Die vierte Dimension des 3D-Radars: die Tagesloops

Der Schiebebalken ist – wie bei Videos – das zentrale Bedienelement der Tagesloops des 3D-Radars.
Quellen: meteoradar, meteoschweiz, nowcast.de

Der 3D-Radar – ein Donnerradar-Produkt in drei Dimensionen – zeigt nicht nur den Grundriss, sondern in zwei Seitenrissen auch die Höhenerstreckung von Niederschlagswolken und Blitzentladungen. Die vierte Dimension ist die zeitliche Evolution der Niederschlagsgebiete und Gewitter. Diese kann mit den neuen Tagesloops viel besser betrachtet werden, als das bis anhin möglich war. Die Radarbilder des aktuellen Tages und des Vortages können auf einfachste Art und Weise wahlweise als steuerbare Animationen oder als Einzelbilder angezeigt werden.

Die beiden Produkte des Donnerradars (Zoomradar Pro 2015 und 3D-Radar) behandelten die Zeitachse bislang eher stiefmütterlich. Nur das aktuellste Bild, der Loop der letzten halben Stunde und der Loop der letzten vier Stunden ohne Bedienmöglichkeit werden angezeigt. Ältere Einzelbilder müssen umständlich in den Archiven gesucht werden. Die Tagesloops geben jetzt den Usern ein neues Instrument in die Hand, um schnell und unkompliziert durch alle Radarbilder des Vortages und des aktuellen Tages zu navigieren.

Oberhalb des Radarbildes sind Steuerelemente platziert, welche auch für die Steuerung von zahllosen Videos im Internet Verwendung finden. Der Radarloop lässt sich damit starten, stoppen, vor- und retourschieben. Zusätzlich kann man mit den Buchstaben „n“ und „b“ beliebig langsam oder, bei gedrückter Taste, auch schnell durch die Bildserie navigieren. Bewegungen des Cursors über dem Radarbild werden am oberen Bildrand unmittelbar in die aktuelle CH-Koordinate der Cursorposition übertragen. Diese kann, per Mausklick, mit einem Kreis markiert und, per Klick auf den Button „markieren“ (unterhalb des Bildes), für spätere Webseitenbesuche gesichert werden (Zulassen von Cookies vorausgesetzt). Die zu markierende Koordinate kann unterhalb des Bildes auch über die Tastatur eingegeben und gesichert werden. So kann sehr schnell geprüft werden, ob und wann es am markierten Standort geregnet, gehagelt oder geblitzt hat.

Demo: https://www.metradar.ch/2009/tgn/demo_tagesfilm_radarblitze.php
Zugang für Kunden: https://www.metradar.ch/2009/tgn/aktuell_tagesfilm_radarblitze.php
Upgrade für Kunden des Zoomradars Pro: https://ssl.hostpark.net/meteoradar.ch/metr/admin/abo_upgrade.php

Video-Anleitung zur Bedienung der Tagesloops. Wir empfehlen die Wiedergabe des Videos im Full-Screen Modus. Nach dem Start des Videos unten rechts auf das Quadrätchen klicken.

Gewittervorschau 12.-18.05.2017

„Im Mai, im Mai… ischt der April noch nicht vorbei!“ Dieser von Emil Steinbergers Bauernregeln abgewandelter Spruch zeigt dieses Jahr wieder mal seinen Wahrheitsgehalt. Am Mittwochmorgen noch vebreitet Boden- und lokal sogar Hüttenfrost, am Nachmittag mit viel Sonnenschein und einsetzendem Föhn über 20 Grad. Danach ein paar Tage Waschküchenwetter, bevor uns ein Hoch mit einer ersten stabilen frühsommerlichen Phase beschenkt, die – Vorsicht, Spekulation! – mit dem nächsten kalten Gruss aus dem Hohen Norden endet. Unser Hauptaugenmerk richtet sich auf das Gewitterpotenzial von Freitag bis Sonntag, das hoffentlich ausgeschöpft wird, nicht dass der diesjährige April dem Mai in Sachen Gewitterhäufigkeit noch den Rang abläuft. Immerhin war das erste Maidrittel 2017 in Bern im Schnitt knapp zwei Grad kälter als das erste Aprildrittel, was für weite Teile der Alpennordseite repräsentativ sein dürfte. Ist also zu hoffen, dass der diesjährige Trötzeli-Frühling zum Ende hin noch Vernunft annimmt, allzu viel Zeit bleibt ihm dazu nicht mehr…

Zum Verständnis der nachfolgenden Prognoseversuche ist ein einführender Blick auf die Grosswetterlage von Nutzen, hier anhand der Strömung in etwa 5500 m Höhe dargestellt:

Für Mitteleuropa in den nächsten Tagen wetterbestimmend ist ein über dem zentralen Nordatlantik liegender Tiefdruckkomplex, an dessen Südflanke eine auf die Alpen gerichtete südwestliche Höhenströmung zu erkennen ist. In dieser Strömung bilden sich kleine Verwellungen, auch Kurzwellentröge genannt, deren genaue Positionen und Ausprägungen wie immer schwierig vorherzusagen sind. Daher sollten wir uns besser nicht allzu sehr in die detaillierten lokalen Abläufe verbeissen wollen, ein derartiges Unterfangen ist bei solchen Lagen in der Regel zum Scheitern verurteilt. Interessant sind vielmehr die täglich in kleinen Details ändernden Voraussetzungen, welche das Gewitterpotenzial positiv oder negativ beeinflussen.

Am Freitag dreht die bodennahe Strömung von Süd-Südost auf Südwest, sodass sich der Föhn deutlich abschwächt und sich in die obersten Täler zurückzieht. Der abtrocknende Effekt, der heute Donnerstag noch gut gewirkt hat, entfällt somit. Die aus Südwesten herangeführte Luftmasse ist vom Energiegehalt nur als mässig einzustufen, wobei die Energie mehr auf die Feuchte als auf die Wärme zurückzuführen ist. Denn es handelt sich nicht etwa um subtropische Luft, was die Windrichtung vermuten lassen würde, sondern um gealterte, über dem Atlantik und der Iberischen Halbinsel erwärmte Polarluft, die von Norden her westlich des Tiefkomplexes nach Süden geführt wurde. Um das Gewitterpotenzial auszuschöpfen, ist die Luftmasse also auf die tägliche Erwärmung durch die Sonne angewiesen. Und da darf am Freitag aufgrund der recht dichten hohen und mittelhohen Bewölkung zumindest mal ein Fragezeichen in den Raum gestellt werden. Kommt hinzu, dass aufgrund der wiederholten Kaltlufteinbrüche der vergangenen drei Wochen in den Voralpen bis auf etwa 1500 Meter herab noch flächig eine Schneedecke vorhanden ist, welche hier die Erwärmung des Bodens und somit die Thermik hemmt. Die Hebung wird somit nicht in erster Linie orographisch unterstützt sein, sondern aus den schwer zu prognostizierenden synoptischen Hebungsfeldern angetrieben werden. Die diesbezüglichen Divergenzen in der Höhe sind vorhanden, nur wann und wo sie für die Gewitterauslöse ausreichend sein werden, ist kaum vorhersehbar. Jedenfalls ist in der zweiten Tageshälfte mit Schauern und Gewittern zu rechnen, die nicht in erster Linie über dem Relief entstehen, sondern spontan ohne ersichtlichen Grund auch über dem Mittelland. Aufgrund des Windprofils und der mässigen Labilität ist kaum mit organisierten Strukturen und heftigen Entwicklungen zu rechnen. Am ehesten sind lokale Überflutungen zu erwarten.

Am Samstag erreicht der Energiegehalt den höchsten Wert der bevorstehenden Witterungsphase, was vor allem auf die Erwärmung der unteren Luftschichten zurückzuführen ist. Gleichzeitig zieht sich aber die Höhenkaltluft auch ein wenig nach Westen zurück, sodass sich in der Bilanz bei der Labilität gegenüber dem Vortag nicht allzu viel ändert. Mit etwas mehr Sonnenschein dürften mehr Zellen entstehen, auch etwas mehr orographisch unterstützt vor allem am Jura und entlang der höheren Mittelland-Hügelzone. Die Höhenströmung bleibt auf Südwest, büsst aber etwas an Geschwindigkeit ein, was eine langsamere Verlagerung der Gewitter und somit ein höheres Überflutungspotenzial zur Folge hat.

