war, bereits südlich der Alpen. Sie wurde am Freitagabend von einer mässig warmen und feuchten Luftmasse verdrängt, die nun wiederum durch ebenso kühle, aber trockenere Polarluft ersetzt wird. Dieser Verdrängungsprozess zwingt die im Mittelland liegende Luft an den Voralpen zum Aufsteigen und produziert noch mal einige Schauer und Gewitter, das Unwetterpotenzial der vergangenen Tage wird jedoch nicht mehr erreicht.

Ab Sonntag gerät diese Polarluft unter den Einfluss eines Hochs bei den Britischen Inseln, weitere trockene Luft wird mit der Bise ins Land geführt. Einzig inneralpin und auf der Alpensüdseite können sich dank eines Italientiefs Reste der feuchten Warmluft halten und regnen sich aus, mitunter örtlich gewittrig verstärkt.

Am Dienstag und Mittwoch kommt es auf die Lage des Hochs an, ob die Strömung vorübergehend auf Ost dreht und sich wieder feuchtere Luft in den nördlichen Alpenraum schleichen kann. Sie kann das Risiko für Schauer und Gewitter wieder anheben, in der nur mässig warmen Luft sind allerdings keine spektakulären oder gar gefährliche Entwicklungen zu erwarten.

Die weitere Lage ab Donnerstag ist noch unsicher, der Trend geht aber mehrheitlich in Richtung einer kühlen Nordwestlage. Sie kann allenfalls Kaltluftschauer bringen, sommerlich fühlt sich das jedoch nicht an. Eine weitere Hitzewelle mit hohem Gewitterpotenzial ist vorerst nicht in Sicht.

Zum Schluss noch ein Rückblick auf die Lage am Donnerstag, 12.06.2014 mit der chaotischen Entwicklung im Schnelldurchlauf:

Film aus dem kostenpflichtigen 3D-Radar von meteoradar, 12.06.2014 12-24 Uhr

Film aus dem kostenpflichtigen 3D-Radar von meteoradar, 12.06.2014 12-24 Uhr

Erkennbar ist die zunächst generelle Verlagerung von WNW nach ESE mit der Höhenströmung in ca. 5000 m Höhe. Sobald die Voralpengewitter Überhand nehmen, wird die Entwicklung in der West- und Nordschweiz unterdrückt (Subsidenzzonen). Das bodennahe Ausfliessen der durch die Gewitter ausgekühlten Luft von den Voralpen weg ins Mittelland sorgt dann dort durch das Anheben noch „unverbrauchter“ schwüler Luft für gewaltige Neuentwicklungen (Emmental-Olten-Basebiet und Zürich/Winterthur bis St. Gallen).

Gewittervorschau 07.-13.06.2014

Die Lage über Pfingsten ist ideal für freie Sicht vom Mittelland auf einzelne fotogene Zellen in den Alpen.

Die Lage über Pfingsten ist ideal für freie Sicht vom Mittelland auf einzelne fotogene Zellen in den Alpen.

Nachdem der Mai verhältnismässig ruhig verlaufen ist, wird nun der Juni als Monat mit dem gefährlichsten Gewitterpotenzial wahrscheinlich seinem Namen gerecht. Erstmals in diesem Jahr gelangen in der nächsten Woche hochgradig energiereiche Luftmassen in unsere Region. Passen alle Puzzleteile zusammen, kann daraus eine unwetterträchtige Lage entstehen.

Zunächst stehen aber die Pfingstfeiertage an. Ein Hochdruckrücken meint es extrem gut mit den Schweizern und legt sich an allen drei Tagen (Samstag bis Montag) genau über uns. Aus Südwesten gelangt Saharaluft aus dem Raum Marokko mit etwas Saharastaub im Gepäck zu uns. Die Temperaturen steigen von Tag zu Tag an und erreichen je nach Höhenlage und Sonnenscheindauer bis zu maximal 35 Grad. Da die Luft aber recht trocken ist, halten sich sowohl das Hitzeempfinden wie auch die Gewitterneigung in Grenzen. Einzelne Gewitter können nur über den Bergen entstehen, wo der stabile Deckel des Hochdruckrückens durchbrochen werden kann. Am ehesten ist dies am Samstag in der Südostschweiz und auf der Alpensüdseite möglich, am Montag dann entlang des gesamten Alpenbogens sowohl im Norden wie im Süden. Am Sonntag ist die Lage am stabilsten. Ob am Montag allenfalls auch im Hochjura einzelne Zellen entstehen können, ist noch unsicher. Jedenfalls hängt die Entwicklungsmöglichkeit stark vom Feuchteangebot am Boden ab und es werden lokale Bodenwindfelder z.B. an Bergketten benötigt, wo der Talwind aus verschiedenen Richtungen zusammenfliessen kann (etwa das Gebiet Saaneland-Les Diablerets, der Klausenpass oder die Region Davos). An solchen Stellen können einzelne, womöglich aber sehr heftige Hitzegewitter entstehen. Die Verlagerung ist aufgrund fehlenden Höhenwindes gering, es muss also mit sehr lokal begrenzten hohen Niederschlagsmengen gerechnet werden.

