Das gestrige Wettergeschehen gab Anlass, nach längerer Pause wiedermal einen Gewitterrückblick zu verfassen. Im Sturmforum wurde gestern Vormittag folgende Vorschau publiziert:
„Heute drückt eine feuchte, energiereiche Luftmasse von Westen über die Alpennordseite. Die mässige Höhenströmung aus WNW könnte für genügend Scherung sorgen, dass auch Schauer/Gewitter mit Rotation nicht auszuschliessen sind. Wenn die Sonne reindrückt, könnte es schon da und dort recht aufploppen. Für Kaltluftschauer im April sind die Temperaturen eher hoch. Entweder schmelzen die Graupel, oder es reicht, vielleicht, für grössere Geschosse, welche dann nicht mehr schmelzen.“
Diese Vorschauworte haben das gestrige Wettergeschehen gut getroffen. Dieses kann in Kürze wie folgt zusammengefasst werden:
– Ja, es gab verbreitet und über lange Zeit Gewitter
– Ja, es gab Rotation, sogar eine langlebige Superzelle
– Ja, es gab Hagel
– Ja, es gab auch einen Downburst
Das markanteste Ereignis war ohne Zweifel die Superzelle, welche, vom Elsass ausgehend, über den Jura und das Mittelland in die Glarner Alpen reinzog und dann zerfiel. Die Daten waren, für Verhältnisse im April recht beeindruckend:
– Lebensdauer 4 Stunden und 5 Minuten (radarberechnete Intensität über 100 mm/h)
– Zuglänge 215 km
– Mittlere Zuggeschwindigkeit 52 km/h
Die Hagelspur ist auf der Hagelkarte haildoc 24 schön erkennbar. Am Boden wurden Hagelkörner bis 1.5 cm Durchmesser beobachtet, wobei gemäss der radarberechneten Hagelkarte auch Körner bis 3 cm Durchmesser möglich waren. Da vielerorts die Bäume in voller Blüte stehen, muss lokal mit erheblichen Schäden an den landwirtschaftlichen Kulturen gerechnet werden. Man beachte den Standort der Hagelmeldungen am Südrand der radarberechneten Hagelzone. Dies ist ein typisches Merkmal bei Superzellen. Durch die Interaktion der rotierenden Auf- und Abwinde werden die grössten Hagelkörner aussortiert und fallen am südlichen Rand der Superzelle zu Boden.
Auf dem folgenden 3D-Radarbild ist die Superzelle in den beiden Seitenrissen im Höhenprofil als rotes Hagelzentrum erkennbar. Der Hagelschlot erreicht eine Höhe von 8 km, bei einer maximalen Höhe der Gewitterwolke von 11 km. Diese Werte sind für die Jahreszeit bemerkenswert, können jedoch im Hochsommer noch deutlich übertroffen werden.
Atypisch war auch die Wetterlage, welche zu diesen Gewittern führte. Auslöser war ein blockierendes Hoch über der Iberischen Halbinsel, welches aus Nordwesten eine warme, feuchte Luftmasse zu uns steuerte. Diese wurde im Gefolge eines Randtiefs, mit zugehörigem Frontensystem, an den Jura, die Voralpen und die Alpen gedrückt, wo es dann durch orographische Hebung zur Gewitterbildung kam. Um die aussergewöhnliche Zugbahn der Superzelle zu verstehen, zeigen wir im Folgenden auch noch die 24-stündige Regensummenkarte des gestrigen Tages. Diese zeigt eine Zweiteilung: viel Regen im Nordosten und weniger Regen im Südwesten. Genau im Grenzbereich lag die Zugbahn der Superzelle. Der Regen im Nordosten fiel in den Stunden vor der Gewitterauslösung. Im Südwesten war es etwas trockener, und die Sonne konnte etwas durchdrücken und die Temperaturen, im Vergleich zum Nordosten, um etwa 1-2 Grad anheben. Möglicherweise reichte dieser Unterschied, um die Gewitterauslösung zu begünstigen. Man könnte von einer „Dryline“ sprechen: einer Grenze zwischen feuchter und trockener Luft, an welcher sich in den USA gerne Gewitter bilden. Den Begriff „trocken“ muss man jedoch sehr dehnbar interpretieren, er wäre in unserem Fall auf 90% relative Luftfeuchtigkeit anzuwenden.
Die Superzelle war beileibe nicht der einzige Gewitterzug des gestrigen Tages. Die Gewittertätigkeit begann ca. Mitte Nachmittag über Frankreich und endete erst frühmorgens nach 4 Uhr in den östlichen Voralpen. Somit hat es während 12 Stunden irgendwo in der Schweiz geblitzt und gedonnert. Auch das nicht unbedingt die Regel für die Jahreszeit, aber ein eindrücklicher Start in die Gewittersaison. Im Sturmforum finden sich weitere Hinweise zu dieser aussergewöhnlichen Gewitterlage.
Die beiden Zugpferde der Marke Meteoradar: Donnerradar und haildoc, sind seit längerem im Besitz der Meteotest AG in Bern. Für die sofortige Beurteilung des Gewitterrisikos und die rasche Erfassung von Hagelschlägen mit Schadenfolge sind die beiden Tools nach wie vor unverzichtbar.