Am Sonntag nähert sich aus Westen kühlere Luft, auf der nachfolgenden Karte grün, während die energiereichere Luft (gelb) durch Winddrehung auf West bis Nordwest an die Alpen gedrückt wird:

Damit verlagert sich die Schauer- und Gewitteraktivität an den Alpennordhang, während das Mittelland und der Jura wahrscheinlich bereits etwas entlastet werden. Am Abend bzw. in der Nacht auf Montag erreicht uns eine Kaltfront (in obiger Karte über Frankreich als Übergang zu den Blautönen zu erkennen). Hier ist noch fraglich, wie aktiv diese Front sein wird, gerät sie doch bereits unter bodennahen Hochdruckeinfluss. Etwas mehr Zunder dürfte von ihr zu erwarten sein, wenn sie dem Trend der Modellläufe folgt und noch etwas früher, also im tageszeitlich günstigeren Fenster bei uns eintrifft.

Der Montag stellt den Übergangstag zur erwähnten Hochdruckphase dar. Die Restfeuchte der Kaltfront wird durch nordwestliche Winde an die Alpen gedrückt, was am östlichen Alpennordhang noch mal ein paar Schauer auslösen kann. Weiter westlich verläuft der Tag mit einsetzender Bise bereits recht sonnig und trocken.

Am Dienstag und Mittwoch erwartet uns stabiles, sonniges und windschwaches Hochdruckwetter, wobei am Mittwoch erstmals verbreitet die Voraussetzungen für einen Sommertag mit Höchstwerten von 25 Grad und mehr geschaffen sind.

Am Donnerstag zieht das Hoch nach Osten und die Luft wird wieder etwas angefeuchtet, insbesondere wird sie durch kräftige Erwärmung auf 26 bis 28 Grad labil genug für lokale Wärmegewitter – die ersten frühsommerlichen Einzelzellen, diesmal aufgrund der kräftigen Schneeschmelze stärker ans Relief gebunden, dürften entstehen.

Sturmvorschau 27.02.-05.03.2017

Höhenwind in rund 5500 m in der Nacht zum 28.02.2017

Abgesehen von dem einen Sturm Mitte Januar war dieser Winter bisher sehr ruhig, hauptsächlich hochdruckgeprägt und daher auch zu trocken. Nun scheint es, als wolle der Winter 2016/17 noch in letzter Minute aufholen, was er bisher verschlafen hat. Das wird ihm bis Dienstagabend aber nur unvollständig gelingen, beginnt doch am 1. März der meteorologische Frühling und so darf dann dieser die statistischen Werte einheimsen, die eigentlich der Winter vorbereitet hat. Denn schaut man sich die aktuelle Ausgangslage an (Titelbild, anklicken für volle Grösse), so zieht zwar der erste Trog noch am Dienstag, 28. Februar durch, der nächste sich auf dem Atlantik befindliche trifft in der Nacht auf Donnerstag bei uns ein, und jener für das nächste Wochenende muss erst noch geboren werden, daher sind die Aussichten diesbezüglich noch unsicher. Eine stürmische Phase zum Winterende ist nicht ungewöhnlich, und die nordhemisphärische Zirkulation macht derzeit (wie schon den ganzen Winter) nicht den Anschein, als wäre die aktuelle Westwindphase von langer Dauer.

Bereits heute Montag zieht der Südwestwind in der Höhe – vor allem im Jura – kräftig an. In den Alpentälern kommt Föhn auf, der in den Abendstunden durchaus Sturmböen bringen und recht weit bis an den Bodensee ausgreifen kann. Der Föhn bricht in der zweiten Nachthälfte mit dem Durchzug einer ersten Kaltfront zusammen. Bereits am Dienstagvormittag zieht die schwach aktive Warmfront eines Teiltiefs über Frankreich durch, am Nachmittag folgt sehr rasch die zugehörige Kaltfront:

Diese wird es in sich haben: Die Höhenkaltluft zieht rasch mit und sorgt für eine Differenz von rund 30 Grad zwischen den 850- und 500 hPa-Schichten. Man darf also davon ausgehen, dass es an der Kaltfront sowie in den rückseitigen Schauern zu elektrischen Entladungen kommen wird. Das tageszeitlich optimale Timing sowie die gegebene Labilität sorgt dafür, dass die Böen des höheren Mittelwindes gut heruntergemischt werden:

Anders als beim trockenen Warmsektorsturm vom vergangenen Donnerstag, der seine Energie hauptsächlich von der starken Sonneneinstrahlung und der daraus folgenden Erwärmung der bodennahen Luftschichten bezog, haben wir es diesmal mit einem schnell ziehenden Teiltief mit nachfolgender Höhenkaltluft zu tun. Die stärksten Böen werden daher wahrscheinlich heftiger, aber in einem kürzeren Zeitfenster mit dem Durchzug der Kaltfront erfolgen. Dabei kann es im Mittelland, vor allem aber an den engen Eingängen zu den Alpentälern durchaus zu orkanartigen Böen (100 bis 110 km/h) kommen.

Durch die rasche Abfolge von Kalt-, Warm- und dann wieder Kaltfront fährt die Schneefallgrenze zwischen Montagnacht und Dienstagnacht Achterbahn zwischen 2000 und 600 m. In der Nacht auf Mittwoch sinkt sie sogar bis auf 400 Meter, wobei die Niederschläge bald einmal abklingen, wenn die Schneefallgrenze unten ankommt. Somit wird im Mittelland auf den mittlerweile recht warmen Böden kaum etwas liegenbleiben.

Der Mittwoch ist zunächst von der kalten Rückseite geprägt: Typ Aprilwetter mit Schauern und kurzen sonnigen Phasen, begleitet von kräftigen Böen. Die Schneefallgrenze steigt mit der tageszeitlichen Erwärmung von den tiefen allmählich in mittlere Lagen an. Bereits am Abend folgt der Warmfrontregen des nächsten Tiefs, die Schneefallgrenze steigt damit erneut auf 1500 m oder lokal sogar höher. Der Mittelwind zieht wieder kräftig an, die Böen in den Niederungen werden sich aber diesmal durch den Regen und die stabile Schichtung der Luft während der Nacht in Grenzen halten:

Die nachfolgende Kaltfront am Donnerstag soll je nach Modell knapp nördlich der Schweiz oder aber genau darüber schleifen. Ob der Donnerstag also ein bewölkter, windiger, aber weitgehend trockener und milder, oder doch eher ein nass-kühler Tag wird, ist somit noch offen.

Überhaupt wird es nun ziemlich unsicher, da sich über Westeuropa ein Trog ausbilden soll, von dem man heute noch nicht sagen kann wie tief er sich eingräbt und wie nah er uns kommt. Klar ist, dass sich damit eine Südföhnlage über den Alpen einstellt. Die GFS-Variante zeigt dabei durchaus einen ordentlichen Föhnsturm am Freitag:

Der Windsprung über dem Jura zeigt bereits die nahende Kaltfront an, welche in der Nacht auf Samstag die Föhnphase unterbrechen und eine kurze stürmische Westwindphase bringen soll. Danach könnte sich der Föhn am Wochenende aber wieder erholen, doch wie gesagt ist dies alles noch ziemliche Spekulation. Am besten macht man sich schon mal auf alle möglichen Varianten (Sturmböen mal in den Föhntälern, mal im Mittelland) gefasst.

Auch die Niederschlagssummen bis zum nächsten Sonntag sind mit einer Portion Vorsicht zu geniessen, da noch nicht klar ist, wie viel Feuchtigkeit mit der Föhnphase zur Alpensüdseite gelangt:

Die Option, dass die winterliche Trockenheit mit dem meteorologischen Frühlingsbeginn zu Ende geht, ist jedenfalls gegeben. Derartige Szenarien wurden uns in den letzten Monaten in der Mittelfrist wiederholt aufgetischt, gekommen ist davon allerdings nur wenig. Man darf also gespannt sein…

Sturm-, Gewitter- und Schneevorschau 12.-18.01.2017

So ähnlich wie der Sturm am 11.01.2016 dürfte auch der diesjährige daherkommen.

So ähnlich wie der Sturm am 11.01.2016 dürfte auch der diesjährige daherkommen.