Erst am Dienstag fliesst aber genügend feuchte Luft in unsere Gegend ein, damit Gewitter verbreitet entstehen können. Der Höhenrücken verschiebt sich langsam nach Osten, womit die leicht divergente Höhenströmung aus Süd bis Südwest am Ostrand des Troges über Frankreich über uns zu liegen kommt. Die Labilität ist mit über 30 Grad zwischen 850 und 500 hPa sehr hoch. Hinzu kommt eine ordentliche Windscherung mit zusätzlich rückdrehender Windrichtung (in der Höhe Südwestwind, bodennah auf West bis Nordwest drehend). Vorausgesetzt, die bodennahe Luft wurde zuvor von Gewittern über Frankreich nicht zu sehr ausgekühlt, wären nicht nur die Grundvoraussetzungen, sondern auch das tageszeitliche Timing für Schwergewitter mit Grosshagel und heftigen Sturmböen perfekt.

Lage am Dienstag: Energiereichste Luftmasse genau über der Schweiz, dazu eine Tiefdruckrinne von der Nordsee bis zu den Alpen

Lage am Dienstag: Energiereichste Luftmasse genau über der Schweiz, dazu eine Tiefdruckrinne von der Nordsee bis zu den Alpen

Zwar kühlt die Luft auf Mittwoch etwas ab, die eigentliche Kaltfront soll aber nach den jetzigen Unterlagen nordwestlich der Schweiz verbleiben. Damit wären am Mittwoch und womöglich auch am Donnerstag noch gute Bedingungen für verbreitete Gewitterentwicklungen gegeben, wenn auch nicht mehr in der Heftigkeit vom Dienstag. Am Donnerstag und Freitag macht sich allerdings von Westen her allmählich Hochdruckeinfluss bemerkbar, sodass sich die Lage von Tag zu Tag stabilisiert. Details sind aber eine Woche im voraus kaum zu prognostizieren.

Gewittervorschau 02.-06.06.2014

Wetterlage am Mittwoch, 04.06.2014. Die vom Tief bei Schottland aus Westen herangeführte Kaltluft wird vom Hoch im Osten nach Norden umgelenkt (= winkelförmige Westlage)

Wetterlage am Mittwoch, 04.06.2014. Die vom Tief bei Schottland aus Westen herangeführte Kaltluft wird vom Hoch im Osten nach Norden umgelenkt (= winkelförmige Westlage)

Die Gewittersaison 2014 geht es weiterhin ruhig an. Waren vor wenigen Tagen die Karten mit der Grosswetterlage „Tief Britische Inseln“ für die kommende Woche noch vielversprechend, muss man inzwischen einmal mehr ernüchtert feststellen, dass weiterhin nur Geplänkel zu erwarten ist. Einzig eine Kaltfront am Mittwochabend bringt etwas mehr Potenzial, eine Schwergewitterlage wird es trotzdem nach den heutigen Erkenntnissen nicht.

Vorerst beschäftigt uns am Montag und Dienstag aber ein gealterter Kaltlufttropfen, der in den Karten kaum noch erkennbar ist und sich von den Benelux-Ländern bis zum Balkan erstreckt. Die Druckverhältnisse am Boden sind flach und die Luftmasse ist nur mässig warm, sodass zwar viel Labilität, aber nur wenig Energie zur Verfügung steht. An beiden Tagen ist in der zweiten Tageshälfte mit Schauern und kurzen Gewittern vornehmlich in den Bergen zu rechnen, im Flachland bleiben sie die Ausnahme. Mit dem schwachen Höhenwind sind die Zellen aber nahezu stationär, sodass lokal begrenzt doch mal ordentlich viel Wasser vom Himmel fallen kann.

Interessant wird die Lage am Mittwoch. Das Tief nördlich von Schottland steuert gegen Abend eine Kaltfront von Westen her in die Schweiz, erkennbar am markanten Übergang zwischen gelb-orangen und grünen Flächen in der folgenden Karte:

Luftmassenverteilung mit Kaltfront über der Westschweiz am Mittwochabend

Luftmassenverteilung mit Kaltfront über der Westschweiz am Mittwochabend

Die Luftmasse vor der Front ist wie schon an den beiden Tagen zuvor nur mässig warm, die Tageshöchstwerte liegen bei 20 bis 24 Grad. Höhenkaltluft ist keine im Spiel bzw. bleibt über Nordwesteuropa, womit sich die Labilität bei uns in Grenzen hält. Allerdings ist die Feuchtigkeit an der Front hoch, womit über Nacht am Alpennordhang beträchtliche Regenmengen fallen können. Gewitter sind am Abend am ehesten an der Voralpenschiene zu erwarten, der Höhenwind aus Südwest steht dafür günstig. Am Jura wird die flach eintreffende Kaltluft Gewitterbildungen wahrscheinlich rasch kappen, aufgrund des eher schwachen Bodendruckgradienten ist aber für einmal auch keine stark ausgeprägte Druckwelle zu erwarten. Kräftig auffrischen kann der Westwind vorübergend trotzdem, wird aber aller Voraussicht nach keine Schäden verursachen.

Am Donnerstag zieht die Kaltfront nach Osten ab, die rückseitige Kaltluft gerät rasch unter Hochdruckeinfluss und trocknet ab. Am ehesten sind weitere Schauer in der Ost- und Südostschweiz möglich, ansonsten dürfte es mit Bise rasch freundlicher werden. Am Freitag bringt eine Winddrehung auf südliche Richtungen einen markanten Temperaturanstieg. Die Luft nördlich der Alpen ist (föhnig-)trocken, hier ist die Gewitterneigung gering. Mehr Feuchtigkeit ist am Alpensüdhang vorhanden, hier kann es am Nachmittag und Abend zu lokal kräftigen Entwicklungen kommen.