Jährlich grüsst der Samichlaus, das Weihnachtstauwetter und – genau! – die Sturmlage Mitte Januar. Auf gewisse Dinge ist einfach Verlass, was in unserer schnelllebigen und sich stetig verändernder Zeit gar nicht mal so schlecht ist. Es gibt zwar den weisen Spruch dass sich Wetter nicht wiederholt, und wenn man die Details betrachtet wird man darin auch bestätigt. So gleicht zwar der Titel zu diesem Beitrag jenem vor genau einem Jahr wie ein Ei dem anderen, doch dürfte aus dem diesjährigen Ei eher ein Schneehuhn schlüpfen, während uns das letztjährige einen Kuckuck als Symbol für den nahenden Frühling beschert hatte. Ein gewichtiger Grund für diesen Unterschied dürfte die doch etwas andere Vorgeschichte der ersten zehn Tage des Jahres ausmachen: 2016 war Europa zu diesem Zeitpunkt weitgehend schneefrei, während in diesem Jahr mit wiederholten Kaltluftausbrüchen über Osteuropa eine gesunde Grundlage für hausgemachte Kälte bereit gestellt wurde.

Alles Gute kommt aus Westen oder wie im Fall der winterlichen Sturmtiefs aus Nordwesten, denn der Ursprung liegt so oft in einem Kaltluftausbruch durch die Davisstrasse auf die relativ warme Labradorsee:

20170111-blog2Dargestellt sind die Temperaturen in rund 1500 m Höhe, der weisse Pfeil markiert den Ausbruch arktischer Luft von bis zu -30 Grad auf den Nordatlantik. Dort wird durch die extremen Temperaturunterschiede eine Welle gebildet, die nach 36 Stunden bei uns als Randtief für eine stürmische Nacht sorgen wird. Dabei erwärmt sich die arktische Luftmasse auf dem Weg über den Atlantik unter gütiger Mithilfe von Vermischung mit Subtropenluft auf -5 Grad in 1500 m. Was einmal mehr eindrücklich aufzeigt, aus welcher Richtung wir den Winter in Europa nicht erwarten müssen, allenfalls kann diese Entwicklung die Zutaten in der europäischen Grosswetterküche neu mischen, sofern die Kaltluftausbrüche von Kanada her auf den Atlantik nicht nachhaltig sind, so wie im aktuellen Fall. Doch bevor wir uns der mittelfristigen Entwicklung widmen, wenden wir uns zunächst der Kurzfrist, also dem Sturmtief zu:

20170111-blog3Hier sehen wir das Randtief mit einer Zugbahn über Holland und Norddeutschland hinweg. Das ist die amerikanische Variante, die von UKMO gestützt wird. Etliche Festlandeuropäer wie ICON, Arpège und Hirlam sehen die Zugbahn über Luxemburg und der Mitte Deutschlands, zudem gibt es zeitliche Verschiebungen um etwa 3 Stunden, die aber für uns nicht ins Gewicht fallen. Auch steht für uns ausser Frage, ob wir ins Sturmfeld geraten oder nicht. Allerdings entscheidet die Positionierung des Tiefs und der daraus resultierende Druckgradient darüber, ob im Mittelland Böen von etwa 80 oder gar 100 km/h durchbrechen. Dass auf den Bergen Orkanböen zu erwarten sind, steht wiederum fest. Etwas dämpfend auf die absoluten Spitzenböen in den Niederungen dürfte der Umstand wirken, dass die Kaltfront in der zweiten Nachthälfte durchzieht, somit also der verstärkende Effekt der tageszeitlichen Erwärmung wegfällt. Noch ein Wort zum Niederschlag: Dieser fällt in den freien Lagen der Alpennordseite bereits ab der Warmfront von Mittwochnacht bis in Höhen von rund 1000 m als Regen. Etwas beruhigend dürfte die Nachricht für die Skigebiete sein, dass die Warmfront den inneren Alpentälern vorerst noch Schnee bis in die Tallagen bringt, und die Niederschläge am Donnerstag tagsüber mit der wärmsten Luft (Schneefallgrenze lokal bis 1500 m steigend) nur schwach ausfallen. Kritisch unter diesem Aspekt ist der Regen in der ersten Nachthälfte vor dem Eintreffen der Kaltluft, in tieferen Lagen wird wohl vom bisherigen Schnee nicht allzu viel übrig bleiben. Aber für Nachschub wird schnell gesorgt: Am Freitagmorgen sinkt die Schneefallgrenze bis in die Niederungen und dort wird sie in den folgenden Tagen auch bleiben. Denn in einem sind sich die Modelle nach der unsicheren Zugbahn des Randtiefs wieder einig: Es findet eine mächtige Austrogung über Mitteleuropa bis ins Mittelmeer und in der Folge ein Abschnürungsprozess statt. Für uns bedeutet dies zuerst von Freitag bis Sonntag eine Nord- und in den Folgetagen eine Ostlage.

Mit dieser Nordströmung erreichen uns polare Luftmassen, welche bei einer normalen Eisbedeckung der Arktis für uns strengen Winter bedeuten würde. So aber ist die Luft vorerst gemässigt kalt und auch ausreichend feucht, um immer wieder für Schneeschauer zu sorgen. Am Freitag ist die Höhenkaltluft sogar derart beschaffen, dass es für einige Wintergewitter reichen dürfte. Spannend wird die Lage anschliessend mit dem CutOff-Tief über dem Mittelmeer:

20170111-blog4Über Mitteleuropa bildet sich bodennah eine Hochdruckbrücke bis nach Russland, und jetzt kommt der eingangs erwähnte Schnee in Mittel- und Osteuropa zum Tragen: Unter diesem Hoch kann in klaren Nächten über frischem Schnee sehr effektiv Kaltluft produziert werden, welche mit der einsetzenden Nordostströmung auf die Alpennordseite geführt wird. Manche „Meteorologen“ werden zwar zwecks Effekthascherei wieder mal die Legende der sibirischen Kaltluft bemühen, doch nein, es ist lediglich Kaltluft der Marke Osteuropa. Das starke Druckgefälle zwischen dem Hoch nördlich von uns und dem Mittelmeertief wird einen Bisensturm in Gang setzen, wie wir ihn wahrscheinlich seit Februar 2012 nicht mehr gesehen haben – dies selbstverständlich bei Dauerfrost und zweistelligen Minustemperaturen in den Nächten. Liebhaber von natürlichen Eisskulpturen an Seeufern sollten sich den Dienstag und Mittwoch schon mal in ihrer Agenda vormerken. Getrübt werden könnte das Schauspiel durch schlechte Lichtverhältnisse, sollte das Höhentief tatsächlich die gezeigte nördliche Position beibehalten. In diesem Fall ist nämlich mit hartnäckiger hochnebelartiger Bewölkung zu rechnen, mitunter kann es daraus sogar gelegentlich flöckeln. Das Ende dieser Kälteperiode lässt sich anhand der heutigen Unterlagen nicht festlegen.

Sturmvorschau 20.-24.11.2016

Auswirkung der aktuellen Eis- und Schneeverteilung auf die nordhemisphärische Zirkulation

Auswirkung der aktuellen Eis- und Schneeverteilung auf die nordhemisphärische Zirkulation

In unserem letzten Beitrag vor Monatsfrist haben wir erklärt, weshalb die Herbststürme bei uns in jüngerer Vergangenheit seltener geworden sind. Nun steht der erste nennenswerte Herbststurm dieser Saison (endlich) vor der Tür, auch wenn er uns nur randlich tangiert und in erster Linie in den Föhntälern zu spüren sein wird. Dabei ist es interessant, die Geschichte von Entstehen und Vergehen dieses Sturms genauer unter die Lupe zu nehmen und in den grösseren Zusammenhang der aktuellen nordhemisphärischen Zirkulation zu stellen.

Bekanntlich ist der arktische Eisschild derzeit auf einem Rekordniveau für die Jahreszeit. Nur am Kanadischen Archipel sowie bei Ostsibirien hat die Eisausdehnung das Festland erreicht, während auf europäischer Seite und in der Beringsee die Eisfläche aufgrund warmer Südströmungen in den letzten Tagen sogar noch auf dem Rückzug war. Die Titelgrafik zeigt die momentane Situation mit der grössten Kaltluftproduktion, die in zwei Pole gespalten ist (schwarze Kreise) und deren Weg nach Süden, wo im Kontakt mit wärmerer Luft die Tiefdruckproduktion angekurbelt wird.

Uns interessiert vor allem der Kaltluftausbruch vom Kanadischen Archipel durch die Davisstrasse auf den Nordatlantik hinaus, der am vergangenen Wochenende stattgefunden und nach längerer Zeit wieder mal eine ordentliche Westströmung in Gang gesetzt hat:

20161119-blog2Das Aufeinandertreffen von Polarluft aus Nordwesten und Subtropikluft aus Südwesten hat südlich von Island die Entstehung von Randtiefs begünstigt, das erste hat uns am Freitag die ersten stürmischen Böen bis in die exponierten Lagen des Mittellands gebracht. Im Spätherbst und Frühwinter ist dies eigentlich die Standardgrosswetterlage, welche für das jährliche Maximum an Westlagen im November und Dezember besorgt ist. Diesmal ist das Aufbäumen der Westdrift allerdings nur von kurzer Dauer. Das Fehlen einer Eisdecke über weiten Teilen der Arktis und somit die ungenügende Auskühlung der Luft über dem offenen Wasser sorgt weiterhin dafür, dass der Polarwirbel unrund läuft. Dies wiederum schwächt den Jetstream, wodurch dieser, statt über den Nordatlantik direkt auf Europa zuzusteuern, enorme Umwege schlägt. Sehr eindrücklich die berechnete Situation für kommenden Montag/Dienstag:

20161119-blog3Aus der strammen Westlage wird durch die Austrogung in nur 36 Stunden eine lehrbuchhafte GWL „Trog Westeuropa“, bei dem der Alpenraum knapp auf die Vorderseite des Starkwindbandes zu liegen kommt. Ein paar hundert Kilometer östlich, und die starken Höhenwinde würden die feuchten Luftmassen aus dem Mittelmeer über die Alpen hinweg nach Norden tragen, so aber bekommen wir es mit einer klassischen Föhnlage mit Stauniederschlägen im Süden und trockener Föhnluft im Norden zu tun. Dies ist eine typische Herbstlage und soll die Ungeduldigen unter uns daran erinnern, dass der Winter eben doch erst im Dezember beginnt…

Am Sonntag ist der Austrogungsprozess eben erst in Ausbildung begriffen. Dieser Prozess sorgt dafür, dass das Sturmtief über England allmählich einen nördlichen Kurs einschlägt und das europäische Festland „nur“ mit normalen Sturmböen beglückt, während das Hauptsturmfeld mit Orkanböen durch den Kanal in die Nordsee zieht:

20161119-blog4Die Schweiz wird davon nur am Rand gestreift, das Sturmfeld erreicht gerade noch den Jura, wo in erhöhten Lagen mit Böen um 80-100, auf dem Chasseral vielleicht 120 km/h zu rechnen ist. Der Druckfall auf der Alpennordseite lässt zudem allmählich den Föhn in Gang kommen, der etwa zur Mittagszeit mit Böen um 80 km/h in die typischen Täler durchbrechen und als Gast bis Donnerstag erhalten bleiben dürfte. Der Höhepunkt des Föhnsturms wird in den Süd-Nord ausgerichteten Tälern voraussichtlich am Montagnachmittag erreicht:

20161119-blog5Der Trog erreicht nun seine Reife und der exakt von Nord nach Süd verlaufende Höhenwind schlägt sich bis in die Niederungen durch. Damit stehen die Voraussetzungen gut, dass der Föhn auch im Mittelland zu spüren sein wird, zumal sich die Sonne immer wieder mal zeigt und allfällige Kaltluftseen am Boden wegheizt.

Das Schicksal derart starker Austrogungen liegt darin, dass sich die Trogspitze bald einmal abschnürt und sich ein sogenanntes CutOff-Tief bildet. Dieses kommt über der Iberischen Halbinsel zu liegen füllt sich in der Folge langsam auf. Damit dreht der Höhenwind über den Alpen auf Südost:

20161119-blog6Der Föhn in den klassischen Tälern schwächt sich allmählich ab, ohne jedoch ganz abzustellen. Im Gegenzug verstärkt er sich zum Beispiel im Oberwallis und im Berner Oberland (Guggiföhn!) und  kann bis weit auf den Genfersee ausgreifen. Allerdings ist das Tief doch etwas gar weit im Westen, sodass es wohl kaum zu einer extremen Sturmlage kommen wird. Noch ist nicht ganz klar, wann die Föhnlage zu Ende geht. Der aktuelle Modelllauf zeigt am Donnerstag die Abspaltung eines Randtiefs, das über Frankreich nach Süddeutschland ziehen soll und den Wind bei uns auf westliche Richtung drehen lässt. Die Modellierung solch kleinräumiger Tiefentwicklungen sind jedoch auf mehrere Tage hinaus meist fehlerbehaftet, sodass eine Verlängerung der Föhnlage durchaus möglich ist.

Ein mehrtägige Föhnlage ist in der Regel ein Garant für Starkniederschläge auf der Alpensüdseite:

20161119-blog7Durch das Drehen der Höhenströmung auf Südost ist vor allem der Bereich des Monte-Rosa-Massivs und des Nordtessins bis ins Bergell betroffen. Der von Gebührenmeteorologie gestern angekündigte Meter Neuschnee oberhalb von rund 2000 m dürfte sehr, sehr konservativ geschätzt sein. Vielmehr ist durch Verfrachtung und Verwehungen mit einer grossen Lawinengefahr in den betroffenen Gebieten zu rechnen. Spannend wird sein, wie stark die Niederschlagsabkühlung im Kerngebiet des Starkniederschlags in engen Tälern wirken kann. Greift der Wind nicht bis in die Täler, ist durchgehender Niederschlag in fester Form bis in manche Talböden durchaus denkbar. Somit würde zumindest sehr lokal der Winter doch schon im November Einzug halten. In den übrigen Gebieten ist diesbezüglich hingegen immer noch Geduld angesagt, denn nach dem Ende der Föhnlage stellt sich erst mal für einige Tage eine recht ereignislose Wetterlage ein, bei welcher der Alpenraum im Niemandsland zwischen den weit entfernten Druckzentren zu liegen kommen dürfte.

Vermisstenanzeige

Föhnsturm im Urner Reussdelta, 22.10.2013

Föhnsturm im Urner Reussdelta, 22.10.2013

Vermisst wird seit Ende Oktober 2013 der Herbststurm. Signalement: Gross und kräftig, von gedrungener Statur. Manchmal feucht, manchmal kühl abweisend, manchmal warm, von aufbrausendem Charakter. Der Herbststurm trägt schmutzig-grüne Hosen und einen gelb-rot-braun gesprenkelten Anorak sowie eine Sturmhaube, eine bläulich verspiegelte Sonnenbrille und Gummistiefel. Er wurde letztmals Ende Oktober 2013 in den Alpen gesichtet und wird seither vermisst. Man vermutet einen aktuellen Aufenthalt im Raum Ostsibirien bis Kamtschatka, gelegentlich taucht er aber auch kurz an der Südspitze Grönlands auf. Der Herbststurm ist vermutlich orientierungslos und verwirrt und kann bei Reizung rasch ausser Kontrolle geraten und Schaden anrichten. Es wird daher um schonendes Anhalten und baldmögliche Überführung nach Europa gebeten, wo ihn Meteorologen und wetterbegeisterte Menschen herzlich empfangen werden.

Bis der Herbststurm gefunden ist, müssen wir uns im Alpenraum mit seinem kleinen Bruder zufrieden geben. Der Föhn nimmt heute Sonntag nach Durchzug der Warmfront stetig zu und erreicht am Montagnachmittag seinen Höhepunkt. In den klassischen Föhntälern ist mit Böenspitzen zwischen 70 und 90 km/h zu rechnen. Also kein aussergewöhnliches Ereignis, das eine detaillierte Sturmvorschau rechtfertigen würde. Auch das mit der Kaltfront am Dienstag verbundene Sturmfeld zieht nördlich der Schweiz durch, allenfalls werden im Hochschwarzwald Sturmböen erreicht. In exponierten Lagen des Mittellands und der Nordschweiz dürften 50 km/h die allerhöchste Grenze sein.