Der Trend für das Pfingstwochenende lässt eine sehr warme bis heisse Phase erwarten. Noch unklar ist die genaue Position und somit die Wirkung des recht schmalen Hochdruckrückens zwischen den zwei Höhentiefkomplexen über dem Atlantik einerseits und Südosteuropa andererseits. Bis zur nächsten Gewittervorschau am Freitag wissen wir aber mit Bestimmtheit mehr.

Gewittervorschau 22.-29.05.2014

Programm für die nächste Woche: Waschküchenwetter

Programm für die nächste Woche: Waschküchenwetter

Zwar hat uns der Frühling bereits einige Gewitter beschert, diese waren jedoch meist Erzeugnisse von Höhenkaltluft auf Tiefrückseiten und daher mit geringem Unwetterpotenzial verbunden. Dies ändert sich nun mit dem Einbezug energiereicher subtropischer Luftmassen. Zur Saisoneröffnung wird uns gleich ein ganzer Korb voll mit harten Knacknüssen aufgetischt. Eigentlich würde fast jeder Tag der kommenden Woche einen eigenen Blogbeitrag verdienen, um der Komplexität der Lage gerecht zu werden. Um den Rahmen nicht zu sprengen, kann hier allerdings nur auf die wichtigsten Umstände eingangen werden. Für die tägliche detaillierte Entwicklung sei auf die Diskussionen im Sturmforum verwiesen.

Die erste Knacknuss liefert uns am Donnerstag eine kräftige Föhnsituation mit gleichzeitiger Annäherung einer Kaltfront aus Westen. Am besten grenzen wir erst mal die Gebiete mit der geringsten Gewitterwahrscheinlichkeit ab: Im zentralen und östlichen Mittelland sowie entlang der Voralpen zwischen Napf und Bodensee werden aufgrund der mangelnden Feuchte kaum Gewitter entstehen können. Allenfalls greifen am Abend vom Tessin her Zellenreste ins Gotthardgebiet und auf Nordbünden über, fallen dort aber bald zusammen. Spannend wird die Entwicklung im Westen. Als Folge länger anhaltender Gewittertätigkeit in Frankreich wird dort bodennah ein Kaltluftpolster entstehen, das zum niedrigsten Druck hin (Hitzetief mit Zentrum über Süddeutschland) ausbricht. Die Folge ist eine seichte Kaltfront, die im Lauf des Abends zuerst durch den Oberrheingraben zum Hochrhein, leicht zeitversetzt dann auch durchs Mittelland fegt. Diese wird sich in erster Linie durch heftige Böen manifestieren. Gewitter sind nicht hausgemacht sondern ziehen typisch für eine Südlage von den Savoyer Alpen und vom Jura nach Norden. Allenfalls können Zellen von den Waadtländer und Freiburger Voralpen ins westliche Mittelland ziehen, auch vom Jura Richtung Nordwestschweiz sind Gewitter möglich. Die „Musik“ spielt allerdings ausserhalb der Schweiz: Vom Schwarzwald und der Schwäbischen Alb weg nordwärts ist das Unwetterpotential gross.

Donnerstag: Eine kräftige Föhnströmung bringt trockene Luft in die Ostschweiz (Situation in ca. 3000 m). Über der Westschweiz ist eine Konvergenz zu erkennen.

Donnerstag: Eine kräftige Föhnströmung bringt trockene Luft in die Ostschweiz (Situation in ca. 3000 m). Über der Westschweiz ist eine Konvergenz zu erkennen.

Wie man an obiger Karte erkennen kann, bleibt die Höhenströmung auch hinter der Front auf Süd und folglich auch die Höhenkaltluft, welche eine weitere Labilisierung in Gang setzen könnte, westlich der Schweiz. Somit ist im Lauf der Nacht und bis weit in den Freitag hinein zwar ein Vorankommen von flächigem, mitunter auch kräftigem Regen bis in die West- und Nordschweiz wahrscheinlich, Gewitter dürften aber nur vereinzelt eingelagert sein. Mit etwas nachlassender Südströmung in der Höhe sind bei ausreichender Sonneneinstrahlung in der Osthälfte der Schweiz am Freitagnachmittag und -abend kräftige Entwicklungen in den Voralpen zu erwarten, die vermehrt auch ins Mittelland ziehen.

Der Samstag dürfte unter leichtem Zwischenhocheinfluss der ruhigste und sonnigste Tag werden. Feuchtigkeit ist allerdings genügend vorhanden, sodass im Tagesverlauf mit Quellwolken über den Bergen und nachfolgend lokalen Schauern und Gewittern zu rechnen ist. Der Schwerpunkt liegt dabei im Jura und entlang der Voralpen, mit schwacher Höhenströmung erfolgt nur eine langsame Verlagerung Richtung Norden.