Wie schon in den letzten Jahren sind Herbststürme in diesem Jahr rar, bzw. erreichen nicht die gewohnte Stärke. Die Ursache ist in einer zunehmend in den Herbstmonaten gestörten Zirkulation der Nordhemisphäre zu suchen. Während der Nordatlantik normale bis leicht unterdurchschnittliche Temperaturen aufweist, ist der Arktische Ozean sehr warm. Sturmtiefs werden jedoch durch starke Temperaturgegensätze befeuert, diese fehlen im Herbst aufgrund der geringen Eisausdehnung und der überdurchschnittlichen Wassertemperaturen in der Arktis immer häufiger. Starke Gegensätze gibt es hingegen zwischen der relativ warmen Arktis und den bereits stark ausgekühlten Landmassen Ostsibiriens und Nordamerikas. Entsprechend bilden sich die Herbststürme dort und seltener über Nordeuropa. Die Karte mit den prognostizierten Temperaturabweichungen der arktischen und subarktischen Region für Dienstag gibt Aufschluss (für grössere Ansicht in die Karte klicken):

20161023-blog2Zusätzlich zu den Temperaturabweichungen zum langjährigen Mittel sind die Windströmungen in rund 1400 m Höhe dargestellt. Man erkennt ein extrem kräftiges und umfangreiches Sturmtief über Ostsibirien, das sehr warme maritime Luft vom Pazifik über die Beringstrasse ins arktische Becken verfrachtet. Dasselbe geschieht in etwas weniger geringem Ausmass durch ein Tief vor der Küste Ostgrönlands, auch hier werden milde atlantische Luftmassen nach Norden geführt. Als Ausgleich fliesst Kaltluft von der Nordküste Kanadas und Grönlands (dort, wo der arktische Eisschild noch kompakt ist) durch die Davisstrasse nach Süden auf das ostkanadische Festland.

Europa hingegen liegt weiterhin in einer Un-Wetterzone. Was im September mit dem verlängerten Sommer noch angenehm war, präsentiert sich im Oktober mit wenig Sonne, viel Wolken- und Nebelgrau, trotzdem wenig Regen und schon gar keinen Stürmen bei durchschnittlichen Tagestemperaturen von 10 Grad. Für den wetterinteressierten Menschen ist dieses Wetter etwa so prickelnd wie eingeschlafene Füsse. Sehr viel Hoffnung auf eine nachhaltige Änderung besteht derzeit nicht. Gelegentlich verirrt sich ein schwaches Tief zum sterben auf den europäischen Kontinent wie aktuell gerade, danach darf wieder längere Zeit gewartet und gerätselt werden, ob und wann die Zirkulation allmählich auf Winter umstellt und bei uns mal kräftig durchpustet. Bei den derzeitigen Verhältnissen im Hohen Norden sollte man sich nicht allzu viele Hoffnungen machen.

Gewittervorschau 15.-21.08.2016

20160815-blog1Wer am Sonntag in der Natur unterwegs war, wird es trotz hochsommerlichen Temperaturen von knapp 30 Grad kaum übersehen haben können: Der Spätsommer hat Einzug gehalten. Das Licht ist weicher geworden, die Sicht klarer, die Farben verändern sich, ein Grossteil der Ernte ist eingebracht. Und nicht zuletzt sind die Quellwolken über den Mittelgebirgen (Jura, Schwarzwald, Voralpen) flach geblieben, wie unser Titelbild zeigt, aufgenommen am Sonntagabend von Schwarzenburg aus. Mit dem Spätsommer verändert sich auch die Gewitterklimatologie gegenüber dem Früh- und Hochsommer markant. Durch die flachere Sonneneinstrahlung wird der Boden weniger schnell aufgeheizt, gleichzeitig erreicht Mitte August die Mitteltemperatur in der Höhe den jahreszeitlichen Höhepunkt. Eine wichtige Zutat für Gewitterbildung wird damit schwächer: die Labilität. Damit es dennoch zu Auslöse kommt, müssen die beiden anderen Faktoren (Feuchte und insbesondere Hebung) dies kompensieren. Oder wir bekommen in der Höhe Unterstützung durch Kaltlufttropfen. In dieser Woche können wir all diese Einflüsse in unterschiedlichen Verhältnissen und Beziehungen zueinander beobachten.

Wir beginnen wie üblich mit der Übersicht der Grosswetterlage, diesmal unter Zuhilfenahme der Europakarte mit den steuernden Druckgebieten. Zusätzlich eingezeichnet sind warme (rot) und kalte (blau) Luftströmungen. Die schwarzen Pfeile markieren die Verlagerungsrichtung der Druckgebilde:

20160815-blog2Wir sehen den Beginn einer Omega-Lage, wobei sich die Achse des Hochdruckrückens über der Nordsee befindet. Omega-Lagen sind dann besonders stabil und ausdauernd, wenn die beiden flankierenden Tröge gleich stark sind. Wir erkennen jedoch rasch, dass der westliche Trog ausgeprägter ist als der östliche. Und damit ist der rasche Tod des Omegas bzw. des Blockadehochs bereits besiegelt, es entpuppt sich als Luftschloss erster Güte. Die warme Südströmung des Atlantiktrogs ist derart stark, dass das dadurch geförderte Hoch buchstäblich nach Norden katapultiert wird. Gleichzeitig ist der baltische Trog zu schwach, um entgegenzuhalten. Er wird vom nach Nordosten ziehenden Hoch nach Süden gedrängt, womit die beiden Füsse des Omegas über Mitteleuropa aufeinander zustreben und sich bald verbinden. Das Hoch im Norden wird von der Zufuhr warmer Luft abgeschnitten und verkrümelt sich zum sterben in die Arktis. Die Verbindung der beiden Tröge über Europa mündet in das, was wir vom ausklingenden Hochsommer bereits kennen: in eine neue Westlage.

Doch wenden wir uns zunächst der aktuellen Situation zu. Die Druckverteilung über Mitteleuropa ist eher flach unter leichten Hochdruckeinfluss, bei uns lagert aber eine sehr warme und ausreichend feuchte Luftmasse (Taupunkte um 16 Grad). Unter diesen Bedingungen im Früh- und Hochsommer hätten wir am Sonntag und heute Montag mit verbreiteten, teils heftigen Gewittern rechnen müssen. Die einleitend geschilderte schwache Labilität verhindert dies: Nur wo konvergente Windströmungen die Hebung massiv unterstützen, kann der Deckel durchbrochen werden. Die Thermik an den Mittelgebirgen wie Jura und Voralpen reicht dazu nicht mehr aus, es bilden sich nur harmlose Quellwolken. Typisch für den Spätsommer ist die Verlagerung dieser sogenannten Hitzegewitter in die Hochalpen. Sie entstehen über den nun schneefrei gewordenen Felsgebieten, die sich stärker aufheizen als die mit Vegetation bedeckten Hänge. Damit kommen kräftige Talwindsysteme in Gang, welche an den grossen Pässen und entlang des Alpenhauptkamms aufeinander treffen:

20160815-blog3Hier sind die wichtigsten Talwindsysteme der Zentralalpen eingezeichnet, das Radarbild zeigt die Situation am Sonntag, 14.08.2016 um 19:10 MESZ. Die Entstehung von Gewitterzellen über den grossen Pässen wie Gotthard, Lukmanier, Susten, Simplon, aber auch im Gebiet Brünig bis Grosse Scheidegg sind die logische Folge zusammenströmender Talwinde an Pässen und Kämmen. Bei Nordüberdruck (lokale Hitzetief-Bildung im Wallis) überschiesst der Talwind aus dem Haslital über die Grimsel und kommt als Nordostwind im Goms an, die Konvergenz bildet sich dann häufig im Gebiet Fiesch-Binn. Bei ausreichender Feuchte kommt es zu Verclusterungen wie am Sonntagabend. Recht überraschend war das System sehr langlebig und zog in der Nacht  in einer schwachen westlichen Höhenströmung über ganz Graubünden hinweg bis nach Südtirol.

Mit ähnlichen Szenarien in den Hochalpen ist auch in den nächsten Tagen zu rechnen, da sich die Bedingungen nur unwesentlich verändern. Es gibt aber Einflüsse auf Gebiete ausserhalb des Alpenbogens, die für uns interessant werden. Beginnen wir mit der Luftmassenverteilung in Mitteleuropa von heute Montag früh:

20160815-blog4Wir erkennen eine recht markante Luftmassengrenze quer durch Mitteleuropa, die polare Luftmassen (türkis bis grün) von subtropischen Luftmassen (orange) trennt. Durch die Bodendruckverteilung tendiert die kältere Luft bodennah nach Süden zu strömen, während in der Höhe schwacher Westwind vorherrscht. An der an sich inaktiven Luftmassengrenze gibt es Verwellungen, die meist unmotiviert irgendwo und relativ kurzfristig entstehen können. Es bilden sich lokale Konvergenzen, welche die Hebung fördern: fertig ist der Gewittermix auf der warmen Seite der Front. Die Modelle zeigen solche Hotspots zeitlich und räumlich unterschiedlich, entsprechend hoch ist das Überraschungspotenzial wie am Montagmorgen in der Nordostschweiz. Auch diese Ausgangslage verändert sich über die nächsten Tage nur schleichend: Das Bodentief über der Biskaya verlagert sich sehr langsam ostwärts, während der westliche Höhenwind bis Mittwoch kontinuierlich etwas anzieht. Etwas Bewegung kommt ab der Nacht zum Mittwoch in der Höhe hinein:

20160815-blog5In den meisten Karten kaum zu erkennen, schickt der Atlantiktrog einen ersten Ausläufer in Form eines schwachen Kaltlufttropfens in Richtung Alpen. Er nähert sich ebenso extrem langsam wie der markante Trog über Polen, wir befinden uns im Sandwich. Am Mittwoch und Donnerstag findet der Zusammenschluss dieser beiden Kaltlufttropfen über uns statt, es wird also in der Höhe kälter und somit labiler – theoretisch zumindest. Für Mittwoch dürfte es mit der Labilität und verbreiteter Gewitterauslöse dank der bodennah schwülen Luftmasse noch klappen. Am Donnerstag jedoch nähert sich bodennah aus Westen kühlere Luft:

20160815-blog6Da wir wissen, wie unberechenbar Kaltlufttropfen sind und noch keinesfalls klar ist, wie sich der Bodendruck dazu verhält, ist auch noch völlig offen wie sich der Donnerstag abspielt: Bleiben wir auf der warmen, aber labilen Seite mit kräftigen Gewittern, oder suppt flach aus Westen die Kaltfront rein und bringt einfach etwas Regen? GFS bevorzugt die zweite Variante. Es lässt den westlichen Trog rasch nach Osten ziehen, sodass wir uns am Freitag bereits auf seiner Rückseite in einem neuen Hochdruckrücken unter sehr warmer Höhenluft befinden könnten. Dies würde einen ruhigen, sonnigen und angenehm temperierten Freitag bedeuten (in den gängigen Wetterberichten nennt man das dann wieder mal „Zwischenhoch“, obwohl im Bodendruckfeld gar keins zu finden ist):

20160815-blog7Jedenfalls ist ruhige Zeit sehr knapp bemessen, denn bereits am Samstag wird der Atlantiktrog (jetzt mit einem Bodentief über den Britischen Inseln) für uns wetterbestimmend. Nach den heutigen Unterlagen soll am Samstag die nächste (diesmal markantere und aktivere) Kaltfront auf die Schweiz übergreifen:

20160815-blog8Über das tageszeitliche Timing und den gezeigten Hochdruckkeil halten wir uns mit Spekulationen fünf Tage im Voraus besser noch zurück. Potenzial für einen gröberen, die Hochsaison abschliessenden Knall ist gegeben. Ob es abgerufen wird, werden wir vielleicht erst am Freitag zu wissen glauben, um am Samstag wahrscheinlich trotzdem ins Staunen zu geraten. Jedenfalls öffnet diese Front der nächsten Westlage Tür und Tor. Glaubt man den heutigen GFS- und EZ-Ensembles, gerät Mitteleuropa wieder unter Hochdruckeinfluss und somit in eine stabile, spätsommerliche Lage, die dem heurigen Hochsommer zeigt was er zu tun gehabt hätte. Der EZ 00z-Hauptlauf von heute markiert aber den mahnenden Zeigefinger, dass man sich noch nicht zu sehr solchen Träumereien hingeben sollte.

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Gewittervorschau 04.-11.08.2016

Typisches Wolkenbild, wenn eine Druckwelle dem eigentlichen Gewitter weit voraus eilt

Typisches Wolkenbild, wenn eine Druckwelle der Gewitterfront weit voraus eilt

Täglich grüsst das Murmeltier. Oder zumindest alle fünf Tage. Das ist im Moment der Rhythmus, in dem der Jetstream tanzt. Und so stehen wir heute in einer ähnlichen Situation wie vergangenen Samstag, und nächsten Dienstag dürfte es wieder so weit sein. Der Jetstream mäandert über Westeuropa nach Süden, wir gelangen kurz in eine heisse Trogvorderseite, dann rauscht die Kaltfront mit Getöse durch, es ist ein paar Tage kühl (mal mehr, mal weniger), ein Zwischenhoch baut sich auf, es wird sehr warm… und das Spiel kann von vorne beginnen. Hochsommer 2016 eben. Für alle etwas dabei, Langeweile kommt in den Wetterstudios nie auf und es gibt doch immer wieder einen oder zwei Tage Verschnaufpause. Perfekte work-live-Balance für jene Meteorologen, die eigentlich immer im Dienst sind. Weil Wetter immer stattfindet, auch wenn man frei hat…

Die heutige Situation in rund 9 km Höhe ist uns aus diesem Sommer bereits bestens bekannt:

20160804-blog2Kräftige Westströmung über dem Atlantik, die nicht so richtig weiss wo sie hin soll, wenn sie den europäischen Kontinent erreicht. Also weicht sie zunächst nach Süden aus, um sich dann doch noch anders zu besinnen und wieder scharf nach Norden abzubiegen. Das ist der Stoff, aus dem Tröge und Abtropftiefs geschneidert werden. Diesen Hochsommer in einer Regelmässigkeit, dass man nach ihnen die Uhr stellen könnte.

Die Situation heute Donnerstag ist wieder mal hochgradig spannend, denn auch wenn sich die Muster jeweils sehr ähneln, können die Abläufe am Boden abhängig von tageszeitlichen und geographischen Einflüssen recht unterschiedlich sein. Heute haben wir ein Lehrbuch-Beispiel für Kaltfrontdurchgang mit vorauseilender Druckwelle. Der Vertikalschnitt von Nordwest nach Südost für heute Abend zeigt all die spannenden Prozesse, die dabei ablaufen:

Legende (weiss): B = Burgunder Pforte, J = Jura, M = Mittelland, N = Napfgebiet, V = Voralpen, A = Alpenhauptkamm, S = Südseite

Legende (weiss): B = Burgunder Pforte, J = Jura, M = Mittelland, N = Napfgebiet, V = Voralpen, A = Alpenhauptkamm, S = Südseite

Dargestellt sind hier die Vertikalbewegungen des Windes. Die Pfeile zeigen auf- und absteigende Windpakete, die Farbe deren Geschwindigkeit (rot negativ = aufsteigend, blau positiv = absinkend). Die Position der Kaltfront wurde blau eingezeichnet. An deren Stirn sieht man die heftigste Hebung, dort werden die stärksten Niederschläge auftreten. Noch deutlich vor der Kaltfront ist am Jurasüdfuss ein absteigendes Luftpaket zu erkennen, das auf einen Joran-Sturm hinweist. Diese Böenfront wird im Lauf des Abends durch das Mittelland rauschen und dann auch wieder an den Taleingängen der Alpentälern für Sturm sorgen. Diese Druckwelle erzwingt Hebung an den Voralpen, doch sieht man darüber auch noch den Rest eines Deckels, der tagsüber die Gewitterhemmung (CIN) recht lange aufrecht erhält. Am Alpensüdhang ist starke Thermik erkennbar, dort werden auch die ersten präfrontalen Gewitter bereits am späten Nachmittag entstehen. Anhand dieses Bildes noch ziemlich unsicher ist, ob vom Napfgebiet und vom Schwarzenburgerland aus präfrontal Zellen entstehen können, die mit dem Südwestwind ins Mittelland hinaus ziehen. Hier wird noch vorhandene CIN das Zünglein an der Waage spielen, aber eventuell auch mangelnde Feuchtigkeit (die präfrontale Luftmasse ist relativ trocken, nicht zuletzt dank schwachen Föhneinflusses).

Der eigentliche Kaltfrontdurchgang erfolgt erst in den späten Abendstunden und wird sich in erster Linie durch sehr starken Regen bemerkbar machen, in den Gewitter eingelagert sind. Für alle Gewitterfotografen keine gute Nachricht, da die Blitze vom Regenvorhang verschluckt werden. Die Befriedigung nach spektakulären Aufnahmen interessanter Strukturen steht und fällt also mit den unsicheren präfrontalen Gewittern. Für den Normal-Wetterkonsument bedeutet die heutige Lage, rechtzeitig alles zu befestigen oder in Sicherheit zu bringen, was bei stürmischen Windböen Schaden nehmen könnte.

Der Freitag bringt typisches Rückseitenwetter: Am Alpennordhang noch länger bewölkt und nass, im Mittelland erste Aufhellungen mit Schauern, die zum Abend hin kontinuierlich weniger werden. Am Samstag schützt uns ein sich aufbauender Keil des Azorenhochs vor weiteren Trogschauern, die wahrscheinlich östlich der Schweiz aktiv sein werden.