Am Sonntag kommt wieder Föhn auf und es entwickelt sich das nächste Hitzetief über der Alpennordseite – das Spiel vom Donnerstag kann von vorne beginnen. Irgendwo über unserem Land wird sich wahrscheinlich eine Bodenkonvergenz zwischen Bise und Westwind entwickeln. Allerdings ist keine Höhenkaltluft im Spiel, was heftige Entwicklungen eher ausschliesst. Zudem ist das Tief im Westen im Begriff sich aufzufüllen, was der Luftmassengrenze westlich der Schweiz keinen Antrieb mehr leistet. Die Luftdruckverteilung wird flach und die warm-feuchte Luft bei uns zunehmend träge.

Entscheidend für die Weiterentwicklung der oben geschilderten Ausgangslage wird das Verhalten des verbleibenden Kaltlufttropfens über Westeuropa sein. Wahrscheinlich ist eine langsame Verlagerung in Richtung westliches Mittelmeer, das Zentrum könnte allerdings auch nur knapp südlich der Alpen zu liegen kommen. Die warme Höhenströmung bleibt erhalten und dreht dabei auf Südost. Damit ist eine schwache Föhnlage über den Alpen mit Zufuhr feucht-warmer Luftmassen zur Nordseite gegeben. Je nach Lage des Höhentiefs und der korrespondierenden Bodentiefs kann sich dabei eine Gegenstromlage entwickeln (Zufuhr eher kühler, aber ebenfalls feuchter Luftmassen aus Nordwest). Es entscheiden somit Details darüber, ob wir es mit einer permanenten Gewitterlage mit „gesundem“ Tagesgang zu tun bekommen oder ob doch eher ein Trend zu Dauerregen mit konvektiven Einlagerungen jeweils in der zweiten Tageshälfte ein Thema wird. Sicher ist: Die Woche wird ausgesprochen nass. Ein Trend zu stabilerem Wetter ist vorerst nicht auszumachen.

Mit dem Abtropfen des Höhentiefs Richtung westliches Mittelmeer stellt sich in der neuen Woche eine zyklonale Südostlage ein.

Mit dem Abtropfen des Höhentiefs Richtung westliches Mittelmeer stellt sich in der neuen Woche eine zyklonale Südostlage ein.

Ein Lehrstück: Squall-Line vom 07.09.2013

Radaranimation 07.09.2013 20:00 bis 02:00 MESZ

Radaranimation 07.09.2013 20:00 bis 02:00 MESZ (Klick öffnet den Film)

Ungewöhnlich heftig für die fortgeschrittene Jahreszeit präsentierte sich die Gewitterlage am Samstag, 7. September 2013. Sehr warme und zunehmend feuchte Luft aus dem Raum Spanien – westliches Mittelmeer erreichte aus Süd bis Südwest den Alpenraum. Wurden an den Tagen zuvor noch Spitzenwerte bis zu 30 Grad gemessen, mussten die Temperaturen am Samstag unter der feuchteren Luft besonders nach Westen hin bereits etwas nachgeben. Die energiereiche Luft sorgte allerdings für ein Phänomen, das als Lehrstück in der schweizerischen Gewitterklimatologie gelten kann.

Im Animationsfilm des Niederschlagsradars ist am frühen Abend in der Region südlich von Genf ein unorganisierter Haufen zahlreicher kleiner Einzelzellen zu sehen, welche mit der Höhenströmung ziemlich genau nach Norden ziehen. Westlich davon befindet sich ein flächiges Niederschlagsgebiet ohne wesentliche Blitzaktivität, hier hat sich bereits ein Kaltluftpool durch die Niederschlagsabkühlung gebildet. Um ungefähr 20:30 MESZ bildet sich von Genf bis zum nördlichen französischen Jura allmählich eine Gewitterline aus. Unter diesem sich formierenden Komplex wird zunehmend kalte Luft zu Boden befördert, die sich entsprechend der Druckverteilung zum Bodentief verlagern muss, das sich zu diesem Zeitraum im Oberrheingraben befindet. Nördlich des Juras kann sie dies auf direktem Weg tun, im westlichen Mittelland ist dieser Weg allerdings durch den Jurabogen versperrt: sie muss in östliche Richtung ausweichen. Die kalte Luft schiebt sich unter die warme weiter im Osten und hebt diese an: Es entsteht zwischen 21:30 und 22:00 eine zusammenhängende Gewitterlinie (Squall-Line) mit einer zunehmend Fahrt aufnehmenden Böenfront. Bemerkenswert ist nun die Tatsache, dass durch die Kanalisierung am Jurasüdfuss der südliche Teil der Squall-Line deutlich schneller voran kommt als der nördliche, sehr gut zu erkennen am Knick in der Linie genau über der Jura-Hauptkette um 22:45 Uhr:

Donnerradar-Archivbild 07.09.2013 22:45 MESZ

Donnerradar-Archivbild 07.09.2013 22:45 MESZ

Während am Juranordfuss ohne Kanalisationseffekt nur Böen von rund 60 km/h erreicht werden, sind es im Mittelland verbreitet 70 bis 80 km/h. Die stärksten Böen werden nicht ganz unerwartet direkt am Jurasüdfuss gemessen: Cressier 87 km/h, Grenchen 91 km/h. Die durch den Jura erzwungene Divergenz am Boden nimmt der Gewitterlinie etwas den Schwung, was sich in rasch abnehmender Blitzaktivität und nachlassender Niederschlagsintensität in der Nordwestschweiz manifestiert. Dies hätte den Tod der Squall-Line bedeuten können, würde der Jura nach Osten hin nicht zunehmend niedriger. Die schnelle Böenfront am Jurasüdfuss findet im Aargauer Jura den Weg über das kleinere Hindernis und kann wieder den ursprünglichen Weg nach Norden einschlagen, wo sie mit dem nördlichen Ast der Squall-Line konvergiert: Und oha! – schon bildet sich eine neue, schön zusammenhängende Line über dem Schwarzwald aus. An deren südöstlichem Ende wird um 01:00 Uhr in Schaffhausen eine Spitzenböe von 94 km/h gemessen.

Die Squall-Line war das Ergebnis einer vorlaufenden Konvergenz (schwarz) in der Tiefdruckrinne weit vor der Kaltfront (blau), die sich zu diesem Zeitpunkt noch weit im Westen über Frankreich befand:

Luftmassen- und Frontenanalyse 08.09.2013 02:00 MESZ

Luftmassen- und Frontenanalyse 08.09.2013 02:00 MESZ

Die Eigendynamik an der vorlaufenden Konvergenz liess eine Druckwelle in der Nacht bis weit nach Osten auslaufen, sie reichte am frühen Morgen bereits weit nach Bayern hinein:

Luftmassen- und Frontenanalyse 08.09.2013 08:00 MESZ

Luftmassen- und Frontenanalyse 08.09.2013 08:00 MESZ

Anhand der Theta-E-Karte kann man gut die Rolle von Kaltfront und vorlaufender Konvergenz erkennen: Die Karte stellt den Energiegehalt der Luft dar, welche sich aus Temperatur (Wärme) und Feuchtigkeit zusammensetzt. Die Aktivität der vorlaufenden Konvergenz hat die subtropische Luftmasse stark abgekühlt, daher ist die Luft westlich der Konvergenz energieärmer als im Osten. Beidseits dieser schwarzen Linie befindet sich jedoch dieselbe Luftmasse, sie weist denselben Taupunkt (=Feuchtegehalt) auf. Die Kaltfront trennt somit nicht mehr kühle von warmer Luft, sondern bloss noch trockenere von sehr feuchter Luft. Das ist der Grund, warum im Bereich zwischen Konvergenz und Kaltfront am Sonntag nur geringe Gewitteraktivität auftritt und die Kaltfront in erster Linie nur noch kräftigen Regen bringt.

Gewittervorschau 23.-29.08.2013

Auch Waschküchenwetter kann seinen Reiz haben

Auch Waschküchenwetter kann seinen Reiz haben

Das uns bevorstehende Muster könnte man als typische Aprilwetterlage bezeichnen. Eigentlich stimmt alles: Der Sonnenstand (entspricht derzeit jenem von Mitte April) wie auch die stetig vom Nordmeer Richtung Alpen abtropfenden Tröglein. Einzig die Höhenkaltluft weist zum Ende des Sommers ungefähr 10 Grad mehr auf als im April, was aber in Bezug auf die Labilität durch die höhere Boden- und Wassertemperatur teilweise ausgeglichen wird. Statt Schnee- und Graupelschauer sind somit niederschlagsintensive Schauer und Gewitter zu erwarten.

Heute Freitag zieht ein erster schwacher Randtrog über die Alpen hinweg ostwärts. Das Timing ist im Tagesgang für Gewitterentwicklungen ungünstig, am Nachmittag und Abend befindet sich der Trog bereits so weit im Osten, dass sich lokale Schauer und Gewitter auf die Ost- und Südalpen konzentrieren. Allenfalls können in der west-nordwestlichen Höhenströmung Entwicklungen vom Schwarzwald in Richtung Nordostschweiz ziehen, allzu stark dürften diese aber nicht ausfallen.

Am Samstag beschäftigt uns die markante Kaltfront eines Tiefs mit Zentrum über den Benelux-Ländern. Der Vormittag dürfte noch weitgehend sonnig werden, sodass sich die Luft noch mal auf sommerliche Werte erwärmen kann, besonders in der Ostschweiz. Um die Mittagszeit erreicht die Kaltfront den Jura und zieht in der Folge wahrscheinlich recht zügig über die Schweiz hinweg nach Osten. Dabei können kräftige Gewitter mit Sturmböen auftreten und hohe Regenmengen in sehr kurzer Zeit sind wahrscheinlich, während die Hagelgefahr zumindest was grössere Kaliber betrifft eher geringer einzustufen ist. Im Mittelland wird sich die Lage wahrscheinlich zum Abend hin rasch beruhigen, besonders am östlichen Alpennordhang ist aber noch länger mit teils intensivem Regen zu rechnen.

Ab Sonntag beginnt der Eiertanz mit einem Höhentief ziemlich genau über der Schweiz und mehreren Bodentiefs, welche den Kaltlufttropfen im Gegenuhrzeigersinn umkreisen:

Boden- und Höhendruckkarte für Sonntagmittag

Boden- und Höhendruckkarte für Sonntagmittag

Diese Konstellation macht eine genaue Prognose bezüglich Schwerpunkt der Schauertätigkeit und zeitlichen Abläufen nahezu unmöglich. Klar ist: Der Kaltlufttropfen dürfte sich bis Dienstag nur unwesentlich verlagern und somit für sehr unbeständiges Schauerwetter besorgt sein. Je nach Länge der Sonnenfenster tagsüber kann es dabei auch zu Gewittern kommen. Abends und nachts dürfte es jeweils deutlich ruhiger werden.