Besagtes Hoch wird am Sonntag und Montag voll wetterwirksam. Zwei sonnige und trockene Tage, dank Bise noch mässig temperiert.

Und dann wären wir beim nächsten Ausfallschritt des Jetstreams. Am Dienstagabend steht eine weitere Kaltfront vor der Tür:

20160804-blog4Ob diese Kaltfront bereits am Dienstagabend bei uns Gewitter bringt oder ob es noch bis Mittwoch warten kann, darüber sind sich die Modelle noch nicht einig. Der gezeigte GFS-Hauptlauf ist da mit der Randtiefentwicklung über der Nordsee sehr progressiv und steht im Ensemble fast alleine da, was sich an den Niederschlagskurven am Boden der Grafik ablesen lässt:

20160804-blog5Entsprechend zeigen auch die Temperaturkurven zerstreut zwischen Dienstagabend und Mittwochabend deutliche Neigungen in herbstliche Tiefen. Solch massive Kaltfronten gegen Mitte August hin bedeuten in der Regel das Ende des Hochsommers (nicht des Sommers an sich, diese Hoffnung lassen wir uns so schnell nicht nehmen!). Nach den heutigen Unterlagen dürfte der Tiefpunkt in der Nacht von Donnerstag auf Freitag mit einer Schneefallgrenze um 1500 m oder sogar etwas tiefer erreicht werden.

Gewittervorschau 30.07.-04.08.2016

So nicht in den Modellen vorgesehen: Aktive Konvektionszone über Zentralfrankreich am Samstagmorgen

So nicht in den Modellen vorgesehen: Aktive Konvektionszone über Zentralfrankreich am Samstagmorgen

Manchmal kann man Sprüche auch umdrehen. Diesmal heisst es: Die Suppe wird nicht so kalt gegessen, wie sie gelagert wurde. Was vor wenigen Tagen noch nach einem markanten Kaltlufteinbruch für Anfang August aussah, entuppt sich im Verlauf der Modellentwicklungen zunehmend als Eintagsfliege. Zu verdanken haben wir die unsicheren Mittelfristaussichten mal wieder dem Jetstream, der eine Stippvisite nach Süden versucht. Im Groben entspricht die Grosswetterlage dem Typ West zyklonal, was aufgrund der starken Westwindströmung über Mitteleuropa sehr lebhaftes und wechselhaftes Wetter verspricht. Mit der manchmal überraschenden Entwicklung in den eingelagerten Trögen können die Modelle gelegentlich arge Nöte bekunden. Daher sei vorausgeschickt, dass alles was in den nächsten Zeilen geschrieben wird, bereits einen Tag später wieder Makulatur sein kann. Auf Details wird daher nach Montag sinnvollerweise gleich verzichtet – es soll beim Versuch bleiben, einen groben Ablauf zu skizzieren.

Die erste Überraschung steht bereits vor den Toren Genfs und zieht am frühen Nachmittag mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von etwa 60 km/h über die Schweiz hinweg. Das Gewittersystem kann sich auf dem Weg über die Alpen durchaus abschwächen, doch darauf verlassen sollte man sich nicht. Viele Berggänger dürften daher heute Nachmittag überrascht werden, heisst es doch den ganzen Vormittag noch in den einschlägigen Wetterberichten, dass erst „gegen Abend“ mit ersten vereinzelten Regengüssen gerechnet werden muss. Ich habe da meine Zweifel…

20160730-blog2In den Modellen sucht man meist vergeblich nach den Anzeichen für diese Störung. Fündig wird man in über 9000 m Höhe, wo in obiger Karte über Zentralfrankreich ein kleines unscheinbares Pluszeichen darauf hindeutet, dass in der Höhe die Winde auseinanderdriften. Das erzeugt in den unteren Luftschichten Hebung, und schon ist der Prozess der Clusterbildung in Gange. Dieses kleine Plus verstärkt sich übrigens in den nächsten Stunden markant und kommt von Mitternacht bis weit in den Sonntag hinein direkt über der Schweiz zu liegen.

Besonders tückisch am heutigen Fall ist die scheinbare Trockenheit in den unteren Luftschichten, was eine gute Fernsicht ermöglicht. Begünstigt wird dies durch zügigen Westwind, der am Vormittag jegliche Feuchtenester ausgeräumt hat. Der erfahrene Berggänger wird damit gehörig hinters Licht geführt. Dass in höheren Schichten bereits etwas im Gange ist, haben die mittelhohen Wolkenfelder heute Morgen verraten. Altocumulusfelder, zumal wenn sie Türmchen aufweisen, sind zuverlässige Gewittervorboten. Allerdings waren diese nur über dem Mittelland, im Wallis und im Tessin zu sehen, nicht aber über den Nordalpen und in Graubünden. Die für die Gewitterbildung notwendige Feuchte wird mit dem System von Frankreich her zugeführt, und das aussergewöhnlich rasch. Wie schon in der Einleitung erwähnt, weist der Wind in 3000 bis 5000 m Höhe rund 60 km/h auf. Nur wer freie Sicht nach Westen hat, wird die Wolken früh genug aufziehen sehen.

Da die Modelle diese Störung gar nicht oder weiter südlich in ihren Rechnungen drin haben, bewegen sich heute alle Meteorologen quasi im Blindflug. Wer auf die Modelle vertraut, wird genau so überrascht wie der ahnungslose Berggänger, wenn er nicht nach Westen schaut. Über die weitere Entwicklung kann daher einzig gemutmasst werden. Alternativ sind die 6z-Läufe abzuwarten in der Hoffnung, dass die Modelle zu diesem Zeitpunkt das System endlich richtig erfasst haben.

Bereits kurz nach Mittag erfassen die Gewitter aus Westen die westlichen Alpen und das Wallis. Wie weit Entwicklungen nach Norden hin aktiviert werden, ist fraglich. Ebenso, wie aktiv das System auf dem Weg nach Osten bleiben wird. Noch spannender wird die Frage, was dahinter passiert. Die Luft hinter der Störung sieht im aktuellen Satellitenbild relativ trocken aus, es hat jedoch erste Ansätze neuer konvektiver Entwicklungen drin. Was also am Samstagabend in der Schweiz passieren wird, ist nach derzeitigem Stand völlig offen. Stimmen die Karten für die höheren Schichten, muss mit einem heftigen, sehr kurzfristig verlaufenden Antrieb gerechnet werden. Unwetterartige Gewitter können sich extrem rasch bilden, die Vorwarnzeit ist nicht nur deshalb, sondern auch wegen der sehr hohen Zuggeschwindigkeit extrem kurz. Mit Hagel, schweren Sturmböen und möglicherweise sogar Tornados muss bei diesem Setting gerechnet werden. Die Feuchtigkeit nimmt am Abend ebenfalls rasch zu (auf dem Satellitenbild als Schichtbewölkung über Frankreich zu erkennen, die sich im Tagesverlauf in mittlere Luftschichten umlagern wird), sodass das niederschlagbare Wasser ebenfalls hohe Werte erreicht. Dank der hohen Zuggeschwindigkeit verbleiben extreme Wolkenbrüche aber nie lange über demselben Gebiet.

Am Sonntag erreicht die Kaltfront von Westen her die Schweiz und schiebt an seiner Stirn die im Mittelland lagernde Luftmasse gegen den Alpennordhang. Der Querschnitt von Nordwest nach Südost soll das verdeutlichen:

Energiegehalt der Luftmasse Sonntagmittag, Querschnitt von NW nach SE. Legende v.l.n.r.: A = Ardennen, V = Vogesen, J = Jura, A = Alpen, T = Tessin

Energiegehalt der Luftmasse Sonntagmittag, Querschnitt von NW nach SE. Legende v.l.n.r.: A = Ardennen, V = Vogesen, J = Jura, A = Alpen, T = Tessin

Zu sehen ist hier, dass die Luftmasse in zwei Schritten kühler wird. Die zweite Kaltfront über den Ardennen wird die Schweiz allerdings nicht erreichen, bzw. wird durch Zwischenhocheinfluss weitgehend aufgelöst. Für uns bedeutet dies, dass die Gewitteraktivität im Lauf des Sonntags zu den Alpen verlagert wird. Rückseitig kann sich gegen Abend in der Nordwestschweiz und am Jurasüdfuss sogar wieder die Sonne zeigen. Der Luftdruck ist der Schweiz gut gesinnt und steigt rasch, sodass der 1. August mittlerweile viel besser aussieht als ursprünglich befürchtet. Unter Zwischenhocheinfluss dürfte es weitgehend trocken bleiben.