Wie geht es zur Wochenmitte weiter? Das Zünglein an der Waage spielt eine Schwachstelle in der Hochdruckbrücke, die sich von den Azoren über die Britischen Inseln bis nach Nordrussland erstreckt. Bleibt diese Schwachstelle bestehen, kann wie bei einem undichten Wasserhahn immer wieder Höhenkaltluft in Richtung Alpen abtropfen. Einzelne Modelle haben den Klempner bestellt und lassen den  tropfenden Hahn abdichten, das derzeit wahrscheinlichere Szenario geht aber von einem weiteren Abtropfen am Mittwoch und dann wieder zum Wochenende aus. Hier gibt es aber ebenfalls noch mehrere Möglichkeiten, je nachdem ob sich die Schwachstelle noch etwas nach Osten verlagert oder in der für uns ungünstigen Position über der Nordsee verbleibt.

Mögliche Grosswetterlage am Mittwoch, markiert ist die wahrscheinliche Zugrichtung weiterer Kaltlufttropfen durch die Schwachstelle in der Hochdruckbrücke

Mögliche Grosswetterlage am Mittwoch, markiert ist die wahrscheinliche Zugrichtung weiterer Kaltlufttropfen durch die Schwachstelle in der Hochdruckbrücke

Gewittervorschau 16. – 22.08.2013

Fotogene nachtgewitter waren diesen Sommer dünn gesät. Sammelfoto einer Reihe von Blitzen über Muri AG, 09.07.2013. Foto: Willi Schmid

Fotogene Nachtgewitter waren diesen Sommer dünn gesät. Sammelfoto einer Reihe von Blitzen über Muri AG, 09.07.2013. Fotos: Willi Schmid

Das Ende der wunderschönen, wolkenlosen und angenehm warmen Spätsommertage ist in Sicht. Ab heute Abend greift die atlantische Westwinddrift wieder weiter nach Süden aus und wird uns mit einer Reihe von wenig aktiven Wellenstörungen beglücken. Der Witterungscharakter bleibt bis inklusive Sonntag freundlich und mässig warm. Allerdings werden variable Wolkenfelder immer wieder die Sonne verdecken, und gelegentlich sind einige Regenspritzer, vielleicht sogar das eine oder andere kleine Gewitter, nicht ausgeschlossen.

Das heute noch wetterbestimmende Hoch zieht langsam nach Osten ab. Damit verflacht sich die Druckverteilung. Für starke Gewitterentwicklungen fehlt aber der über Westeuropa weit nach Süden ausgreifende Höhentrog. Dieser Trog führt normalerweise zur Zufuhr von Bodenfeuchte aus dem westlichen Mittelmeerraum, welche dann die Gewitterentwicklung begünstigt. Zudem nimmt nun die Sonneneinstrahlung von Tag zu Tag ab, und damit verliert auch der thermische Gewitterauslöser an Kraft. In der westlichen, an Stärke allmählich zunehmenden Höhenströmung sind mehrere Wellenstörungen eingelagert, welche temporär für günstige Hebungsverhältnisse sorgen. Für Gewitter braucht es bei dieser Konstellation ein optimales Timing, da diese Wellenstörungen immer auch von Wolkenfeldern begleitet sind, welche die Sonne abdecken. Ideal wäre eine ungestörte Sonneneinstrahlung tagsüber, kombiniert mit dem Durchzug eines Hebungsgebietes am späten Nachmittag und Abend.

Diese Konstellation ist heute Freitag noch am klarsten gegeben. Einzelne Gewitter sind somit am späten Nachmittag und am Abend in den Bergen nicht ausgeschlossen. Weitere Wellenstörungen folgen am Samstag (siehe Prognosekarte GFS am Artikelende) und am Sonntag, leider vorwiegend tagsüber. Damit dürfte betr. Gewitter nicht viel passieren. Überraschungen sind nicht ausgeschlossen, so möglicherweise morgen Nachmittag ganz im Osten, und dann auch am Sonntagabend, falls tagsüber die Sonne nochmals gut einheizen kann. Der Sonntagabend wäre nicht uninteressant, weil die Höhenströmung zunimmt und damit auch die Scherbedingungen für rotierende Gewitterzellen besser werden. Am Montag rückt die Kaltfront ebenfalls zu ungünstiger Tageszeit an, vielleicht reicht es für den einen oder anderen elektrischen Kaltluftschauer auf der Rückseite der Kaltfront.

Mit der Kaltfront wird ein Schwall kühlerer Atlantikluft unser Land aus Nordwesten überschwemmen und damit wohl die erste herbstlich anmutende Witterungsperiode einleiten. Diese kühlere Luft gerät zwar rasch wieder unter Hochdruckeinfluss, das Hochzentrum scheint aber längere Zeit über der Nordsee steckenzubleiben. Damit ist Bise angesagt, und beim aktuell sinkenden Sonnenstand bedeutet dies eine Zunahme der ach so sattsam bekannten langweilig-grauen Hochnebelfelder, die Killer der Sonnenwärme schlechthin. Für Gewitter ist da kein Platz mehr in Sicht, damit könnte diese Vorschau auch die letzte des aktuellen Sommers werden.

Vorherswagekarte des GFS-Modells, Vorticityadvektion 300 hPa. Quelle: wetter3.de

Vorherswagekarte des GFS-Modells, Vorticityadvektion 300 hPa. Quelle: wetter3.de

Gewittervorschau 26.07.-01.08.2013

In der bisherigen Saison Mangelware: Nachtgewitter könnten Sonntagnacht verbreitet auftreten

In der bisherigen Saison Mangelware: Nachtgewitter könnten Sonntagnacht verbreitet auftreten

Nach der erfolgten Umstellung von Nordost- auf Südwestlage in den vergangenen Tagen ist das Potenzial für heftige Gewitter markant gestiegen. Bis Samstag und dann ab Dienstag wieder bremst Hochdruckeinfluss die Gewittertätigkeit, vereinzelte Hitzegewitter kann man aber an keinem Tag (am ehesten noch am Dienstag) gänzlich ausschliessen. Sehr spannend gestaltet sich der Kaltfrontdurchgang von Sonntag auf Montag.

Am Freitag und Samstag liegt ein Höhenkeil über Mitteleuropa, seine Achse befindet sich allerdings bereits leicht östlich der Schweiz. Somit sind vereinzelte, aber durchaus kräftige Hitzegewitter zu erwarten. Am Freitag liegt der Schwerpunkt noch auf der Linie Jura-Schwarzwald, am Samstag dürften eher die Alpen betroffen sein.

Bereits in der Nacht auf Sonntag sind im Jura erste kräftige Gewitter möglich, dies aufgrund der weiteren Verschiebung des Höhenkeils nach Osten und der Annäherung eines Höhentrogs aus Westen. Die Luft ist zudem extrem energiegeladen, was sich durch schwüle Hitze bereits am Samstag bemerkbar macht. In der Nacht auf Sonntag dürfte es vielerorts eine Tropennacht (Tiefstwert nicht unter 20 Grad) geben.

Am Sonntag nähert sich von Frankreich her langsam eine Kaltfront. Die Verlagerungsgeschwindigkeit und die Eigendynamik der auf der Vorderseite der Front auftretenden Gewitter sind auch zwei Tage vor dem Ereignis immer sehr schwer einzuschätzen, ein genauer Fahrplan der Entwicklung meist nur sehr kurzfristig zu bestimmen. Aufgrund des enormen Unwetterpotenzials empfehlen wir daher, regelmässig den Wetterbericht unter dem Radarbild von meteoradar zu konsultieren, eine vertiefte Diskussion zur Lage findet zudem im Sturmforum statt.

Extrem energiereiche Luft am Sonntagabend im Alpenraum, über Frankreich nähert sich die Kaltfront

Extrem energiereiche Luft am Sonntagabend im Alpenraum, über Frankreich nähert sich die Kaltfront

Die Erfahrung mit ähnlichen Wetterlagen lässt mehrere Szenarien zu. Zwei davon sind wahrscheinlich:

– Der für die Jahreszeit relativ starke Südföhn lässt in der Osthälfte der Schweiz kaum Gewitterentwicklungen tagsüber zu. Die Hauptaktivität geht vom Jura aus, wo sich aufgrund der starken Höhenströmung aus Südwest Schwergewitter mit Grosshagel und Sturmböen entwickeln, die wiederholt den Juranordfuss erreichen. Auch von den Savoyer- und Waadtländer Alpen ausgehend können heftige Gewitter ins westliche Mittelland ziehen.

– Die Hauptaktivität liegt sehr früh bereits in Ostfrankreich und induziert eine zusammenhängende Gewitterlinie, mitunter auch eine Squall-Line. Von ihr ausgehend kann bodennah ein starker Ausfluss kühler Luft über den Jura strömen und am Jurasüdfuss einen Joran-Sturm auslösen. Die damit verbundene Gewitteraktivität wäre eher moderat, die Hauptgefahr geht vom Windereignis aus.

In beiden Fällen dürfte die Kaltfront bzw. eine vorlaufende Konvergenzlinie die östliche Hälfte der Schweiz erst spät abends oder in der Nacht erreichen. Die Heftigkeit des Ereignisses hier hängt wiederum stark von der vorausgehenden Entwicklung tagsüber weiter westlich ab. Die Gefahr von Starkregen, Hagel und Sturmböen ist auf jeden Fall im Auge zu behalten und kann sich unter Umständen bis in den Montag hinein ziehen. Nach den aktuellen Unterlagen dürfte die Kaltfront zumindest verbreitet den von der Natur sehnlichst erwarteten Regen bringen, wobei sich die Lage am Montag in der zweiten Tageshälfte von Westen her allmählich beruhigt.

Am Dienstag macht sich von Westen her bereits wieder Hochdruckeinfluss bemerkbar, vereinzelte Restschauer dürften sich auf die östlichen Alpen beschränken. Die Temperaturen liegen im angenehmen sommerlichen Bereich. Am Mittwoch und Donnerstag steigt die Temperatur wieder an, der Sonnenschein überwiegt und die Gewitterneigung ist eher gering.