20160730-blog4 Eventuell halten sich inneralpin und im Süden noch ein paar schwül-warme Feuchtenester, die mal ein lokales Gewitter auslösen können. Viele Indizien sprechen allerdings eher dagegen.

Am Dienstag lässt der Zwischenhocheinfluss nach und die noch weiter nördlich lagernde kühle Luft kann mit einer Trogverschärfung bis zu den Alpen ausbrechen:

20160730-blog5Am Dienstag ist also noch mal mit konvektiven Umlagerungen zu rechnen. Je nach tagszeitlichem Timing kann es dabei durchaus noch mal zu kräftigen Entwicklungen kommen, nach Osten hin eher als im Westen, wo der Hochdruckkeil besser wirkt. Zu sehen ist auch der breite Warmsektor des nächsten Tiefs, der am Mittwoch und Donnerstag über uns zu liegen kommt. Hier wird es ganz fest vom Verhalten des Hochdruckkeils abhängen, wie stabil diese beiden Tage bei uns verlaufen. Nach derzeitigem Stand ist mit neuen Gewittern ab Donnerstagnachmittag zu rechnen.

Gewittervorschau 21.-28.07.2016

Altocumulus-Felder sind im Hochsommer meist verlässliche Zeichen, dass das nächste Gewitter oft nur wenige Stunden entfernt liegt

Altocumulus-Felder sind im Hochsommer meist verlässliche Zeichen, dass das nächste Gewitter oft nur wenige Stunden entfernt liegt

Eines fällt in diesem Sommer auf: Immer, wenn wir von potenziell gefährlichen Gewitterlagen schreiben, dann hat der Jetstream seine Finger im Spiel. In diesem Jahr ist er ein besonders launischer Geselle: Er kann sich nicht entscheiden, ob er schwach oder stark sein und ob er sich in nördlicheren oder südlicheren Gefilden wohl fühlen möchte. Was zur Folge hat, dass sämtliche Versuche, den Trend über mehr als eine Woche vorhersagen zu wollen, kläglich scheitern lässt. Also lassen wir diesmal das Spekulieren über die Mittelfrist und konzentrieren uns auf die nächsten Tage, die bringen nämlich durchaus genug Spannung in die Wetterküche. Oder sollten wir besser Waschküche sagen? Sauna wäre auch kein unpassender Begriff für das, was uns erwartet. Einzig ob und wann der Sprung ins kalte Wasser folgt, ist diesmal noch völlig offen. Jedenfalls sollte man jene Prognosen, die eine stabile Hochsommerphase für die nächsten Wochen herbeireden, mit einer gesunden Portion Skepsis betrachten.

Schauen wir auf die grossräumigen Strömungen in den höheren Luftschichten, so fällt uns einmal mehr ein scharfer Trog auf. Diesmal bildet er sich über Westeuropa aus, sodass wir am Freitag auf seiner Vorderseite in eine sehr warme und zunehmend feuchte Süd- bis Südwestströmung geraten:

20160721-blog2Zuvor erholt sich jedoch am Donnerstagabend hinter der Okklusion vom Morgen noch mal der Hochdruckrücken. Auf der folgenden Karte ist die Trog-Keil-Trog-Abfolge gut zu erkennen (schwarze Linien):

20160721-blog3Über dem Dreiländereck DE/AT/CZ ist der Knick im Hochdruckrücken zu sehen, der in der Nacht auf Donnerstag über uns hinweg gezogen ist, begleitet von einer Okklusion, die einen Luftmassenwechsel brachte. Zwar haben sich die bodennahen Luftschichten etwas abgekühlt, ausgeglichen wird der Energiegehalt aber durch die höhere Feuchtigkeit gegenüber Mittwoch. Warm-feucht statt trocken-heiss sieht auf den Theta-e-Karten nahezu gleich aus, das Verhalten dieser unterschiedlichen Charaktere ist aber derart verschieden, dass sie bei der Prognose der zu erwartenden Gewittertypen eine Rolle spielen. Waren am Mittwochabend vereinzelt sehr explosive, überraschend auftretende, aber kurzlebige Hitzegewitter ein Thema, rücken nun mesoskalige Systeme mit gemächlicherem Aufbau und höherem Potenzial für Überflutungen in den Vordergrund.

Die Erholung des Hochdruckrückens sorgt nun aber im Lauf des Donnerstags dazu, dass die Gewitterneigung gegen Abend allmählich abnimmt. Dazu trägt auch die von -12 auf -10 Grad steigende Temperatur im 500 hPa-Niveau bei. Die etwas stabilere Schichtung bewirkt, dass sich Gewitter am Abend nur noch mit orographischer Unterstützung über den Bergen bilden. Die WSW-Strömung sorgt zudem dafür, dass über den Voralpen entstehende Zellen nicht ins Mittelland hinaus laufen können.

Wie schon eingangs erwähnt, dreht die Höhenströmung im Lauf des Freitags auf Südwest bis Süd, ist aber eher schwach ausgeprägt, da der Trog im Westen sich bereits anschickt, abzutropfen. Damit kommt er auch nicht richtig nach Osten voran, sondern zieht sich zunehmend in südlicher Richtung in die Länge. Eine aus Westen aufziehende Kaltfront verliert somit an Schwung und kommt am Abend direkt über der Schweiz zum Stillstand:

20160721-blog4Rückseitig kann bodennah etwas kühlere Luft über den Jura ins Mittelland einfliessen, doch in der Höhe bleibt uns die sehr warme und feuchte Südwestströmung erhalten. Darin eingebettet ziehen immer wieder Gewittercluster aus den Alpen und aus Südfrankreich nach Nordosten. Zeitliche Abfolge und genaue Zugbahnen sind mehr als sechs Stunden im Voraus so gut wie unprognostizierbar. Die Hauptgefahr liegt in relativ grossen und intensiven Niederschlagsgebieten, die sich über ein paar Stunden hinweg über derselben Region austoben können, da die Höhenströmung als folge des sich abzeichnenden CutOff-Prozesses relativ schwach ist und die Systeme nur langsam ziehen.

Auf den Samstag ändert sich die Situation kaum:

20160721-blog5Die schwach ausgeprägten Bodendruckfelder mit einem schwachen Tief über Deutschland bringen kaum Bewegung in den Sumpf. Inneralpin halten sich die energiereichen Luftmassen besonders hartnäckig, sodass sich hier nach wie vor kräftige Gewitter bilden können. Die Trogachse kommt in der zweiten Tageshälfte genau über der Schweiz zu liegen, sodass Gewitter in der Ostschweiz nach Norden, in der Westschweiz hingegen nach Süden ziehen können. Dazwischen herrscht so gut wie Stillstand, was stationäre Zellen mit ortsfestem Starkregen hervorbringen kann. Kaum nötig zu erwähnen, dass eine nur geringfügige Verschiebung der Trogachse die lokalen Strömungsverhältnisse völlig auf den Kopf stellen kann. Die perfekte Fettnäpfchen-Wetterlage für Meteorologen, und das ausgerechnet am Wochenende in der Ferienzeit mit zahlreichen Freilichtanlässen!

Die in den letzten Tagen versprochene Wetterberuhigung ab Sonntag steht auf wackligen Füssen, da der Trog über der Schweiz liegenbleibt und sich das Abtropftief nur langsam nach Süden verlagert:

20160721-blog6Man sieht zwar von Westen ein sich zögerlich nähernder Hochdruckkeil und wieder eine langsame Stabilisierung der Atmosphäre, doch die feucht-warme Luftmasse im Alpenraum bleibt liegen und erwärmt sich bei zunehmendem Sonnenschein. Sollte sich also nicht noch etwas Unvorhergesehenes entwickeln, so bleibt es in der ersten Wochenhälfte gewitteranfällig. Wobei das Mittelland wohl unter etwas Hochdruckeinfluss eher verschont bliebe, doch in den Bergen ist der tägliche Regenguss mit „Musik“ wohl ein Muss. Extreme Hitze entwickelt sich daraus zwar nicht, doch aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit ist das Schwüle-Empfinden trotzdem eher unangenehm.

Ein Ende könnte diesem Zustand ein Luftmassenwechsel zum Donnerstag mit kühlerer Atlantikluft aus Nordwesten bereiten. Doch eingangs wurde dargelegt, weshalb Spekulationen über eine Woche hinweg derzeit wenig sinnvoll sind.