Der Sturm in Biel – Teil 2: Interpretation des Radarbildes um 17:55 Uhr

Zoombild Donnerradar, Region Biel um 17:55 Uhr. Details siehe Text. Quelle: meteoradar

Zoombild Donnerradar, Region Biel um 17:55 Uhr. Details siehe Text. Quelle: meteoradar

Als Ergänzung des Blogs vom 21.6. soll aus aktuellem Anlass versucht werden, die kurzfristigen Wetterrisiken für die Region Biel aus den um 17:55 Uhr zur Verfügung stehenden Radarbild-Information abzuschätzen. Hierzu werden zwei Bildquellen verwendet:
a) das Schlussbild „Donnerradar 3D“ des Blogs vom 21.6.
b) das Zoombild „Donnerradar Zoom“ dieses Blogs.

Aus der Zugrichtung und der Geschwindigkeit des Systems kann der ungefähre Zeitpunkt abgeschätzt werden, wann das System den Standort Biel mutmasslich überqueren wird. Dies dürfte um etwa 18:25 Uhr der Fall sein (dicke rote Querlinie). Die Bewegung des Systems ist mit dicken roten Längslinien markiert. Die dünnen Längslinien zeigen die allfällige Abweichung des Systems nach links oder nach rechts, gegenüber der mutmasslichen Bewegungsrichtung. Gemäss dieser einfachen Extrapolation kann man folgern, dass das Sturmzentrum, die rot eingefärbte Region, knapp westlich an Biel vorbeiziehen dürfte. Die rechte Ecke kann – muss aber nicht – den Standort Biel treffen. Superzellen mit zyklonaler Aufwindrotation (um eine solche handelte es sich im vorliegenden Fall ohne Zweifel) generieren die stärksten Wetterrisiken normalerweise am rechten Rand der auf dem Radar erfassten Starkechozone. In unserem Fall kann genau diese Zone die Region Biel treffen oder kanz knapp westlich vorbeischrammen.

Im folgenden werden die Wetterrisiken kommentiert, welche im Gefolge einer Superzelle auftreten können.

Risiko Blitzschlag
Es dürfte unbestritten sein, dass mit Blitz und Donner gerechnet werden muss. Die kleinen rot/orange/gelben Quadrätchen zeigen die Blitzentladungen in einem Zeitfenster von 5 Minuten. Es ist aber unmöglich vorauszusehen, wo und wann der Blitz allenfalls einschlagen kann. Das Risiko für einen festen, eng begrenzen Standort dürfte sogar sehr klein sein – sonst würde es zu viel mehr Zwischenfällen durch Blitzschlag kommen. Trotzdem wäre es verfehlt, diesem Risiko keine Beachtung zu schenken. Tragische Beispiele aus der Vergangenheit gibt es mehr als genug.

Risiko Hagel
Dieses Risiko muss als erheblich eingeschätzt werden. Es ist auch grosser, schadensträchtiger Hagelschlag möglich, vor allem deshalb, weil die Hagelzone in der Gewitterwolke bis 12 km hochreicht (siehe vorangehender Blog). Die rote Farbe im Radarecho gibt gute Hinweise, wo Hagelschlag auftreten kann. Es ist aber zu bedenken, dass sich die Hagelgefahr in den 30 Minuten bis zum vermuteten Eintreffen des Gewitters noch ändern kann, z.B. durch Abschwächung oder auch durch nochmalige Verstärkung des Gewitters.

Risiko Starkregen
Eine Superzelle kann extrem viel Regenwasser generieren, welches in kürzester Zeit, zusammen mit schmelzendem Hagel, zu lokalen Überflutungen führen kann.

Risiko Sturmböen
Dies ist bestimmt das relevante Risiko, zugleich aber auch das am schwierigsten einschätzbare. Sturmböen können auf der ganzen Breite einer Gewitterfront daherkommen, ebenso häufig sind aber lokale Sturmzentren und Variationen der Sturmstärke auf kleinsten Räumen. Downbursts/Tornados sind mögliche Begleiter von Superzellen. Es gibt Superzellen, welche kaum Sturmböen produzieren. Dies dürfte öfters in der Anfangsphase der Lebensgeschichte einer Superzelle der Fall sein. Mit zunehmender Lebensdauer steigt das Risiko für Sturmböen an, da die Abwinde stärker werden. Diese können auch zunehmend dem Niederschlagszentrum vorauslaufen und so deutlich früher als der Niederschlag an einem festen Ort eintreffen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Superzellen ein sehr hohes Risikopotenzial für Hagel, Starkregen, Sturmböen, Downbursts und Tornados in sich bergen. Der Wetterradar ist ein unverzichtbares Hilfsmittel geworden, um Superzellen rechzeitig zu erkennen, ihre mutmassliche Zugbahn abzuschätzen und so die möglichen Risiken räumlich und zeitlich einzugrenzen. Es versteht sich von selbst, dass ein hohes Fachwissen mit zuverlässigen und rasch verfügbaren Daten und Modellen in kürzester Zeit kombiniert werden muss, um dem Bedarf nach einer robusten Risikoabschätzung in Echtzeit gerecht zu werden. In diesem Artikel konnte nur ein Teil der Aspekte angesprochen werden, welche bei diesem Problemkomplex eine Rolle spielen. Im Zweifelsfall dürfte der folgende Grundsatz am ehesten dem Bedürftnis nach Sicherheit gerecht werden:

Besser 100mal zu früh als 1mal zu spät einen sicheren Ort aufsuchen.